Alte, sprich Menschen von Mitte 40 aufwärts, versitzen in Führungsfunktionen den jungen Digital Natives den Platz, spielen das Machtspiel nach ihren Regeln und verhindern Lebens- und Arbeitskonzepte der sogenannten Millennials, also der Jüngeren unter vierzig. Sie leben weitgehend für die Arbeit – statt umgekehrt, wie Millennials das wollen –, führen autoritär und konservativ, sind im hierarchischen Bild gefangen und wollen am liebsten gar nichts ändern.

Madeleine Kühne hat in großen IT-Unternehmen in Führungsfunktionen gearbeitet und ist derzeit mit ihrer Consultingfirma als Interimsmanagerin, IT-Beraterin und Leadership-Speakerin tätig.
Foto: Sarah Vogel

Mit diesem gerne bemühten Generationenstereotyp als Grundlage arbeitet Millennial Madeleine Kühne mit Karriere in der IT-Branche in ihrem Buch Millennial Boss – einem Ratgeber für Junge, die sich in Unternehmen durchsetzen wollen. Diese Jungen erhalten allerlei Ratschläge für Verhalten, Performance und Durchsetzungsstrategien und werden ausführlich darüber aufgeklärt, wie "die anderen Generationen" ticken – und wie diese möglichst kriegsfrei auszuhebeln wären.

Wiewohl: An Kampfansagen in Form stereotyper Generationenzuordnung mangelt es nicht. "Viele Babyboomer regen sich über alles und jedes auf, das Veränderung bedeutet (...) wenn es schon sein muss, dann bitte im Schneckentempo. Ein gar nicht so kleiner Teil dieser Generation versteht jüngere Mitarbeiter nicht, die den Anspruch haben, dass ein Job Spaß machen und Sinn erfüllen soll", heißt es da etwa. Babyboomer und Generation X hätten eben Probleme, die Leichtigkeit der Jungen zu verstehen.

Millennials gingen auf die Straße, drehten Videos, bauten Brunnen in Afrika, demonstrierten gegen den "von Babyboomern und Generation X mitverschuldeten Klimawandel". Das alles, so die Autorin, sei "in den Augen der älteren Generationen schon fast unverschämt. Wenn sie ganz ehrlich sind, hätten sie das alles gern selbst (gehabt)."

STANDARD: Sie bemühen viele Generationenstereotype. Gießen Sie damit nicht ordentlich Öl ins Feuer der Generationenkonflikte in Unternehmen?

Kühne: Ich vereinfache sehr stark. Vor allem Babyboomer fühlen sich von meinem Buch provoziert. Es ist aber keine Kampfansage, sondern ein Versuch zu vermitteln, zu verbinden. Es bestehen ja so viele Vorurteile der älteren Generationen gegenüber Millennials, also die geben schnell auf, sind zu egoistisch, interessieren sich am ehesten für ihren nächsten Avocadotoast ...

STANDARD: Dasselbe machen Sie aber mit den Älteren ...

Kühne: Ohne die jetzige Krise wäre Homeoffice für Babyboomer noch immer ein No-Go. Sie haben einen autoritären Führungsstil, und es mangelt an Vertrauen. Arbeit ist für sie der zentrale Mittelpunkt. Millennials sind eben viel selbstbestimmter und wollen sich das so nicht gefallen lassen.

STANDARD: Die fortschreitende Digitalisierung gibt dem sogenannten Change ja den Vortritt – aber eins gegen das andere ausspielen?

Kühne: Ich habe selbst in einem IT-Unternehmen erlebt, wie das ist, wenn man gute Ideen hat und Innovation voranbringen will. Das wird eben oft verhindert – klar, wenn ich in zwei, drei Jahren in Rente gehe, dann will ich nicht mehr allzu viel verändern.

STANDARD: Ist anders, neu denn immer besser?

Kühne: Was Jungen oft fehlt, ist natürlich Sozialkompetenz. Da gehört ja auch Erfahrung dazu. Social Media suggeriert ja, jede und jeder kann King sein. Dadurch entsteht sicher keine Sozialkompetenz. Darauf gehe ich im Buch auch ein. Eine dienende Führungsrolle, dienend an den Mitarbeitern, fällt Millennials sicher sehr schwer. Erfahrung hilft in der Sozialkompetenz, ist andererseits aber auch oft im Weg.

STANDARD: Führung, um im Bild der Generationen zu bleiben, hat immer Status bedeutet, also "to be someone". Einerseits wollen die Jungen das, sagen Sie, andererseits gibt es sehr viele Umfragen, wonach sich Junge diese mühsame Führungsarbeit, für die es eher wenig Lorbeer gibt, kaum mehr antun. Also allzu unbequem will man’s nicht ...

Kühne: Ich kenne diese Umfragen und glaube sie nur bedingt. Auch die Jungen haben Statussymbole – eben andere. Dass sie, bestens ausgebildet, nicht in Führung gehen wollen, glaube ich nicht. Aber ja, die Jungen sind teilweise sehr angepasst.

STANDARD: Ihre Botschaft an die Boomer?

Kühne: Legt die Arroganz ab, habt keine Angst vor Veränderung.

STANDARD: Und Ihre Botschaft an die Millennials?

Kühne: Boomer besetzen Boomer oder Generation X in den Schlüsselpositionen. Der Erfolg der Vergangenheit dient dabei als Bestätigung. Ich sage den Jungen: Gebt nicht auf! Und: Man muss die Leute mitnehmen, zuhören, nicht immer so draufhauen. Und auch: Sei du der Chef, den du dir wünschst. (Karin Bauer, 18.2.2021)