Mehr Platz zum Kommunizieren und Kollaborieren: So wird das Büro der Zukunft ausschauen.

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Mittwochvormittag, lange nach dem Ende der Corona-Pandemie. Plexiglaswände, Masken und Fiebermessen beim Eingang gehören der Vergangenheit an. Wir schütteln einander wieder die Hände und umarmen uns. Und wir gehen auch wieder ins Büro. Zumindest wenn das notwendig ist. Nach zwei Tagen Arbeiten von zu Hause aus stehen bei mir heute Meetings und Gespräche an. Die Büro-App kennt meinen Terminkalender besser als ich – und weist mir den passenden Schreibtisch zu.

Nicht nur das: Die App weiß sogar, woran ich arbeite und zu welchen Themen ich recherchieren möchte – und kennt jene Kolleginnen und Kollegen, die an ähnlichen Themen arbeiten. Ich nehme neben meinen Kollegen und Kolleginnen aus der Immobilienredaktion Platz und klappe meinen Laptop auf. Guten Morgen!

Für die meisten klingt dieser Büroalltag in Zeiten von Corona mit Homeoffice und Abstandhalten utopisch. Aber die Corona-Krise dürfte dem Umbruch des Arbeitsalltags einen riesigen Schub gegeben haben. Von der "New World of Work" mit ihren flexiblen Arbeitsformen wurde viele Jahre hauptsächlich geredet. Dann kam Corona und der Rückzug vieler ins Homeoffice. "Was vorher utopisch war, ist jetzt plötzlich sehr real geworden", sagt Sabine Zinke vom Beratungsunternehmen M.O.O.CON.

Neue Freiheiten

Seit bald einem Jahr ist klar, dass Arbeit auch erledigt wird, wenn einen der Vorgesetzte nicht permanent im Blick hat. Auch wenn das Homeoffice für viele nicht funktioniert hat, weil sie zu Hause Kinder haben oder ihnen daheim die Decke auf den Kopf fällt: Manche haben dadurch eine neue Freiheit kennengelernt. Wer will, kann in der Mittagspause laufen gehen, Yoga oder ein Nickerchen machen.

Klar wurde aber auch: Nur Homeoffice, das schlägt sich auf Dauer aufs Gemüt. Die Zukunft des Arbeitens dürfte daher in einer Hybridform aus Anwesenheit im Büro und arbeiten daheim bestehen. Der Büroexperte Andreas Gnesda vom Beratungsunternehmen teamgnesda geht davon aus, dass viele sich nach der Pandemie zwei bis drei Tage Homeoffice wünschen werden, um daheim konzentriert arbeiten zu können.

Ins Büro wird man dann nicht mehr gehen, um sich alleine am Schreibtisch abzurackern, sondern um mit anderen kreativ zu sein, Ideen zu wälzen und ins Gespräch zu kommen. "Die Menschen haben erkannt, wie wichtig es ist, mit anderen Menschen in Kontakt zu stehen", sagt Gnesda. Wenn sich das hybride Arbeiten durchsetzt, bedeutet das auch, dass weniger Menschen gleichzeitig im Büro sein werden. Daher werden die Anwesenden mehr Platz haben.

Bei meinem ersten Termin handelt es sich um ein Brainstorming in einem der Meetingräume, die entstanden sind, nachdem die Anzahl der nicht mehr genutzten Schreibtische reduziert worden war. Stattdessen wurde mehr Platz für Kommunikation und Kooperation geschaffen. In dem Raum, in dem wir uns jetzt treffen, steht die Kreativität im Mittelpunkt: Hier dürfen sogar Wände und Fußboden mit guten – und auch weniger guten – Ideen bekritzelt werden.

Danach steht die erste hybride Konferenz des Tages in einem anderen, eigens aufgerüsteten Raum auf dem Plan. Einige Kolleginnen und Kollegen wählen sich von zu Hause ein. Sie werden auf großen Bildschirmen angezeigt – fast so, als säßen sie tatsächlich im Raum. Wenn jemand der im Raum körperlich Anwesenden das Wort ergreift, zoomt eine Kamera auf sein Gesicht. So wissen auch die, die zu Hause sitzen, wer gerade spricht.

