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"Ich habe getan, worum er gebeten hat", "Unser Präsident hat uns eingeladen!", "Weiß Biden denn nicht, dass wir im Auftrag des Präsidenten hier sind?": Es sind direkte Zitate aus dem Mob vom 6. Jänner, mit dem die Anklage am dritten Verfahrenstag gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ihre Ausführungen beendet hat. Ziel der demokratischen Abgeordneten war es dabei, noch einmal zu belegen, was sie schon tags zuvor zu zeigen versucht hatten: dass der damalige US-Präsident direkt zu den Taten vom 6. Jänner aufgerufen hatte. Und, so die Botschaft: dass er es wieder tun könnte.

Das Anklageteam beschuldigte Trump auch, er habe seine Unterstützer schon in der Vergangenheit zu Gewalt ermuntert. An diesem Freitag sind nun Trumps Verteidiger an der Reihe, ihre Argumente vorzutragen. Die Demokraten werfen ihm "Anstiftung zum Aufruhr" vor und haben im Repräsentantenhaus ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Geführt und entschieden wird dieses Verfahren im Senat. Die Kongresskammer nimmt dabei die Rolle eines Gerichts ein.

Am 6. Jänner hatten Anhänger des abgewählten Präsidenten gewaltsam das Kapitol gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Wahlsieg von Trumps Nachfolger Joe Biden offiziell zu bestätigen. Bei den Krawallen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. Trump hatte seine Anhänger kurz zuvor bei einer Kundgebung damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei.

"Getan, worum er gebeten hat"

Die Ankläger hatten am Mittwoch damit begonnen, ihre Vorwürfe gegen Trump darzulegen, und dazu auch dramatische Videoaufnahmen und eine minutiöse Nacherzählung des Angriffs auf das Kapitol genutzt. Sie beschuldigen Trump, mit seinen Wahlbetrugsbehauptungen über Monate hinweg den Boden für den Angriff bereitet und den Gewaltausbruch schließlich gezielt angezettelt und orchestriert zu haben.

Am Donnerstag folgten die Aussagen von Beteiligten. Eine Trump-Anhängerin sagte in einem Video etwa: "Ich habe getan, worum er gebeten hat." Die Anklagevertreterin Diana DeGette sagte, Trumps Verteidiger behaupteten, die Randalierer hätten aus eigenen Stücken gehandelt. Das sei aber nicht der Fall. "Sie haben gesagt, sie seien gekommen, weil der Präsident sie dazu angewiesen habe." Auch der leitende Anklagevertreter, Jamie Raskin, betonte: "Sie taten das, was er ihnen aufgetragen hat."

Die Anklagevertreter zeichneten mit Tweets und Videobotschaften Trumps auch nach, wie der Präsident damals auf die Attacke reagierte – wie er seine Anhänger an jenem Tag lobte und nur halbherzig zum Rückzug aufforderte, wie er Wahlbetrugsbehauptungen erneuerte und die Eskalation rechtfertigte. Erst am Tag danach, angesichts von wachsendem Druck, hatte er die Gewalt verurteilt. Entschuldigt habe er sich nie, seine Äußerungen bei der Kundgebung vom 6. Jänner bezeichnete er später als "vollkommen angemessen".

"Angst, dass er es nochmals versucht"

Vor allem aber lautete die Botschaft: Wer nun gegen eine Verurteilung Trumps stimme, der erlasse nicht nur die Strafe für schon Geschehenes. Denn die Bedrohung durch fanatische Trump-Unterstützer bestehe weiter. Trump habe seine Anhänger schon in der Vergangenheit zu Gewalt ermuntert, er werde es wohl wieder tun. Er habe keine Angst davor, dass Trump in vier Jahren wieder die Präsidentschaft gewinnen könnte, sagte der demokratische Abgeordnete Ted Lieu. "Ich habe Angst, dass er es noch einmal versucht und wieder verliert – denn dann kann er genau das noch einmal machen".

Gezeigt wurden Videomitschnitte früherer Äußerungen von Trump, in denen dieser zum Beispiel bei einem Wahlkampfauftritt zu Gewalt gegen Störer aufrief und versprach, er werde die Anwaltskosten übernehmen, falls jemand deshalb Schwierigkeiten bekomme. Der Anklagevertreter Joe Neguse sagte, die Beweise seien klar. Trump habe seine Anhänger zum Aufruhr angestiftet und müsse verurteilt und für künftige Ämter gesperrt werden. "Wenn wir das unbeantwortet lassen, wer kann dann sagen, dass es nicht wieder passiert?"

Nach den Anklägern sind am Freitag Trumps Verteidiger an der Reihe, ihre Argumente zu präsentieren. Sie weisen die Vorwürfe zurück und halten das Verfahren gegen den Ex-Präsidenten für verfassungswidrig. Zudem wollen sie argumentieren, Trump habe bei der Kundgebung nur sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen. Neguse tat das ab und betonte, Trump sei "nicht einfach irgendein Typ" gewesen, der bei einer Kundgebung seine Meinung gesagt habe. "Er war der Präsident der Vereinigten Staaten." Außerdem will die Verteidigung Videos von Demokraten zeigen, die – in anderem Kontext – ebenfalls Anhänger "zum Kämpfen" aufgefordert hätten.

Trumps Anwälte wollen laut mehreren Medienberichten nur einen Tag für ihre Präsentation in Anspruch nehmen – und auch hier wohl nur vier von acht Stunden. Damit könnte Freitagabend auch noch die vierstündige Befragung der Anklage und der Verteidigungsteams durch den Senat absolviert werden.

Es wird erwartet, dass das Verfahren bereits am Wochenende oder aber zu Beginn der kommenden Woche enden dürfte. Zuletzt war immer öfter von einer Abstimmung schon am Samstag die Rede. Gerechnet wird mit einem klaren Freispruch für Trump. Viele republikanische Senatoren halten weiter an ihren Bedenken fest, der Prozess entspreche nicht der Verfassung, weil Trump ja nicht mehr im Amt sei – eine Ansicht, der die meisten Juristen widersprechen und gegen die der Senat selbst erst am Mittwoch mit 56 zu 44 Stimmen votiert hatte. Ob die Demokraten dann ein zusätzliches Votum versuchen, um Trump auch ohne Verurteilung das passive Wahlrecht zu entziehen, ist offen. Ein solcher Versuch wäre rechtlich aber schwierig. (Reuters, mesc, 12.2.2021)