Aufschlussreiche Lektüre von Franziska Tschinderle.
Foto: DuMont-Reiseverlag

"Im Laufe meiner Zeit in Tirana habe ich viele junge Albaner getroffen, die mit Zeichentrickserien Sprachen gelernt haben", schreibt die Autorin ziemlich persönlich über ihre Erfahrungen in Albanien. Die österreichische Journalistin Franziska Tschinderle hat ein Buch mit kurzweiligen Reisereportagen vor allem für Albanien-Einsteiger geschrieben, die dadurch bestechen, dass sie die Leser auch in die Geschichte dieses faszinierenden und wunderschönen Landes einführt, das wenig mit dem Image zu tun hat, das es anderswo "genießt".

Tschinderle beschreibt aber auch die stalinistische Vergangenheit, als zigtausende Menschen, die der paranoiden Vorgehensweise von Diktator Enver Hoxha zum Opfer fielen, eingesperrt waren. Auch die Beziehungen zu China und die berühmte Rettung von Juden während der faschistischen Besatzung sind ihr ein Kapitel wert. Ihre Texte über aktuelle Herausforderungen wie den Kampf gegen fragwürdige Wasserkraftwerke sind jedenfalls aufschlussreicher als jeder normale Reiseführer.

Marie-Janine Calic über Konformitätsdruck unter Tito.
Foto: Verlag C. H. Beck

Das neueste Buch der deutschen Südosteuropa-Historikerin Marie-Janine Calic beschäftigt sich ebenfalls, aber ausschließlich mit einem Langzeitherrscher des 20. Jahrhunderts: nämlich Tito, der politisch in den 1930ern in Moskau unter dem Decknamen Friedrich Walter entscheidend geprägt wurde. So beschreibt sie etwa den Konformitätsdruck in dem geschlossenen ideologischen und institutionellen Mikrokosmos und wie die jugoslawischen Kommunisten später "ohne nennenswerte Gegenwehr ein Regime nach dem sowjetischen Modell" aufbauten, das alle Kriterien totalitärer Herrschaft erfüllte.

Andere Stellen in Calics Biografie dürften Tito-Fans aber durchaus schmeicheln. "Josip Tito gab nicht mehr nur den mutigen Partisanenführer, weisen Staatsmann und geliebten Vater der Nation, sondern figurierte zudem als eine Art kommunistischer König, weltoffener Friedensbote und Politstar", schreibt sie etwa durchaus affirmativ. (Adelheid Wölfl, 11.2.2021)