Den Anfang machte am Donnerstag Nikolaus Kern.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wien – Mit dem sozialdemokratischen Kärntner Juristen Oliver S. ist am Donnerstag eine weitere Person im Ibiza-U-Ausschuss geladen gewesen, die nicht nachvollziehen konnte, warum sie Auskunftsperson geworden war. S. hat "ab 2017 gerüchteweise davon gehört, dass Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Ibiza, auf einem Video festgehalten, für sich schädliche Aussagen getätigt" habe – erstmals vom SPÖ-nahen Werber Nikolaus Pelinka. Die Soko Tape habe ihn 2019 tendenziös zum Thema befragt.

"Es war ein Spaß, es war ein Gerücht: 'Hast schon gehört ...'", erklärte S. "Gespräche von etwa 30 Sekunden" im Rahmen des Nationalratswahlkampfs 2017, als er SPÖ-Kandidat war. Details habe es hier nie gegeben, etwa dass Strache von einer vermeintlichen Oligarchin hinters Licht geführt wurde. Das Video sei ihm nie angeboten worden, er habe nie über einen Preis für das Video verhandelt. S. ist Mitgründer der SPÖ-"Sektion ohne Namen" und war deren Vorsitzender, ist aber inzwischen nicht mehr in dieser Gruppierung, wie er sagte.

Von Soko Tape befragt

2019, kurz vor der Neuwahl, sei er von der Soko Tape befragt worden. Dabei habe er seine Staatsbürgerpflicht erfüllt und ausgesagt. Thema sei dort auch gewesen, dass ein Mitglied der "Sektion ohne Namen" auf das Aus der türkis-blauen Regierung gewettet habe. "Da wurde alles eingestellt, das hat so nie stattgefunden." Auch habe er nichts von der Wette gewusst und könne es nicht verhindern, wenn ein Sektionsmitglied eine Wette tätige.

Eine Woche nach seiner Einvernahme seien Medienberichte aufgetaucht, in denen er als Mitverantwortlicher oder gar Mastermind des Videos dargestellt worden sei, "was einfach nicht stimmt". Eine Zeitung habe das ganze Einvernahmeprotokoll gehabt, "dazu wurden Dinge einfach dazugereimt, das war wirklich erschreckend", so S. "Das ist einfach nur ein Skandal. Die Soko Tape hat hier offensichtlich willfährig Informationen aus einem Verschlussakt an den Boulevard hinausgespielt."

"Definitiv ja", hatte er das Gefühl, dass seine Befragung bereits in eine gewisse Richtung gedreht worden sei, sagte der frühere Rechtsanwalt, der seine Lizenz "aufgrund der medialen Berichterstattung" über seine Person in der Causa Ibiza im Jänner 2020 ruhend gestellt hat. "Es ging nur in Richtung SPÖ de facto."

Bundeskriminalamt dementiert

Die kolportierte Weitergabe von Aktenteilen wie dem Einvernahmeprotokoll von S. an Medien schloss das Bundeskriminalamt (BK) gegenüber der APA aus. Dies entbehre jeglicher Grundlage und sei "unrichtig". "Zu den Behauptungen einer tendenziösen Befragung entgegnet die Soko 'Tape', dass jede Befragung der Klärung des Sachverhalts" diene. Das BK wird sich die Aussage von S. jedenfalls noch genau anschauen, wenn das Befragungsprotokoll vorliegt und will dann Eingaben bei der Staatsanwaltschaft machen, dabei ist eine Anzeige nicht ausgeschlossen.

Als bekannt wurde, dass Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) in der Causa Casinos Beschuldigter ist, es eine Hausdurchsuchung bei ihm gab und er von der Staatsanwaltschaft einvernommen wurde, ging es auch im U-Ausschuss in Meldungen zur Geschäftsordnung um dieses Thema. SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer stellte in diesem Zusammenhang einmal mehr die Vorsitzführung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wegen möglicher Befangenheit infrage, was dieser erneut zurückwies.

Frostige Befragung Kerns

Frostig wie der Tag hatten auch die Befragungen im U-Ausschuss am Donnerstag begonnen. Als Erster an der Reihe war Nikolaus Kern, Sohn von Ex-SPÖ-Chef und -Bundeskanzler Christian Kern. Er wurde nach seinem Eingangsstatement vom Ausschussvorsitzenden Sobotka ermahnt, die "Würde des Hauses zu wahren", hatte er doch zuvor etwa an die spekulative Veranlagung von Wohnbaugeldern in Niederösterreich zu einer Zeit erinnert, als Sobotka dort Finanzlandesrat war.

Prinzipiell hielt Kern fest, dass er nicht wisse, warum er geladen worden sei, außer dass die ÖVP vom Untersuchungsgegenstand ablenken wolle. "Ich arbeite in der Privatwirtschaft, habe und hatte keine Position in der Politik. Was ich habe, ist der falsche Nachname, so diene ich hier als Nebelgranate. Sippenhaft ist etwas unfassbar Feines."