Diese hybriden Konferenzen werden nicht nur die Architektur unserer Meetingräume verändern. Sie verlangen auch eine neue Kompetenz in der Gesprächsführung: "Wenn die, die daheim sitzen, das Gefühl haben, sie sind nur ein Anhängsel, wird sich das schnell wieder aufhören", sagt Sabine Zinke.

Gute Technik

Die Kolleginnen und Kollegen zu Hause müssten aktiv eingebunden und angesprochen werden. Entscheidend ist auch die Technik: "Man braucht gute Mikros, Kameras und Screens", betont Zinke. Wenn das nicht funktioniert, würden die Menschen früher oder später wieder ins Büro kommen – wo es dann unter Umständen eng wird, wenn das Unternehmen auf hybrides Arbeiten umgesattelt hat.

Die Meetings sind gut gelaufen. Ich bin wieder zurück an meinem Schreibtisch. Irgendwann am Nachmittag schickt mir unsere Büro-App eine Nachricht. Ich sitze schon viel zu lange am selben Platz, meint sie, und sollte doch mal eine Runde gehen. Mit meiner Kollegin zum Beispiel, bei der ebenfalls demnächst eine Bewegungspause ansteht. Ob wir an der aktuellen Stiegenlauf-Challenge teilnehmen wollen, bei der man sich mit den Kolleginnen und Kollegen messen kann? Bitte kein Wettbewerb heute, beschließen wir – und gehen altmodisch auf einen gänzlich analogen Kaffee. Den Schreibtisch räume ich jetzt ab, ich brauche ihn heute nicht mehr. Wo ich morgen arbeite, weiß ich noch nicht.

Dass es keine fixen Schreibtische mehr geben wird, ist laut Büro-Expertin Zinke eine der ganz großen Veränderungen durch Corona. Das war vor der Pandemie schon ein Thema für einige Unternehmen, aber kein größeres Phänomen. "Das Büro wird jetzt zu einer Fläche, die uns allen gehört", sagt Zinke. Das bedeutet auch, dass es künftig keine Urlaubsfotos und Topfpflanzen auf den Schreibtischen mehr gibt. "Die Fotos wandern aufs Handy oder auf den Bildschirmschoner." In den einzelnen Bereichen im Büro gebe es dafür Nischen für Teamfotos und -erinnerungen.

Ende des Großraumbüros

Eine andere Entwicklung könnte da schon für mehr Freude in den meisten Unternehmen sorgen: Denn auch die Zeit des Großraumbüros dürfte vorbei sein. "Vielleicht haben wir in der Vergangenheit zu sehr probiert, Büros wie Fabriken zu gestalten", sagt Andreas Gnesda. "Wie Salatköpfe im Marchfeld" seien manche Büros konzipiert worden. "Aber es gibt eine Sehnsucht nach Wald, nach etwas Organischem, wo alles zusammenpasst." Wohnlicher seien die Büros der Zukunft daher, und kleinräumiger. Das Großraumbüro hatte im Marchfeld Platz, nicht aber im Wald.

Mein Arbeitstag ist mittlerweile fast vorbei. Einige Seiten muss ich noch lesen. Dafür setze ich mich auf eine Couch im "Work Café" , wo man sich in Loungemöbeln zurücklehnen und mit Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten kann. Schön, sie alle mal wiederzusehen.

Ob die Veränderungen, die hier beschrieben werden, wirklich so eintreten werden? Die Zukunft ist noch offen. Andreas Gnesda weiß aber von Unternehmen, die mittlerweile sogar Sorge haben, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Corona überhaupt noch ins Büro zurückwollen.

Sabine Zinke wiederum hält das andere Extrem für denkbar, nämlich einen "Rebound-Effekt". Also dass Unternehmen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verbal oder nonverbal vermitteln, dass sie etwas verpassen, wenn sie nicht ins Büro zurückkommen.

Ich jedenfalls klappe nun meinen Laptop zu und mache mich auf den Heimweg. Morgen ist auch noch ein Tag. Das gilt auch im Büro der Zukunft.

(Franziska Zoidl, 16.2.2021)