Lehrlinge werden in Industrieunternehmen gesucht, die Bewerbungen sind aber um ein Drittel zurückgegangen.
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Keine berufspraktischen Tage, keine betrieblichen Infoveranstaltungen an Schulen, weniger Zeit für Berufsorientierung. Die Corona-Einschränkungen schlagen sich auch am Lehrstellenmarkt nieder. Während im ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr heimische Unternehmen abwartend waren, würden jetzt vor allem im Industriebereich verstärkt Lehrstellen ausgeschrieben. Nur fehle es oft an passenden Kandidaten.

Der spürbare quantitative und qualitative Rückgang der Bewerber für Lehrstellen seit Beginn der Corona-Pandemie war für die Initiative Zukunft.Lehre.Österreich Anlass, im Jänner vom Marktforschungsinstitut Market das Stimmungsbild am Lehrstellenmarkt abzufragen. Repräsentativ befragt wurden Lehrbetriebe, Schüler der neunten bis elften Schulstufe, Eltern von mindestens einem Kind zwischen 14 und 17 Jahren sowie Lehrer an Mittelschulen und polytechnischen Schulen.

Vier von zehn Unternehmen gaben an, dass sie im Vergleich zum Vorjahr aktuell spürbar weniger Lehrstellenbewerbungen haben, ein Drittel der Betriebe beurteilte auch die Qualität der Bewerber schlechter als in den Jahren davor. Genauso viele Lehrbetriebe sind, laut dieser Umfrage, auch besorgt, nicht ausreichend Lehrstellenbewerbungen von geeigneten Kandidaten zu erhalten. "Durch die Pandemie ist die Situation noch kritischer geworden", sagte Werner Steinecker, Generaldirektor der Energie AG in Oberösterreich und Präsident der Initiative, zu den Ergebnissen. Schon vor der Pandemie konnten viele Unternehmen ihre offenen Lehrstellen nicht besetzen. Diese Situation habe sich nun verschärft.

Kontakt abgebrochen

"Der Kontakt zu den Schülern ist seit der Pandemie komplett abgebrochen", sagt Stefan Pierer, CEO des Motorradherstellers KTM und Vizepräsident der Initiative. Informationsveranstaltungen, bei denen die verschiedenen Lehrberufe und auch das Unternehmen vorgestellt werden, seien seit der Corona-Pandemie nicht mehr möglich. "Dabei ist die duale Ausbildung ein wirksames Rekrutierungsmittel, um den Fachkräftemangel ansatzweise auszugleichen", sagt Pierer. KTM will in den nächsten Jahren die Zahl der Lehrlinge von rund 300 auf über 400 erhöhen, sie seien aber momentan schwer zu finden.

Und wie sehen das Schüler, Lehrer und Eltern? Rund 70 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Lehrstellensuche in diesem Jahr schwerer ist als in den Jahren davor, ein Verbleib an der Schule ist für viele daher die bessere Wahl. Hier würde die allgemein hohe Arbeitslosigkeit aber einen falschen Eindruck vermitteln, ergänzt Studienautor David Pfarrhofer. Denn der Umfrage zufolge sind die Einstellpläne der Unternehmen, was Lehrlinge betrifft, wieder auf Vor-Corona-Niveau.

Das persönliche Erleben – sei es durch Schnuppertage in den Betrieben, den Besuch von Unternehmen oder die Gespräche bei Berufsinformationsmessen – sei die wichtigste Grundlage für die Entscheidung des weiteren Bildungswegs. Pandemiebedingt sind diese Möglichkeiten derzeit kaum gegeben. "Beim Homeschooling wurde auf die Berufsorientierung vergessen", beklagt Steinecker. 81 Prozent der befragten Eltern und 70 Prozent der Schüler stimmten der Aussage zu, dass sie nicht wissen, welchen Beruf Letztere wählen sollten. "Die Interaktion muss auch in Corona-Zeiten möglich sein", appelliert er. Schnuppertage sollten nach Schnelltests und unter Einhaltung von Abstandsregeln wieder möglich sein.

Ungelöst ist das Problem, dass es im Westen Österreichs zu viele offene Lehrstellen für zu wenige Kandidaten gibt, während es im Osten um die Bundeshauptstadt genau umgekehrt ist. Dort gibt es zu wenige offene Lehrstellen und einen Überhang an Bewerbern. (Gudrun Ostermann, 12.2.2021)