Ein Salzburger Brüderpaar soll Propaganda für Terrororganisationen wie den "Islamischen Staat" betrieben und Geld zur Unterstützung gesammelt haben. Wegen einer mutmaßlichen Panne beim BVT müssen sie sich erst Jahre danach verantworten.

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Wien – Das Gerichtsverfahren gegen die Brüder K. und den 23-jährigen T. ist aus zwei Gründen ungewöhnlich. Einerseits, weil selbst die Staatsanwältin vom Gesinnungswandel der K.s so beeindruckt ist, dass sie den Umstand in ihrem Schlussplädoyer extra hervorstreicht und eine milde Strafe fordert. Und andererseits, da der Prozess sechs Jahre nach den Taten stattfindet – da das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) dem Vernehmen nach den Akt liegenließ.

Der ältere Bruder K., 37 Jahre alt, war von Mitte 2014 bis Anfang 2015 der Hauptakteur, wie er auch zugibt. Der Salzburger veröffentlichte auf Facebook Terrorpropaganda. In einer Moschee in seinem Heimatbundesland gab er vor, Geld für Asylwerber und Syrer zu sammeln, tatsächlich wurden damit Flugtickets in den Nahen Osten für Möchtegernkämpfer gekauft. Und schließlich engagierte K. sich auch bei der Spendensammlung für einen verwundeten österreichischen IS-Kämpfer in Syrien, der mittlerweile verstorben ist – der wiederum der Bruder des Drittangeklagten gewesen ist.

Spende für Arbeitslosen

T. soll von K., dem Älteren, 250 Euro bekommen haben, laut Anklage, um sie ebenso an seinen Bruder weiterzuleiten. Diesen Anklagepunkt bestreiten alle drei: Es sei eine Spende gewesen, um die der damals 17-jährige Drittangeklagte gebeten habe, da er damals arbeitslos war.

"Wie kam es zu Ihrer Radikalisierung?", will die Vorsitzende des Schöffensenats von K. wissen. "Über soziale Netzwerke, ich habe mir auch Predigten auf Youtube angesehen", berichtet der Zweitangeklagte. Der Krieg in Syrien habe ihn aufgeregt: "Ich habe viel Mitleid gehabt mit den Menschen dort, es sind meine Geschwister, Brüder im Glauben", führt der türkischstämmige Österreicher aus.

Vor sechs Jahren löste er sich von der Ideologie, noch bevor er von der Polizei befragt wurde. "Ich war schon vorher wieder normal", sagt er, mittlerweile gebe es für ihn nur noch Arbeit und Familie. Auch das Salzburger Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) hält ausdrücklich fest, dass die Brüder bei der Vernehmung im Jahr 2016 keine Bärte mehr trugen, "ortsübliche Kleidung" anhatten und sich auf ihren Mobiltelefonen keine Terrorpropaganda mehr fand.

Akt vergessen, Datenträger verloren

Wieso aber liegen zwischen der Vernehmung in Salzburg und dem Strafprozess fünf Jahre? Ein Insider erklärt, dass das Problem nicht bei der Justiz, sondern im Innenministerium liege. Denn das Salzburger LVT schickte seine Ermittlungsergebnisse an das Wiener BVT – wo der Akt, angeblich wegen Arbeitsüberlastung, offenbar liegenblieb. Damit nicht genug: Ein Datenträger, auf dem die Beweise für die Propaganda im Internet, die die Brüder K. verbreitet haben, gespeichert war, ging im BVT verloren. Sie könnten daher dafür gar nicht verurteilt werden, gestehen es aber dennoch.

Eine Anfrage an das Innenministerium, warum ein Terrorakt einfach vergessen werden kann und wie er wieder aufgetaucht ist, blieb am Donnerstag zunächst ohne Antwort.

K. der Jüngere, 1991 in Salzburg geboren und aufgewachsen, spricht in breitem Dialekt. "Voiksschui", sagt er beispielsweise – oder: "I woar jung und dumm. I hob ned nochdocht." Er war offenbar mehr das Anhängsel des Bruders, wollte aber selbst mit Freunden nach Syrien. Sein Bruder und seine Mutter entdeckten jedoch das Flugticket in die Türkei und zerrissen es. Auch für ihn war die Familiengründung der endgültige Anlass zum Bruch mit dem Islamismus: "Wia i des erste Kind kriagt hob, hob i mi von dem gonzen Dreck losgsogt." Mittlerweile sind es drei Sprösslinge, der Österreicher hat nur noch ein Ziel: "I wü eifoch a schens Lem hom. In Östareich."

Bruder starb in Syrien

Drittangeklagter T. beteuert, wie schon bei der Polizei, dass die 250 Euro ein Geschenk an ihn gewesen seien. Dass sein Bruder verletzt war, habe er erst über Dritte erfahren, er habe dann nur gefragt, wie es ihm gehe. Terrorpropaganda habe er nie verbreitet, beteuert er. Den älteren K. habe er über Facebook kennengelernt, im Gerichtssaal sehen sich die beiden zum ersten Mal im richtigen Leben.

T. wird daher rechtskräftig freigesprochen, die Brüder K. bekommen 21 beziehungsweise 24 Monate bedingt. Eigentlich wäre die Strafe jeweils um drei Monate höher gewesen, für die wohl vom BVT verschuldete überlange Verfahrensdauer – "die nicht in unserem Bereich lag", wie die Vorsitzende in der Urteilsbegründung extra anführt – werden diese aber abgezogen. (Michael Möseneder, 12.2.2021)