Sergej Lawrow droht der Europäischen Union.

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Russland hat am Freitag mit einem Ende der diplomatischen Beziehungen zur Europäischen Union gedroht. Wer Frieden wolle, müsse "sich auf den Krieg vorbereiten", sagte Außenminister Sergej Lawrow, der eine martialische Analogie wählte. Ein solcher Schritt – der Abbruch der Beziehungen – sei eine mögliche Reaktion Russlands, sollte es wegen der Verurteilung des Oppositionellen Alexej Nawalny weitere Sanktionen der EU geben.

Russland jedenfalls sei darauf eingestellt, erklärt Lawrow in einem Interview, das am Freitag in Auszügen auf der Internetseite seines Ministeriums veröffentlich wurde. Dort wurde sogar ein eigener Eintrag erstellt, in dem ausschließlich die betreffende Passage noch einmal herausgehoben wurde. "Wir wollen uns nicht vom weltweiten Leben isolieren, aber wir müssen dafür gerüstet sein. Wenn man Frieden will, muss man sich auf Krieg vorbereiten."

Der Kreml kritisierte wenig später, Lawrows Worte seien von einigen Medien verkürzt wiedergegeben worden. Es sei "ein großer Fehler", diese Aussagen ohne Kontext zu veröffentlichen, erklärte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vor Journalisten. "Der Punkt ist, dass wir das nicht wollen. Wir wollen die Beziehungen zur Europäischen Union ausbauen, aber wenn die Europäische Union diesen Weg beschreitet, dann ja, dann sind wir bereit", sagte Peskow.

Deutschland: "Nicht nachvollziehbar"

Deutschlands Regierung reagierte irritiert auf Lawrows Äußerungen. "Diese Äußerungen sind wirklich befremdlich und nicht nachvollziehbar", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Freitag in Berlin. Regierungssprecher Steffen Seibert ergänzte: "Ich kann das nur unterstreichen." Die Sprecherin verwies auf Äußerungen von Außenminister Heiko Maas, der zwar neue Sanktionen nicht ausschloss, zugleich aber das Interesse an einem Dialog mit Russland betonte.

Kühles Verhältnis

Das Verhältnis zwischen Russland und der EU ist zuletzt merklich abgekühlt. Wie drei EU-Diplomaten der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag sagten, sollen Konten von Verbündeten von Russlands Präsident Wladimir Putin eingefroren und Reiseverbote verhängt werden. Zuletzt hatten Frankreich und Deutschland signalisiert, Sanktionen mitzutragen. Die Strafmaßnahmen könnten den Insidern zufolge noch in diesem Monat angekündigt werden.

In dem Konflikt zwischen Russland und der EU über den Umgang mit Nawalny war der Ton in den vergangenen Tagen deutlich schärfer geworden. Russland wies vor einer Woche EU-Diplomaten aus, als sich EU-Chefdiplomat Josep Borrell gerade zu Vermittlungsbemühungen in Moskau aufhielt. Später wiesen die drei betroffenen Länder – Deutschland, Polen und Schweden – ihrerseits russische Diplomaten aus.

Sabotage des Dialogs

Borrell wirft Russland vor, dass es seine Bemühungen um eine Entspannung der Beziehungen absichtlich sabotiert. Unter anderem hatten Journalisten staatlicher russischer Medien den Katalanen Borrell bei einer Pressekonferenz mehrfach nach "politischen Häftlingen" in Spanien befragt. In seinem persönlichen Blog sprach er wenig später von einer "aggressiven Strategie" der russischen Regierung, die deutlich gemacht habe, dass Moskau nicht an Dialog interessiert sei.

Nawalny war im Jänner nach seiner Rückkehr aus Deutschland festgenommen worden, wo er wegen eines in Russland erlittenen Giftanschlags behandelt worden war. Für diesen ist nach Ergebnissen europäischer Ermittlungen sehr wahrscheinlich die russische Führung verantwortlich. Benützt wurde das Gift Nowitschok, das von Russland hergestellt wird und für nichtstaatliche Akteure wohl kaum zu bekommen wäre.

Weiterer Prozess

Kurz darauf wurde er zu einer mehrjährigen Lagerhaft verurteilt, weil er während seiner Genesungszeit in Deutschland gegen Bewährungsauflagen aus einem früheren Urteil verstoßen haben soll. Wegen der Inhaftierung des Putin-Kritikers kam es in Russland mehrfach zu Demonstrationen, gegen die Sicherheitskräfte hart vorgingen.

Am Freitag steht er erneut vor Gericht. Weil er einen Weltkriegsveteranen beleidigt haben soll, drohen ihm eine Geldstrafe oder Zwangsarbeit. Seine Anhänger sehen den Prozess, der in der vergangenen Woche eröffnet wurde, als politisch motiviert an. Nawalny hatte im vergangenen Sommer ein in den Staatsmedien ausgestrahltes Video kritisiert, in dem sich mehrere Bürger für eine Verfassungsänderung aussprachen. Kritiker betrachten sie als Instrument der Machtsicherung für Kreml-Chef Putin. "Schaut sie euch an: Sie sind die Schande des Landes", schrieb Nawalny Anfang Juni auf Twitter über die Menschen in dem Clip und beschimpfte sie als "Verräter". Weil einer von ihnen – ein 94-Jähriger, der im Zweiten Weltkrieg kämpfte – sich davon schwer beleidigt gefühlt haben soll, ist Nawalny nun wegen Veteranenverleumdung angeklagt. (red, APA, 12.2.2021)