Für CSU-Chef Söder ist nicht erkennbar, dass Tirol die Situation ernst nehme.

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Während die Regierung in Wien den Lockdown lockert und glaubt, Österreich auf diese Weise schnellstmöglich auf "back to normal" schalten zu können, kommen die Kolleginnen und Kollegen in Berlin zu anderen Schlussfolgerungen: Denn Deutschland verlängert seinen Lockdown bis zumindest 7. März – und plant auch strenge Kontrollen an den Grenzen zu Tirol. Genau das hatte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schon zuvor gefordert. Söder forderte, dass Deutschland Tirol zum "Mutationsgebiet" erklären möge, um Grenzen schärfer kontrollieren oder gar schließen lassen zu können.

Dem entsprach laut einer Meldung der "Bild"-Zeitung nun die deutsche Bundesregierung. Auch andere Medien, darunter die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", bestätigten später den Bericht. Die Grenzen sind damit ab Sonntag weitgehend dicht. Auch deutsche Staatsbürger dürfen nur mit einem negativen Corona-Test einreisen und müssen sich danach in Quarantäne begeben. Über Ausnahmen für die Einreisesperren werde allerdings noch verhandelt.

Angedeutet hatte das schon zuvor Söders Amtsvorgänger, der aktuelle deutsche Innenminister Horst Seehofer. Er sagte der "Süddeutschen Zeitung", er werde den Bitten aus Bayern– und aus Sachsen, das wegen Corona-Ausbrüchen in Tschechien ähnliches fordert – entsprechen. "Der Freistaat Bayern und der Freistaat Sachsen haben heute die Bundesregierung gebeten, Tirol und grenznahe Gebiete Tschechiens als Virusmutationgebiete einzustufen und stationäre Grenzkontrollen vorzunehmen", zitierte ihn das Blatt.

Tschechien wird Corona-Notstand nicht verlängern

Tschechien hat zuvor bereits drei Grenzbezirke abgeschottet. Die betroffenen Bewohner entlang der deutschen und polnischen Grenze dürfen ihren Bezirk nicht mehr verlassen. Am Donnerstagabend scheiterte dann die Minderheitsregierung aus Populisten und Sozialdemokraten daran, den Notstand über den 14. Februar hinaus zu verlängern. Premier Andrej Babis fand dafür keine Mehrheit im Parlament.

An den Notstand sind einzelne Corona-Maßnahmen gebunden. Laut Medien kann man jetzt damit rechnen, dass einige Restriktionen auf Grund einiger Gesetze in Kraft bleiben. Außerdem würden die Regionen den Krisenzustand ausrufen, aufgrund dessen weitere Beschränkungen fortgesetzt werden könnten. Den Kampf gegen die Pandemie würden nun eher die einzelnen regionalen Politiker führen, hieß es.

Kampf mit dem Virus

Zurück nach Berlin: "Wir gehen sozusagen mit dem Virus in einen Kampf, das ist unser Gegner", sagte dort schon zu Mittag die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag in Berlin. Sie machte damit offiziell, was an Informationen schon Mittwochabend aus Beratungen zwischen ihr und den Ministerpräsidenten der 16 deutschen Bundesländer an die Öffentlichkeit gedrungen war.

Deutschland plant ab Sonntag strenge Kontrollen an den Grenzen zu Tirol.
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Das Virus, betonte Merkel, richte sich nicht nach einem Datum im Kalender, sondern "nach Infektionszahlen und nach Fragen, wie sich die Infektion ausbreitet". Soll heißen: Eine Prolongierung des Lockdowns ist nicht nur möglich, sondern sogar zwingend, sollte bis Anfang März etwa die Kontaktnachverfolgung nicht zufriedenstellend funktionieren oder sollten sich die aktuellen Teststrategien und Schutzmaßnahmen nicht bewähren.

"Kein Hin und Her"

Grundtenor in Merkels Rede: Lockerungen dürften nur in jenem Maße durchgeführt werden, solange sie nicht zu einer neuen Infektionswelle führen. "Ich glaube nicht, dass das Hin und Her für die Menschen mehr Berechenbarkeit bringt, als ein paar Tage länger zu warten und sich den Überblick darüber zu verschaffen, dass man in einem kontinuierlichen Prozess wirklich auch öffnen kann", sagte Merkel, die auch Fehler im Management der zweiten Corona-Welle im Herbst und Winter einräumte: "Wir waren nicht vorsichtig genug und nicht schnell genug."

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder macht Druck auf Tirol.
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Momentan liegt die Zahl pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen im bundesdeutschen Schnitt bei täglich 68 bestätigten Neuinfektionen. Die neue Zielmarke von 35 sei aber in Sichtweite, versicherte Söder.

Irland setzt Österreich auf die Liste

Aber nicht nur Deutschland, sondern auch andere europäische Länder zeigen sich wegen des Tirol-Clusters der südafrikanischen Virusmutation besorgt. Irland setzte Österreich deshalb am Donnerstag auf die Liste für verschärfte Maßnahmen: Wer aus Österreich nach Irland fliegt, muss dort 14 Tage in Quarantäne und hat vorerst keine Möglichkeit mehr, sich nach fünf Tagen freizutesten.

In Tirol selbst gibt es mittlerweile in allen Bezirken Verdachtsfälle der Virusmutation – auch einen in Osttirol, das bisher von innerösterreichischen Reisebeschränkungen ausgenommen war. Die meisten bestätigten Fälle meldete der Bezirk Schwaz. Insgesamt gab es am Donnerstag in Tirol 190 durch Voll- oder Teilsequenzierung bestätigte Fälle, weitere 248 wiesen einen PCR-Verdacht auf die Südafrika-Mutation auf.

Infektionen in Tirol rückläufig

Generell sind die Corona-Infektionszahlen in Tirol rückläufig. In dem Bundesland galten am Donnerstag 1.050 Menschen als infiziert, um 38 weniger als am Tag zuvor. In den Spitälern wurden 84 Corona-Patienten behandelt (minus 22), davon benötigten 21 Menschen eine intensivmedizinische Betreuung – ein Tiefststand seit vielen Wochen.

Ab Freitag gilt für zehn Tage, dass man aus Tirol nur mit negativem Test ausreisen darf. Die Regierung rät zudem von Fahrten nach Tirol ab, der dabei gefallene Terminus "Reisewarnung" ist bei Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) auf Empörung gestoßen. Die Testregelung gilt auch für Pendler und wird deswegen scharf kritisiert. Ausgenommen sind Güterverkehr und Blaulichtdienste. Auch wer nur durch Tirol durchfährt oder vor einer Gefahr für Leib und Leben flüchtet – und das bei einer Kontrolle glaubhaft machen kann –, braucht keinen Test. Die entsprechende "Virusvariantenverordnung" wurde Mittwochabend veröffentlicht. Der Test für die freie Fahrt raus aus Tirol darf nicht älter als 48 Stunden sein, Kindern unter zehn brauchen keinen. (elas, gian, simo, 11.2.2021)