Bemühen sich umsonst: Owen Wilson und Salma Hayek scheitern in "Bliss" von Mike Cahill an der fehlender Glaubwürdigkeit ihrer Figuren.
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Wenn jemand die Wahl zwischen einem Leben als Obdachloser im Schatten einer Stadtautobahn und einem Leben auf einer tropischen Halbinsel mit ständigem Nachschub an Schaumgetränken hätte, die Entscheidung fiele vermutlich ohne langes Nachdenken. Nun aber der Haken: Das eine Leben ist real, das andere ist eine Simulation. Da kämen die meisten Menschen wohl schon ins Nachdenken. Nun noch ein Problem: Es ist unklar, ob das Obdachlosenquartier oder die Strandvilla die Simulation ist. Das brächte wahrscheinlich viele Befragte dazu, sich der Entscheidung ganz zu entschlagen.

In dem Film Bliss von Mike Cahill widerfährt es einem grauen Angestellten namens Greg Wittle, dass ihm eine schillernde Frau namens Isabel die vorgebliche Wirklichkeit fragwürdig macht. Sie belegt alles mit dem schillernden Wort "Fake" und nimmt nur Greg davon aus. Ausgerechnet er, ein latent depressiver Mann, ein gescheiterter Familienvater, ist "real". Sein Vorgesetzter hingegen, der Greg gerade in sein Büro gerufen hatte, muss nicht weiter ernst genommen werden. Er ist nur eine Vorgaukelung.

Bliss ist ein Zustand

Die ersten zehn Minuten dieser Produktion für das Amazon-Heimkino sind die besten: Man sieht Owen Wilson dabei zu, wie er Greg Wittle sehenden Auges in den Untergang seiner aktuellen beruflichen Existenz gehen lässt, erlebt dann aber zwei starke Überraschungen. Sieht nach einem spannenden Film voller unerwarteter Wendungen aus. Es zeigt sich dann aber bald, dass der alte Verdacht gegen den Alltag, den gerade das Kino immer wieder nährt, nicht jedes Mal zu bedeutenden Fantasien führt. Die Matrix-Mythologie ist für viele Fans vermutlich bis heute unerreicht mit ihrer Suche nach einem unverrückbaren Ausgangspunkt inmitten von Ausfaltungen der Realität, denen nicht zu trauen ist.

Mike Cahill schließt an diese Konstellationen, denen sich vor einer Weile auch die Netflix-Serie Maniac widmete, mit dem Begriff an, den er als Namen für den Film gewählt hat: Bliss ist kein Gefühl, sondern ein Zustand. Mit Musil könnte man aushelfen: ein anderer Zustand. Bliss ist eine Verzückung, die sich einstellt, wenn alles passt, ein quasi religiöses Gefühl, das einen Fragen nach Illusion und Realität vergessen lässt.

Welten zeichnen

Es stellt sich aber auch bei Greg Wittle heraus, dass zuerst einmal die Probleme in einer Wirklichkeit zu lösen sind, bevor man sich guten Gewissens in eine andere vertschüssen wollte. In der Regel sind es Bezugspersonen, bei denen man sich besonders schwertut, sie für Fälschungen zu halten. So hat Greg eine Tochter, die gerade ihr Studium abschließt. Sie macht sich Sorgen um den Vater, einen Träumer, der am Schreibtisch keine Akten wälzt, sondern Welten zeichnet, die ihn dann als Versuchung einholen.

Die Versucherin Isabel wird von Salma Hayek gespielt, eine Herausforderung, an der sie nur scheitern kann: Denn selten hat man eine unplausiblere Figur gesehen als diese Mischung aus Entrepreneurin, Femme fatale und Zauberfee. Owen Wilson, der außerhalb des Wes-Anderson-Universums meistens leider nur als guter Depp besetzt wird, lässt sich tapfer auf die Herausforderung ein, mit großen Augen in dem Paradies herumzutappen, das Isabel ihm eröffnet.

Pep-Talk von Slavoj Žižek?

Es trägt vage Züge einer Tech-Fantasie und bietet schließlich einen Höhepunkt, der allen Grund zum Argwohn gibt: Ausgerechnet Slavoj Žižek gibt in Bliss einen Pep-Talk über den Unterschied zwischen Himmel und Hölle. Was das mit dem Unterschied zwischen Fake und real zu tun hat, wird nicht klar, passt aber zur Konfusion von Bliss. Wenn das das Kino sein soll, mit dem die Amazon Studios in die Zukunft gehen wollen, dann wird die Fangemeinde des alten Höhlengleichnisses von Platon wohl stark wachsen: Selbst flackernde Schatten sind überzeugender als Bliss. (Bert Rebhandl, 12.2.2021)