Häufig verlieren Mieter durch Eigenbedarfskündigungen günstige Altverträge.

Foto: istockphoto/Getty/ROMAOSLO

Die Meldung erhitzte vor wenigen Tagen die Gemüter: Ein früherer Moral-Kolumnist der Süddeutschen Zeitung wollte in seinem Berliner Wohnhaus vier Mieter loswerden, weil er die Wohnungen für sich alleine benötigte (DER STANDARD berichtete).

Er wolle Gäste beherbergen und brauche Platz für eine Bibliothek, argumentierte er sein Vorgehen. Seine eigene, immerhin auch 140 Quadratmeter große Wohnung dürfte ihm dafür zu klein geworden sein.

Mit drei Mietern konnte sich der Kolumnist einigen. Die vierte Mieterin ließ es auf einen Rechtsstreit ankommen. Letztendlich einigte sie sich mit ihrem Vermieter, bekam eine Ablöse von 112.500 Euro – und wird bis zum Herbst ausziehen.

Weit verbreitete Angst

Wie würde das in Österreich funktionieren? Über den doch etwas dreisten Vermieter runzeln jedenfalls auch österreichische Juristen die Stirn. Auch wenn Mieterschützern auch hierzulande Eigenbedarfskündigungen – oder oftmals auch nur entsprechende Drohungen – immer öfter unterkommen.

"Das spielt bei Altverträgen eine Rolle", sagt der Jurist Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschutzverband. Denn neuere Mietverträge sind ohnehin häufig nur noch befristet. Die Angst vor einer Eigenbedarfskündigung ist auch unter österreichischen Mieterinnen und Mietern weit verbreitet, erzählt der Mieterschützer.

Dringender Eigenbedarf ist in Österreich ein Kündigungsgrund. "Aber wenn jemand alleine eine 140 Quadratmeter große Wohnung bewohnt, ist dieser Eigenbedarf sicher nicht gegeben", sagt der Jurist Andreas Grieb. Er ist Richter am Landesgericht für Zivilrechtssachen und erfahrener Immobilien-Experte.

Das Enkerl vom Land

Die Wohnung muss für sich selbst oder für Verwandte in absteigender Linie dringend benötigt werden. Wenn der Eigenbedarf aber beispielsweise selbstverschuldet ist – wenn man also in den letzten Jahren zum Beispiel immer wieder frei werdende Wohnungen, die man ja potenziell auch selbst oder für nahe Angehörige hätte nutzen können, neu vermietet hat –, dann wird man vor Gericht eher keine Chance haben.

Der Enkel, der zum Studium vom Land in die Stadt zieht, könnte als dringender Bedarf allerdings schon durchgehen. Noch ein denkbares Szenario wäre, wenn die Tochter, die noch bei den Eltern wohnt, schwanger wird und mit dem Freund zusammenziehen will – und dafür eine Wohnung braucht.

Eine Kündigung vonseiten des Vermieters muss gerichtlich erfolgen. Das kann sich in die Länge ziehen und ist ein wenig kompliziert, weil im Zivilprozess Beweise erhoben werden. Oft werden auch gleich mehrere Kündigungsgründe angeführt, um auf Nummer sicher zu gehen. So etwa auch, dass die Wohnung nicht genutzt oder an Dritte weitergegeben wurde.

Prätorischer Räumungsvergleich

Manche Vermieter kommen vorab aber auch auf den Mieter zu und erklären die Lage. Manchmal funktioniert das. Zum Beispiel, wenn eine ältere Mieterin ohnehin vorhatte, in ein Pensionistenwohnheim zu ziehen. "Die Frage ist dann halt, wie man das durchsetzt, wenn die Mieterin sich die Sache noch einmal anders überlegt", so Grieb. Daher sei es sinnvoll, vor Gericht einen sogenannten prätorischen Räumungsvergleich zu schließen, in dem sich der Mieter verpflichtet, zu einem bestimmten Zeitpunkt die Wohnung geräumt zu übergeben.

Oft bietet der Vermieter dem Mieter auch Geld an. Diese Ablöse von Mietrechten durch Vermieter sei gesetzlich zulässig, betont Grieb. Oft gibt es einen Teilbetrag gleich, um die bei einem Umzug entstehenden Kosten – zum Beispiel für den Makler und die Übersiedlung – zu decken. Den anderen Teil gibt es dann erst nach Auszug. Mitunter dürfen Mieter auch bis zu ihrem Auszug kostenfrei wohnen.

Manche lassen es ohnehin nicht auf einen Gerichtsprozess ankommen. "Viele gehen auf eine außergerichtliche Einigung ein, weil sie sagen: Ich halte den Druck nicht aus", sagt Grieb. Und für viele sei es auch ein zu großes finanzielles Risiko: Wer verliert, muss auch die Prozesskosten der gegnerischen Seite bezahlen. Somit ist man schnell bei 2000 oder 3000 Euro an anfallenden Kosten. Die in vielen Fällen sehr günstige Altbauwohnung, um die es bei dem Streit ging, verliert man obendrein und muss sich auf die Suche nach einer oft teureren Wohnung machen.

Judikatur gelockert

Früher war eine Eigenbedarfskündigung noch deutlich schwieriger: Bis in die 2000er-Jahre hinein bedurfte es einer "notstandsartigen Situation", damit eine solche Kündigung überhaupt durchging. Das war dem Zweiten Weltkrieg geschuldet. Das hat sich mittlerweile geändert, sagt Mieterschützer Kirnbauer: "Da hat der OGH die Judikatur zugunsten der Vermieter gelockert."

Vermieter argumentieren trotzdem häufig damit, dass sie aufgrund der komplizierten und langwierigen Eigenbedarfskündigungen nur noch befristet vermieten. Die Mindestbefristungsdauer liegt in Österreich bei drei Jahren. Im Altbau wird dann ein Befristungsabschlag von 25 Prozent fällig, der aber nicht immer abgezogen wird. Ein Blick in den Mietvertrag kann sich auszahlen. Aber das ist eine andere Geschichte. (Franziska Zoidl, 20.2.2021)