Ungarn- und Osteuropaexperte Andreas Pribersky analysiert in seinem Gastbeitrag, wie Ungarns Regierung mit Medien umgeht. Jüngstes Beispiel ist der Sender Klubrádió.

"Die Zahl der von der Macht unabhängigen Redaktionen nimmt laufend ab, die (wenigen) noch existierenden versuchen gegen einen tagtäglich zunehmenden Gegenwind aufrecht zu bleiben." Das ist kein Zitat über oder von Oppositionsmedien eines autoritären Staates, mit diesem Eingangssatz wirbt die ungarische Wochenzeitschrift HVG derzeit um unterstützende Mitglieder für ihren Freundeskreis. Die Unabhängigkeit ungarischer Medien hängt inzwischen von derartigen zivilgesellschaftlichen Initiativen und Spenden ab, um eine Nischenexistenz weiterführen zu können.

Klubrádió ist bald nur noch im Internet zu hören.
Foto: AFP / Attila Kisbenedek
Ein Gericht hat eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Nationalen Ungarischen Medienbehörde abgelehnt. Es gibt keine Radiolizenz mehr.
Foto: AFP / Attila Kisbenedek

Zu einem solchen Nischendasein im Web wurde zuletzt auch der Radiosender Klubrádió verurteilt: verurteilt im engen Wortsinn von einem ordentlichen Gericht, das eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Nationalen Ungarischen Medienbehörde, die Lizenz des Senders und damit dessen Anspruch auf eine Radiofrequenz nicht zu verlängern, abgelehnt hat. Einer Vorlage beim Höchstgericht, die von den Betreibern vorbereitet wird, werden kaum Chancen eingeräumt.

Politischer Einfluss

Die Verdrängung von Klubrádió aus dem Äther in eine unsichere Netzexistenz ist das jüngste Beispiel einer langen Reihe von Einschränkungen, feindlichen Übernahmen und erzwungenen Schließungen unabhängiger Medien oder von deren Redaktionen. Im Fall von Klubrádió diente die zweimalige, verspätete Abgabe eines vorgeschriebenen Tätigkeitsberichts der Behörde als Vorwand, dem Sender aufgrund "wiederholter Rechtsbrüche" eine Verlängerung seiner auslaufenden Lizenz zu verweigern, und zugleich dem Gericht als Vorwand, die Klage dagegen aufgrund dieser "Rechtsbrüche" abzulehnen. Diese für einen Rechtsstaat im Rahmen einer Güterabwägung zwischen der Einhaltung amtlicher Abgabetermine und der Medienfreiheit nicht zu rechtfertigende Entscheidung ist zugleich charakteristisch für das politisch motivierte Vorgehen ungarischer Behörden und Gerichte gegenüber unabhängigen Medien.

Stück für Stück

Die Staatsmacht richtet sich dabei bevorzugt gegen reichweitenstarke Medien und hat diese seit der Regierungsübernahme durch Fidesz unter Ministerpräsident Viktor Orbán im Jahr 2010 Stück für Stück unter ihren Einfluss gebracht oder ausgeschaltet. Um die Tragweite dieser sukzessiven Eingliederung der ungarischen Massenmedien (bis hin zu Webseiten) nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, soll hier kurz an das Schicksal einiger Vorläufer von Klubrádió erinnert werden:

Die Tageszeitung Népszabadság, die sich in der Zeit nach dem politischen Systemwechsel 1990 vom Zentralorgan der Staatspartei zur wichtigsten und auflagenstärksten Qualitätszeitung des Landes entwickelt hatte, wurde im November 2016 eingestellt. Der Einstellung ging ein erzwungener Verkauf der Mehrheitsanteile durch den damaligen Schweizer Eigentümer (der Ringier-Gruppe) voraus, dem die Nationale Medienbehörde eine Reduktion ihrer Anteile am ungarischen Zeitungsmarkt vorgeschrieben hatte. Die mithilfe eines österreichischen Investors übernommenen Anteile wurden gleich an eine ungarische Gruppe im Einflussbereich des Orbán-Freundes und vom Bürgermeister von Orbáns Heimatgemeinde Felcsút im letzten Jahrzehnt zu einem der reichsten Ungarn aufgestiegenen, sogenannten Neuen Oligarchen weitergereicht: Geplant war wohl eine Weiterführung des prestigeträchtigen Titels mit den Inhalten der Regierungspartei, was aber am spektakulären Widerstand der Redaktion scheiterte.

"Königliche" Nachrichten

Im medialen Schatten dieser Übernahme ging auch die überwiegende Zahl der ungarischen Regionalzeitungen an dieselbe Eigentümergruppe, deren nationaler Politikteil seitdem einheitlich mit denselben Inhalten auftritt, die von der staatlichen Nachrichtenagentur MTI auch für die öffentlichen Medien "vorbereitet" werden: Im Ungarischen werden diese Nachrichten der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten umgangssprachlich oft mit dem Epitheton "királyi" charakterisiert, der "königlichen" Nachrichten, das zwar deren amtlichen Verkündungscharakter ausreichend wiedergibt, die damit verbundenen Inhalte aber nur erahnen lässt. So wurde, nachdem die Wahl Joe Bidens zum amtierenden US-Präsidenten nicht mehr zu verbergen war, diese von "Experten" – unter anderem des staatlich finanzierten Instituts des XXI. Jahrhunderts – in den gleichgeschalteten ungarischen Massenmedien als von George Soros und den Clintons finanzierte und organisierte "Machtübernahme" präsentiert.

Im Jahr 2017 folgte die feindliche Übernahme der Mehrheitsanteile von Index.hu, dem reichweitenstärksten ungarischen Nachrichtenportal, die zu einem ebenso spektakulären Austritt beinahe der gesamten Redaktion führte: Das Portal wird zwar bis heute mit Regierungsinhalten weitergeführt, hat dadurch aber seine Glaubwürdigkeit und seine führende Stellung eingebüßt.

Anfang und Ende

Diese Liste ließe sich bedauerlicherweise noch lange fortführen. Auch Klubrádió war bereits einmal von Abschaltung bedroht: Kurz nach dem Regierungsantritt von Fidesz 2010 begann diese eine Neuordnung der Vergabe von Rundfunklizenzen, die regionale Wettbewerbe um die Radiofrequenzen vorsieht. Als Klubrádió damals, in den Jahren 2011/12, aus einem nach dem anderen dieser Wettbewerbe ohne Frequenz ausgeschieden wurde, führten nationale und internationale Proteste zu einer erneuten Überprüfung der damals ebenfalls negativen ersten Gerichtsentscheide und einer Neuzulassung des Senders mit einer geänderten Frequenz.

Damals stand die Regierung Orbán allerdings am Beginn der von ihr angestrebten Kontrolle der ungarischen Medienlandschaft: Heute steht der Entzug dieser Frequenz von Klubrádió als Zeichen für das Ende dieser Entwicklung. (Andreas Pribersky, 12.2.2021)