Pause im Office-Dschungel von SAP

Eineinhalb Jahre nach dem Umbau der Wiener Niederlassung des Softwareunternehmens kam die Pandemie. Der seit jeher digitale und papierlose Arbeitsalltag erleichtert den Umstieg aufs dauerhafte Homeoffice.

  • Mitarbeiteranzahl: 400
  • Bürofläche: 8000 Quadratmeter
  • Branche: Softwareentwicklung
Der Grünstreifen in der Mitte des Büros wird wie ein Park genutzt, aktuell mit Abstand.
Foto: Paul Ott

Was der Besucherin im Büro von SAP in der Wiener Lassallestraße zuallererst auffällt, sind die Pflanzen. Man hat fast das Gefühl, mitten in einem Gewächshaus zu stehen, so grün sprießt es rundherum. Insgesamt 3080 Pflanzen wurden hier eingesetzt, als das Büro des Softwareunternehmens im Jahr 2018 eröffnet wurde. Grün ist daher auch die dominierende Farbe hier, gemeinsam mit natürlichen Holztönen.

Ein parkähnlicher Grünstreifen zieht sich durch das Bürogebäude, in dem Sofas, Schaukeln, Rückzugsnischen, Besprechungsräume sowie Kaffee- und Snackangebote untergebracht sind. Drumherum sind die Arbeitsplätze angeordnet – und zwar als Großraumbüro. Bis auf die Verantwortliche für Human Ressources hat niemand ein geschlossenes Einzelbüro, auch nicht der Managing Director oder der CFO. Allerdings: Bei SAP hat jeder Mitarbeiter seinen fixen Arbeitsplatz, das sei den meisten ein großes Anliegen gewesen, heißt es.

Großteil im Homeoffice

Mittlerweile gibt es aber auch hier Überlegungen hin zu einem Shared-Desk-Konzept, der Grund dafür ist die Pandemie. Denn wie in vielen anderen Büros arbeiten auch bei SAP die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derzeit im Homeoffice. Viele wollen das Arbeiten von daheim auch nach der Pandemie beibehalten und schätzen die Flexibilität, weiß Personalchefin Katharina Klee. Zukünftig könnte es also nicht mehr notwendig sein, dass jede und jeder seinen eigenen Schreibtisch behält, wenn viele ohnehin nur mehr ein oder zwei Tage pro Woche ins Büro kommen. Bisher bereut das Unternehmen die Entscheidung zum Großraumbüro – trotz Pandemie – aber nicht, es ermögliche besseren Austausch und Transparenz.

Rund eineinhalb Jahre lang konnten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach dem Umbau im Jahr 2018 ihr neues Büro genießen, dann kam Corona. Während der Lockdowns hat das Unternehmen eine Belegung von 20 Prozent erlaubt, verteilt auf alle Etagen. Seit dieser Woche ist eine Belegung von 50 Prozent zulässig. Dafür wurde ein digitales Anmeldekonzept eingeführt, zusätzlich müssen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich beim Empfang anmelden. Zudem gilt FFP2-Masken-Pflicht, der Mindestabstand muss eingehalten werden, und auch in den Meeting-Räumen wurde die zulässige Personenanzahl stark reduziert – pro Person müssen 20 Quadratmeter zur Verfügung stehen, zudem sind die Fenster immer geöffnet.

Ein Fitnessbereich und eine Cafeteria sind ebenfalls Teil des Büros. Beides ist aktuell gesperrt, wobei die Sportkurse digital stattfinden und die Sitzplätze in der Cafeteria von jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die im Büro arbeiten, für die Pausen genutzt werden dürfen – allerdings nur mit ausreichend Abstand und selbst mitgebrachtem Essen.

Gut gerüstet

Auch ein weitgehend papierloses Büro ist Praxis. Was von außerhalb in Papierform reinkommt, wird digitalisiert, seit jeher werden Online-Tools genutzt – "das kommt uns derzeit sehr entgegen", sagt dazu HR-Direktorin Klee. Da das Arbeiten von daheim auch schon vor der Pandemie an einzelnen Tagen ermöglicht wurde, waren die meisten Mitarbeiter bereits fürs Homeoffice ausgestattet. Für manche sei es dennoch eine Umstellung gewesen, etwa dass zu Hause die großen Monitore fehlen.

Auch zeitlich werden vom Unternehmen in der Pandemie mehr Freiheiten gewährt, etwa kann der Arbeitstag bei Eltern, die Homeschooling machen müssen, auch erst um 15 Uhr starten – in Abstimmung mit den Führungskräften. Und auch das Team-Building soll nicht zu kurz kommen: Es gibt virtuelle Kaffeepausen, Lunchtreffen oder eine Happy Hour.

