Nur wenige Konflikte in der Geschichte der Menschheit dauerten länger: Dennoch ist der 335-jährige Krieg kaum jemandem ein Begriff. Trotz seiner Dauer kam dabei kein Mensch zu Schaden, ja nicht einmal ein einziger Schuss wurde abgefeuert. Dabei ist aus völkerrechtlicher Sicht nicht einmal gesichert, ob es den Krieg als solchen überhaupt gegeben hat, und über die Jahrhunderte geriet er in Vergessenheit, bis er in den Archiven wieder auftauchte.

Hätten sich die Konfliktparteien – die Niederlande auf der einen Seite, die Scilly-Inseln auf der anderen – im Jahr 1986 nicht auf einen Friedensschluss geeinigt, hätte der Krieg wohl noch viele Jahrhunderte ohne Blutvergießen weitergeführt werden können.

Boote im Hafen von St. Mary's, der größten Insel des Archipels.
Foto: imago images/Westend61

Roundheads gegen Royalisten

Der Langzeitkonflikt hatte seine Wurzeln im englischen Bürgerkrieg von 1642 bis 1649. In dem Machtkampf zwischen King Charles I und den sogenannten Roundheads des Parlaments unter der Führung von Oliver Cromwell, dem späteren Lordprotektor, zog der absolutistisch orientierte König den Kürzeren. Die Royalisten wurden schrittweise aus England zurückgedrängt. Cromwell ließ das Parlament von königtreuen Abgeordneten säubern. Dem König, der 1647 von den Schotten ausgeliefert wurde, ließ er vom Rumpfparlament den Prozess machen und ihn Anfang 1649 hinrichten. In ihrem Lied "Oliver Cromwell" kommentierte die britische Komikergruppe Monty Python den Vorgang so: "Das Interessanteste an King Charles I ist, dass er am Anfang seiner Regierungszeit fünf Fuß und sechs Zoll groß war, am Ende aber nur vier Fuß und acht Zoll." Der von Cromwell in der Folge errichteten Republik blieb jedoch keine lange Dauer beschieden.

Letzte Hochburg Cornwall

Im Westen Englands befand sich in Cornwall bis zuletzt die letzte Hochburg der Royalisten. 1648 wurden die Königstreuen jedoch auch hier vertrieben. Die königliche Marine zog sich auf der Flucht vor den heranrückenden Truppen der Roundheads zu den Scilly-Inseln zurück. Die Inselgruppe mit mehr als 140 großteils unbewohnten Inseln und zahlreichen weiteren Felseninselchen liegt im Atlantik vor Land's End, der Südwestspitze Cornwalls. Hier hatte der Royalist John Grenville die Hoheit.

Verbündete Niederländer

Die Roundheads waren mit der niederländischen Republik der Sieben Vereinigten Provinzen verbündet. Die Niederländer konnten sich ihrerseits während des bis 1648 dauernden Achtzigjährigen Krieges ihre Unabhängigkeit von Spanien nicht zuletzt mit Unterstützung der Engländer erkämpfen – beginnend bei Queen Elizabeth I.

Im englischen Bürgerkrieg positionierten sich die Niederländer auf der Seite der Parlamentarier, nicht zuletzt, weil sie diesen die besseren Chancen in dem Konflikt zurechneten. Durch die Flotte der Royalisten erlitten aber die niederländischen Handelsschiffe große Verluste: Regelmäßig wurden die Schiffe von den royalistischen Freibeutern geplündert.

Kriegserklärung des Admirals

Aus diesem Grund tauchte am 30. März 1651 der niederländische Admiral Maarten Harpertszoon Tromp mit einer Flotte von etwa einem Dutzend Kriegsschiffen vor den Scilly-Inseln auf. Er forderte Reparationszahlungen für verlorene Schiffe und Fracht. Dies wurde verweigert, woraufhin Tromp den Scilloniern den Krieg erklärte.

Diese Kriegserklärung ist durch die Memoiren des Bewahrers des Großsiegels von England, Bulstrode Whitelocke, überliefert. Whitelocke berichtete in seinen 1682 veröffentlichten "Memorials of the English Affairs from the Beginning of the Reign of Charles I" von einem Brief vom 17. April 1651, dern er wie folgt zitiert: ""Tromp kam nach Pendennis (einer Festung an der Küste Cornwalls, Anm.) und erklärte, dass er in Scilly war, um Wiedergutmachung für die niederländischen Schiffe und die geraubten Waren zu verlangen. Da er keine zufriedenstellende Antwort erhielt, erklärte er ihnen den Krieg". Da England praktisch komplett in der Hand der Roundheads war, richtete sich die Kriegserklärung explizit an die Scilly-Inseln.

Bald darauf erschien jedoch die britische Flotte unter Admiral Robert Blake. Dieser versprach Tromp, sich um das Freibeuterproblem zu kümmern. Tromp zog daraufhin seine Flotte ab, ohne einen Schuss abgegeben zu haben – ohne jedoch die Kriegserklärung zurückzunehmen. Blake zwang die Royalisten im Juni, sich zu ergeben.

Friedensverhandlungen

Hier könnte die Geschichte enden, hätten sich auf Scilly nicht hartnäckig die Legende vom fortwährenden Kriegszustand gehalten. 1985 entschloss sich Ray Duncan, der Ratsvorsitzende der Scilly-Inseln, der Sache auf den Grund zu gehen. Duncan – ein Historiker – schrieb einen Brief an die niederländische Botschaft in London und ersuchte um einen Friedensschluss der Niederlande mit der Inselgruppe mit ihren knapp über 2.000 Einwohnern. Die Botschaft stellte in der Folge fest, dass tatsächlich niemals ein Friedensvertrag unterzeichnet wurde.

Endlich ruhig schlafen

Der Botschafter der Niederlande, Rein Huydecoper, besuchte daraufhin auf Duncans Einladung die Scilly-Hauptinsel St. Mary's, um Friedensverhandlungen aufzunehmen. Am 17. April 1986 schlossen die Scillies und die Niederlande offiziell Frieden – genau 335 Jahre nach der Kriegserklärung Admiral Tromps. Huydecoper erklärte, nun könnten sowohl die Niederländer als auch die Einwohner der Scillies wieder ruhig schlafen. "Das Bewusstsein, dass wir jederzeit angreifen könnten, muss schrecklich für die Scillonier gewesen sein", sagte der Botschafter.

PR-Frieden

Hat nun der Krieg tatsächlich stattgefunden? Historiker bezweifeln dies: Tromp als Flottenchef hätte nicht die Vollmacht besessen, den Krieg zu erklären. Im folgenden Jahr begann außerdem der erste englisch-niederländische Krieg, der 1654, zwei Jahre später, beendet wurde. Mit diesem Friedensschluss wäre also auch der Kriegszustand mit den Scilly-Inseln beendet gewesen. Der Autor Graeme Donald schreibt in seinem Buch "Loose Cannons", der Friedensschluss sei ein großer Werbecoup für den Tourismus der Scillies gewesen, eine echte Kriegserklärung habe es aber nie gegeben. Schließlich waren die Scillies immer Teil Englands. Donald vergleicht Tromps Vorgehen mit einer Kriegserklärung an Rhode Island, bei der damit schließlich auch gleichzeitig der Rest der USA mitbetroffen wäre.

Wohl aus diesen Gründen wurden Duncan und Huydecoper bei der Vergabe des Friedensnobelpreises konsequent übergangen. (Michael Vosatka, 18.4.2021)