Die Indentitätsfeststellung und Registrierung ausländischer Bauarbeiter gehört zu den schwierigsten Aufgaben im Kampf gegen Schwarzarbeit.

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Wien – Das "Kaufhaus Österreich" scheint nicht das einzige fragwürdige Digitalisierungsprojekt der öffentlichen Hand zu sein. Diesmal geht es allerdings um ein deutlich größeres Ding, nämlich um die Schaffung einer "Bauarbeiter-Card" nach Vorbild der E-Card, mit der Lohn- und Sozialdumping in der Baubranche bekämpft werden soll.

Dieses von IT- und Rechtsexperten als umfangreich und aufwendig beschriebene Unterfangen sei gehörig außer Tritt geraten, sowohl was den Fahrplan als auch die Konzeption betrifft. Das berichten mit der Materie vertraute Personen dem STANDARD. Die im Vorjahr in mehreren Teilausschreibungen initiierte öffentliche Vergabe musste zurückgezogen und neu aufgesetzt werden. Offenbar mit überschaubarem Erfolg, wie Teilnehmer berichten.

Ausschreibung wiederholt

Tatsächlich lief das Projekt holprig an. Laut dem Vergabeportal OffeneVergaben.at wurden die Teilprojekte Software, Identitätsprüfung, Payment Services im Frühjahr 2020 ausgeschrieben, im Herbst fand dann erneut eine Markterkundung statt. Einzig nach einem Chipkartenlieferanten wird kein zweites Mal gesucht.

In der ersten Runde waren nicht ausreichend Bewerber übrig geblieben, räumt der Geschäftsführer des für das Projekt maßgeblichen Fachverbands Bauindustrie in der Wirtschaftskammer, Michael Steibl ein. Man habe sich nicht einem Anbieter ausliefern wollen und deshalb eine Wiederholung gemacht. Von einem Flop könne keine Rede sein.

Zu wenige Bewerber

Übrig geblieben waren in der ersten Runde nicht ausreichend Bewerber, räumt der Geschäftsführer des Fachverbands Bauindustrie in der Wirtschaftskammer, Michael Steibl auf STANDARD-Anfrage ein. Man habe sich nicht einem Anbieter ausliefern wollen und deshalb zur Wiederholung entschieden. Von einem Flop könne keine Rede sein, der Vergabeprozess sei im Laufen, Bewerber bekommen erst in der zweiten Runde ein Pflichtenheft vorgelegt. Es bleibt also spannend, wer übrig bleibt.

Das auf Digitalisierungsprojekte spezialisierte Beratungsunternehmen Accenture, dem auffällige Nähe zur schwarzen Reichshälfte der Regierung nachgesagt wird, ist diesfalls übrigens nicht mehr an Bord. Man habe kein Angebot mehr gelegt, bestätigt Accenture-Geschäftsführer Klaus Hermetschläger. "Wir sind raus." Über die Gründe schweigt er sich aus.

Komplex, aber in Teilen

Das Volumen der drei Teilausschreibungen für Software-, Bezahl- und Identifizierungssystem wird in der Branche auf 2,9 bis 3,3 Millionen Euro geschätzt – genau in dieser Kleinteiligkeit orten mit komplexen Projekten – es müssen pro Jahr hunderttausende Bauarbeiter auf österreichischen Baustellen registriert werden – vertraute IT-Experten ein großes Risiko.

Als Auftraggeber des unter Schwarz-Blau angestoßenen Projekts fungiert die 2020 eigens zu diesem Zweck ins Leben gerufene Bau-ID GmbH, eine Tochter der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK), die als Körperschaft öffentlichen Rechts dem Arbeitsministerium untersteht, aber sozialpartnerschaftlich organisiert ist. Im BUAK-Vorstand finden sich entsprechend Schwergewichte wie Bau-Holz-Gewerkschaftschef Josef Muchitsch und für die Bundesinnung Bau in der Wirtschaftskammer Bauunternehmer Hans-Werner Frömmel.

Sozialversicherung und Finanzpolizei

Die Sozialpartner verständigten sich damals darauf, eine Branchenlösung zu entwickeln, die als Plattform und Schnittstelle zu den Sozialversicherungsträgern ebenso fungiert wie zur Finanzpolizei, die der Schwarzarbeit am Bau den Kampf angesagt hat. An Bord sind deshalb auch das Arbeitsministerium als Aufsichtsbehörde über die BUAK und das Finanzministerium (für die Finanzpolizei).

Der Aufwand sollte lohnen: Laut IHS-Studie entgehen Fiskus und Sozialversicherung pro Jahr zwischen 200 und 510 Millionen Euro durch Schwarzarbeit – meist durch ausländische Beschäftigte.

Mit Argusaugen

Aber wie so oft heißt Mitbestimmen nicht Mitzahlen. Denn zahlen sollen das Vehikel die Arbeitgeber – von den Großen der Bauindustrie bis zu Baugewerbe und Baunebengewerbe. Entsprechend groß ist das Misstrauen gegenüber dem Gemeinschaftsprodukt – vor allem innerhalb der Branche. Zudem achteten Sozialversicherung und Finanzpolizei mit Argusaugen darauf, ob die Schnittstellen für Steuern und Abgaben auch sauber genug sein würden.

Andernfalls wäre eine Übertragung von Sozialversicherungsdaten der BUAK zu ihrer Tochter Bau-ID nicht möglich, führt der mit dem Aufbau des Systems betraute Bau-ID-Geschäftsführer Martin Puaschitz aus. Er ist nebenberuflich IT-Unternehmer und Obmann der Sparte Unternehmensberatung/IT in der Wirtschaftskammer Wien, aus.

Genaue Prüfung

Die neue Karte sei keine Kopie der bewährten Bau-Card des Porr-Konzerns, versicherte er im Gespräch mit dem STANDARD. Die Funktionalität der Bau-ID-Card gehe weit darüber hinaus – etwa bei der von ÖGB und Finanz geforderten zentralen Identitätsprüfung jedes einzelnen Bauarbeiters.

Puaschitz taxiert die Gesamterstellungskosten auf "weit unter zehn Millionen Euro". Bis dato habe das Projekt "weniger gekostet als das Kaufhaus Österreich". (Luise Ungerboeck, 12.2.2021)