Büro von Refurbed – fast ungebraucht

Das Unternehmen haucht alten Smartphones, Tablets und Laptops neues Leben ein. Im neuen Büro am Austria Campus ist es hingegen ruhig, denn der Einzug fand mitten in der Pandemie statt.

  • Mitarbeiteranzahl: 100
  • Bürofläche: 1800 Quadratmeter
  • Branche: Elektrotechnik
Nachhaltig ist nicht nur das Unternehmenskonzept, sondern auch das Mobiliar.
Foto: Refurbed

Ein Wuzzler, eine Dartscheibe, gemütliche Sessel und sogar eine Bar gibt es im Büro von Refurbed am Austria Campus in Wien-Leopoldstadt. Was nach viel Spaß klingt, ist derzeit nur Theorie – denn in das neue Büro eingezogen ist das Unternehmen erst letzten Oktober, also schon mitten in Pandemie und in Zeiten des Homeoffice.

Bislang blieben die Bargläser also trocken. Und das, obwohl das Unternehmen Grund zum Feiern hätte, denn seit dem letzten Jahr hat sich die Mitarbeiteranzahl verdoppelt. Der Erfolg gibt dem Unternehmenskonzept recht, denn Refurbed ist ein Onlinemarktplatz für erneuerte elektronische Geräte wie Handys, Tablets und Laptops. Jedes Produkt war zuvor schon einmal in Verwendung, wird aber in bis zu 40 Schritten komplett aufbereitet, erklärt Mitgründer Kilian Kaminski – "das hat am Ende nichts mehr mit einem gebrauchten Gerät zu tun, sondern ist wie neu und zudem nachhaltig und günstig."

Flaute im Büro

Dass das Geschäft brummt, merkt man im Büro allerdings nicht, denn der Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitet im Homeoffice. Neben mehreren Großraumbüros gibt es bei Refurbed auch kleinere Büros für zwei und vier Personen – je nach Tätigkeitsbereich der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Man habe sich überlegt, welche Aufteilung sinnvoll ist; Marketing und Design sind im Großraumbüro untergebracht, um einen besseren Austausch zu gewährleisten und kreative Ideenfindung zu unterstützen. Die HR-Abteilung und alle, die viel telefonieren müssen, arbeiten in kleineren Einheiten, erklärt Kaminski.

Nachhaltigkeit ist nicht nur Teil des Unternehmenskonzepts, sondern auch die Devise bei der Büroeinrichtung. Man habe bei der Entwicklung und Planung viel Wert auf Holz und Tischlerarbeiten gelegt, sagt Kaminski. So sind etwa der Empfangstresen oder das Bar-Element handgefertigt, jeder Schreibtisch ist zudem höhenverstellbar und kann als Stehtisch fungieren.

Neue Konzepte

Bisher ist für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter ein fixer Arbeitsplatz eingeplant, auch wenn die meisten ihn noch gar nicht nutzen. Nach Corona will man aber auch hier flexibel sein und ist aktuell dabei, sich Konzepte für die Zukunft zu überlegen. Denn Kaminski vermutet, dass das Homeoffice nach der Pandemie stärker genutzt werden wird. "Ist ein Mitarbeiter nur an einem oder zwei Tagen im Büro, wäre ein Shared-Desk-Konzept sicher sinnvoll", sagt er, alle anderen könnten weiter ihre fixen Arbeitsplätze behalten.

Während der Lockdowns arbeiten nur jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Büro, die aus persönlichen Gründen nicht im Homeoffice sein können, in der restlichen Zeit gibt es ein rotierendes System. Das Personal wird in drei Gruppen eingeteilt und arbeitet je eine Woche im Büro und zwei Wochen daheim. "Dabei haben wir darauf geachtet, dass die Teams zusammen sind, dass die Kollegen sich auch mal persönlich sehen – natürlich freiwillig", so Kaminski.

Informeller Austausch

Besprechungen finden per Zoom statt – und nicht immer nur zu geschäftlichen Zwecken. Beim sogenannten Firmen-Town-Hall oder bei der donnerstäglichen Beer O’Clock ist Gelegenheit für informellen Austausch, auch wenn das lange nicht ausreicht, wie Kaminski betont: "Alle haben es langsam satt. Der Wunsch, sich mit Kollegen von Angesicht zu Angesicht zu treffen, ist sehr groß – zumal wir viele neue Mitarbeiter haben, die sich noch nie persönlich gesehen haben."

Für Kaminski macht diese aktuelle Situation daher umso deutlicher, wie wichtig ein Büro trotz allem ist: "Wir wollen uns die Miete fürs Office in Zukunft auf keinen Fall ersparen. Denn hier gelingt Austausch über Privates, Hobbys – und somit echter Beziehungsaufbau."

