Novomatic-Chef Harald Neumann wollte über Gernot Blümel (rechts) zu einem Termin bei Sebastian Kurz (links) gelangen.

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Eine Hausdurchsuchung bei einem amtierenden Finanzminister: So etwas gab es in der Zweiten Republik noch nie. Am Donnerstag war es aber so weit: Nach einer Einvernahme bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wurde Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) von Ermittlern in seine Wohnung im dritten Bezirk begleitet. Er selbst sprach von einer "freiwilligen Nachschau", die WKStA von einer "Hausdurchsuchung".

Damit wird Blümel von einer dreieinhalb Jahre zurückliegenden Episode eingeholt, die ihm nun den Verdacht der Bestechung einbringt. Wieder einmal geht es um den Glücksspielkonzern Novomatic und dessen Interventionen in der heimischen Politik. Deshalb gab es am Donnerstag auch bei dem niederösterreichischen Unternehmen eine Stunden dauernde Hausdurchsuchung.

Vereinfacht gesagt, denkt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, dass Blümel im Jahr 2017 als Kontaktperson zwischen dem damaligen Novomatic-Chef Harald Neumann und Sebastian Kurz (ÖVP) gedient habe. Letzterer war damals Außenminister; die Novomatic soll sich von ihm Hilfe bei einem Rechtsstreit in Italien erwartet haben.

"Bräuchte Termin bei Kurz"

So interpretieren die Ermittler zumindest eine Whatsapp-Nachricht, die Neumann am 10. Juli 2017 an Blümel, damals nicht amtsführender Stadtrat in Wien, abgesetzt hat: "Guten Morgen, hätte eine Bitte: bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz (erstens wegen Spende und zweitens bezüglich eines Problemes (sic), das wir in Italien haben!" Drei Stunden später wandte sich Blümel an Thomas Schmid, damals Kabinettschef und Generalsekretär im Finanzministerium. Er bat ihn, Neumann zurückzurufen: "Tu es für mich", schrieb Blümel mit einem Küsschen-Emoji.

In diesen drei Stunden soll Blümel laut Ermittlern "Sebastian Kurz über das Angebot informiert" und mit ihm angeblich "das weitere Vorgehen akkordiert" haben. Hinweise, dass Kurz als Außenminister Novomatic geholfen hat, sehen Ermittler bisher nicht. Schmid und Neumann standen unabhängig davon schon länger in Kontakt. So fragte Neumann bei Schmid, ob Finanzminister Hansjörg Schelling Kontakt zum italienischen Finanzministerium habe – Schmid bejahte.

Später diskutierten Schmid und Neumann, wie das Ministerium den Glücksspielkonzern unterstützen könnte – wobei die Ermittler nicht glauben, dass Schmid über das "Spendenangebot" der Novomatic Bescheid wusste. Deren "Probleme in Italien" waren einerseits regulatorische Schwierigkeiten, andererseits ein Verfahren rund um Steuernachzahlungen in Millionenhöhe. "Bei 40 Mio. Steuernachzahlung würde ich mich auch anscheißen :-)", kommentierte Schmid dies in einer Nachricht an Blümel.

Vorwürfe zurückgewiesen

Die WKStA denkt nun, dass Neumann im Auftrag der Novomatic eine Spende an die ÖVP mit der Lösung der Probleme in Italien verbinden wollte. Deshalb verdächtigt sie Blümel und Neumann der Bestechung. Beide bestreiten die Vorwürfe vehement. "Eine etwaige Spende wurde von meinem Mandanten – insbesondere in Zusammenhang mit einer allfälligen Thematik mit Italien – zu keiner Zeit versprochen, angeboten oder auch nur in Aussicht gestellt", sagt Neumanns Anwalt Norbert Wess.