Was er, Kern, wisse, sei, dass Strache auf Ibiza "einen Anfall von Größenwahn hatte". "Er sprach von Korruption, die seit Jahrzehnten die Republik aushöhlt und von der die ÖVP am meisten profitiert seit Jahrzehnten." Auf spätere Nachfragen wollte Kern keine Partei, dezidiert auch die SPÖ nicht davon ausnehmen. Konkrete Fälle kenne er aber nicht.

Von Freundin erfahren

Vom Ibiza-Video habe er am selben oder am nächsten Tag von seiner Freundin erfahren. Von der Erstellung und Kaufangeboten an Parteien wisse er nichts, außer was man danach in Medien gelesen habe. Ihm selbst sei das Video nicht angeboten worden. Größter Nutznießer des Videos beziehungsweise des Zeitpunkts der Veröffentlichung sie "die ÖVP" gewesen. Die SPÖ sei vollkommen am falschen Fuß erwischt worden. Im U-Ausschuss wolle die Volkspartei "ablenken, weil es nichts zu gewinnen gibt". Den Wiener Anwalt, der als Schlüsselfigur des Videos gilt, habe er nur einmal zufällig getroffen. Auch mit seinem Vater habe er nicht vor der Veröffentlichung des Videos darüber gesprochen.

Dritte Auskunftsperson verwundert über Vorladung

Auch die dritte Auskunftsperson des Tages, Marcin K., seines Zeichens Geschäftsführer der WH Media GmbH und Pressesprecher von Ex-SPÖ-Kanzler Werner Faymann in dessen Zeit als Verkehrsminister, gab zu Protokoll, dass er sich über seine Ladung "sehr gewundert" habe. "Ich habe mir überlegt, wie ich auf die Zeugenliste gekommen bin", so K. Weder habe er mit der Produktion oder der Distribution des Ibiza-Videos etwas zu tun gehabt. Noch könne er zu einem der anderen Beweisthemen etwas beitragen.

Von dem Video habe er erst am Abend der Veröffentlichung erfahren, und zwar von einem seiner Mitarbeiter. Zwar habe es damals in den Tagen davor in der Medienbranche Gerüchte gegeben, dass etwas in der Luft liege, was der FPÖ schaden könnte. Diese seien aber ohne "konkreten Informationsgehalt" gewesen, daher habe er sie auch nicht weiter verfolgt. Die Befragung von K. dauerte gegen 18 Uhr noch an. Mit großen Neuigkeiten war nicht mehr zu rechnen.

Oppositionsantrag an VfGH

Noch vor Beginn der Befragungen hatten SPÖ, Neos und FPÖ einen gemeinsamen Antrag an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) angekündigt. Die drei Fraktionen sind mit den bisherigen Aktenlieferungen des Finanzministeriums höchst unzufrieden. Der Antrag zielt insbesondere auf die E-Mails der Leiterin des Beteiligungsmanagements im Bund ab, wie SPÖ-Fraktionsführer Krainer erklärte. Die Fraktionen zeigten sich zuversichtlich, dass der VfGH innerhalb von vier Wochen zu ihren Gunsten entscheiden werde.

FPÖ-Fraktionsführer Hafenecker wiederum will am Donnerstag noch einen Antrag auf Ladung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der ehemaligen Leiterin der Präsidentschaftskanzlei, der nunmehrigen Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer, einbringen. Hafenecker erhofft sich dadurch Aufklärung darüber, was Van der Bellen womöglich bereits vor Erscheinen des Ibiza-Videos von diesem gewusst habe, hat doch Julian H. zu Protokoll gegeben, dass er die Präsidentschaftskanzlei im Voraus in Kenntnis gesetzt habe. Die Freiheitlichen müssen diesbezüglich aber auf Unterstützung durch die anderen Fraktionen hoffen.

Glock legt Beschwerde ein

Kathrin Glock, Ehefrau des Waffenherstellers Gaston Glock, legte indes nach ihrer Befragung im Untersuchungsausschuss beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine Beschwerde über Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper ein. Als Grund nennt Glock die ihrer Meinung nach "unsachlichen und persönlichen Angriffe" der pinken Abgeordneten. Die Beschwerde ist laut VfGH bereits eingelangt.

Glock war am 12. Jänner als Befragungsperson geladen, unter anderem, weil ihr Mann als angeblicher Spender von Ex-Vizekanzler und -FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video genannt worden war. Zudem wurde sie unter Minister Norbert Hofer (FPÖ) als Aufsichtsrätin der Flugsicherung Austro Control bestellt. Am Tag nach ihrer Aussage im U-Ausschuss wurde sie dann von der zuständigen Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) "mit sofortiger Wirkung" abberufen. Gewessler hatte den Schritt mit der "Geringschätzung gegenüber einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss" begründet. (APA, red, 11.2.2021)