Große Stille in der ÖBB-Zentrale

Im Großraumbüro der ÖBB am Hauptbahnhof ist es ruhig geworden, denn wer die Möglichkeit hat, soll von daheim arbeiten – dazu ruft das Unternehmen alle Mitarbeiter auf. Vor Ort gelten strenge Hygieneregeln.

  • Mitarbeiter-Anzahl: 1700
  • Bürofläche: 27.000 Quadratmeter
  • Branche: Infrastruktur
Pflanzen und Vorhänge prägen das Erscheinungsbild der ÖBB-Konzernzentrale.
Foto: ÖBB/Michael Posch

Auf insgesamt 23 Stockwerke verteilt arbeiten in einem 88 Meter hohen Turm am Wiener Hauptbahnhof die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖBB-Konzernzentrale. Sie sitzen auf ihren eigenen Arbeitsplätzen im Großraumbüro – allerdings mit einer Besonderheit: Durch das ganze Gebäude ziehen sich Vorhänge als optische, wenn auch nicht akustische Abtrennmöglichkeit. Dafür wurden – die ÖBB kennen sich damit ja aus – 3500 Meter Schienen verlegt, und zwar Vorhangschienen. "Dadurch lassen sich Bereiche vergrößern und verkleinern", sagt Franz Hammerschmid von der ÖBB-Infrastruktur. Die Rückmeldungen zu diesem System seien ganz unterschiedlich, heißt es weiter. Wie überall gibt es auch hier positive wie negative Resonanz zum Großraumbüro.

Die Vorhänge, die sich nicht gerade, sondern in Wellen durch die Etagen ziehen, verleihen dem Büro jedenfalls einen gewissen Schwung, zudem sind die Stoffe mit Motiven bedruckt, die an eine Zugfahrt durch Österreich erinnern sollen – etwa eine Gebirgslandschaft. Was das naturnahe Gefühl noch verstärkt, ist die vertikale Begrünung. Sogenannte Greenwalls auf über 500 Quadratmetern sollen das Raumklima verbessern und allgemein genutzte Flächen beleben.

Stille im Büro

Damit haben die Pflanzen aktuell eine besonders schwere Aufgabe, denn auch in den Büros der ÖBB ist die Situation derzeit alles andere als belebt. "Es ist sehr still geworden, manche Kollegen habe ich schon monatelang nicht mehr gesehen", sagt Hammerschmid. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dazu aufgerufen, von daheim zu arbeiten und nur in Ausnahmefällen ins Büro zu kommen. Dort gilt: Abstand halten, Hände waschen und, außer man sitzt am eigenen Schreibtisch, FFP2-Maske tragen. Persönliche Besprechungen sind untersagt. Die Kantine hat zwar geöffnet, "aber dort zu essen macht keinen Spaß, weil man so weit auseinander sitzen muss", sagt Hammerschmid.

Die Arbeit von daheim habe sich mittlerweile gut eingependelt, die Rückmeldungen seien durchaus positiv, und auch das firmeninterne Netzwerk habe fast vom ersten Tag an gut funktioniert. Als Entschädigung und Dankeschön haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ende letzten Jahres 50 Euro als kleinen Corona-Bonus bekommen.

Gerade weil der persönliche Kontakt fehlt, haben sich auch die ÖBB Gedanken gemacht, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützt und informiert werden können. Erstellt wurden Online-Meeting-Guides, Tipps und Tricks fürs Homeoffice oder zur Arbeitssicherheit daheim sowie für mehr Psychohygiene. Speziell in der aktuellen Situation sei es wichtig, Routinen zu etablieren, Arbeitszeiten festzulegen und regelmäßige Pausen zu machen, heißt es vom Unternehmen.

Zwangloses Plaudern

Um die Teams zu stärken, werden kleinere, virtuelle Treffen organisiert, bei denen ganz zwanglos geplaudert werden kann. "Es ist trotzdem fraglich, wie effektiv das ist, denn man schaut ja trotzdem immer nur auf einen Bildschirm", so Hammerschmid. Auch wenn diese Versuche von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr geschätzt werden, sei die Zusammenarbeit in dieser Zeit insgesamt eine große Herausforderung.

Trotz allem hält man auch bei den ÖBB das Modell Großraumbüro weiterhin für ein zukunftsfähiges Konzept – zumindest je nachdem, welche Aufgaben die Menschen ausführen müssen, so Hammerschmid. Das Ende dieses Konzepts sieht er durch Corona aber nicht gekommen: "Wir hoffen darauf, dass die Pandemie besiegt wird. Danach werden wohl weniger große Umbauten in Büros das Hauptthema sein, sondern viel mehr ein verstärktes Arbeiten im Homeoffice." (Bernadette Redl, 16.2.2021)