Blümel geht davon aus, dass sich die Vorwürfe "in wenigen Worten aufklären lassen". Die Novomatic bestreitet, je an politische Parteien gespendet zu haben: "Selbstverständlich kooperieren wir mit den Behörden, damit es rasch zu einer Aufklärung dieser unrichtigen Vorwürfe kommt." Das wiederholte Blümel am Abend in einem Pressestatement: Es sei nie zu Spenden gekommen, er werde Rücktrittsforderungen "sicher nicht nachkommen". Fragen, ob es Spenden an ÖVP-nahe Vereine oder karitative Organisationen gegeben habe, beantwortete er nicht: Es gebe einiges zu tun, sagte er und beendete das Pressegespräch. Die Opposition hatte zuvor einhellig den Rücktritt Blümels verlangt; die Grünen dessen vollständige Kooperation mit den Ermittlern. FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer verlangte den Rücktritt der gesamten Bundesregierung.

"Projekt Ballhausplatz"

Die Ermittler stellen die Kommunikation zwischen Blümel und Neumann in ihrer Durchsuchungsanordnung in einen Zusammenhang mit der damaligen Neuaufstellung der ÖVP. Der damalige Außenminister Sebastian Kurz hatte die Partei im Mai 2017 übernommen, die Machtübernahme war zuvor von seinem Umfeld geplant worden. Dazu existieren Dokumente, die unter dem Namen "Operation Ballhausplatz" bekannt sind.

Laut der Ermittlungsanordnung kam es "im Zuge des Projekts ÖVP neu" im Frühjahr 2017 zu einem Treffen zwischen Kurz, Novomatic-Chef Neumann und Bernhard K., dem damaligen Konzernsprecher. K. schrieb daraufhin in Chats an Neumann, dass Kurz die "Finanzierung der Bundespartei" offenbar "vergessen" habe, dort sei es "ziemlich trist". Zwei Wochen später soll sich Neumann dann intern dafür eingesetzt haben, dass offene Parteispenden zulässig seien. Im Juli 2017 kommunizierten K. und Neumann erneut.

Novomatic hatte "etwas Besseres vor"

Da schrieb K., dass der ÖVP-Spender Stefan Pierer die Summe aller Kleinspenden an die Partei "verdoppeln" wolle. "Wir haben noch etwas Besseres vor :))", antwortete Neumann und fragte, ob K. schon von einem anderen Novomatic-Manager darüber informiert worden sei. Worauf K. bejahte und zudem meinte, "FP hat mich angerufen, Tschank ist alter Freund von mir, bin da voll eingebunden, habe gerade die Briefe an die Parteien entworfen (...)". All diese Chats sind in der Anordnung zur Hausdurchsuchung erwähnt. Markus Tschank ist jener frühere FPÖ-Nationalratsabgeordnete, der u. a. Obmann des Vereins Institut für Sicherheitspolitik (ISP) ist, das auf Basis eines Kooperationsvertrags von der Novomatic gesponsert wurde.

Laut Anordnung der WKStA müsse nun durch Ermittlungen geklärt werden, "ob es zu einer finanziellen Zuwendung aus der Sphäre der Novomatic in die Sphäre des Sebastian Kurz und/oder der ÖVP kam".

Wobei die Korruptionsstaatsanwälte auch festhalten, dass "derzeit nicht festgestellt werden kann, ob Sebastian Kurz das Angebot angenommen hat". Es gebe derzeit keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass er auf Grund des Angebots in seiner Funktion als Außenminister Handlungen setzte.

ORF

Krakow für Korruptionsrechtsreform

Der frühere Oberstaatsanwalt Georg Krakow, nun bei Transparency International Austria, hat indes in der "ZiB2" Donnerstagabend als Lehre der letzten Jahre eine Korruptionsrechtsreform gefordert. Laut ihm müsste man das Parteiengesetz ändern, um eine effektive Kontrolle der Parteifinanzen durch den Rechnungshof zu ermöglichen. Und das Korruptionsstrafrecht sollte durch Strafbarkeit auch für Kandidaten, die sich erst für Ämter bewerben, ergänzt werden. Das sei eine der Lehren des Ibiza-Videos gewesen, aber bis heute nicht umgesetzt worden. (Renate Graber, Fabian Schmid, Jan Marchart, Sebastian Fellner, 11.2.2021)

Der Artikel wurde um 22.20 Uhr ergänzt.