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Ihr erstes Mal hatte sie mit Nathan Drake, dem schönen und zugleich schießwütigen Protagonisten aus den Uncharted-Spielen. Eine Freundin hatte uns zu Weihnachten 2016 ihre Spielekonsole geborgt – mit der Intention, auch meine sonst nicht sonderlich gamingaffine Frau für dieses Hobby zu begeistern.

Da saß sie nun auf dem Sofa: mit dem Controller in den Händen, halbherzig Interesse heuchelnd. "Schießen will ich nicht, das musst du machen", sagte sie. Also gut. Ich konzentrierte mich also aufs Ballern, dafür übernahm sie die Klettereinlagen, für die mir sowieso immer die Geduld fehlt. Controller tauschen. Teamwork.

Und während es draußen stürmte und schneite, suchten wir gemeinsam an den Stränden Madagaskars einen Piratenschatz. Abenteuerurlaub in der virtuellen Welt also – in einer Zeit, in der Corona noch in erster Linie eine Biermarke war.

PlayStation

Polygone sind nicht sexy

Auf das erste Spiel folgten viele weitere – und vor allem in Zeiten der Pandemie hatte sich dieser digitale Pärcheneskapismus bewährt. Der geplante Ägyptenurlaub wurde gestrichen? Ärgerlich, aber zum Geburtstag schenkte mir die beste Ehefrau von allen ein Exemplar von Assassin’s Creed: Origins: Dort konnte ich die Sphinx und die Pyramiden nicht nur besichtigen, sondern auch auf ihnen herumklettern und ein paar Schurken hinterrücks erdolchen. Das wäre im Kluburlaub in Hurghada nicht möglich gewesen.

Ubisoft North America

Eine weitere besondere Erwähnung beim Paar-Gaming sollte das Spiel The Witcher 3: Wild Hunt bekommen, das wir gleich nach der Uncharted -Premiere starteten. Warum? Weil sich das Spiel des polnischen Entwicklers CD Projekt Red neben der übertriebenen Darstellung von Gewalt auch durch explizite Sexszenen von der Masse abhebt. "Sag mal, ist das normal?", fragte sie, als zum x-ten Mal die virtuellen Riesenbrüste gegen den Bildschirm gedrückt wurden.

Nein, ist es nicht. Sexy fanden wir das Gezeigte jedenfalls nicht, eher zum Fremdschämen – womit wir die Ansicht des Synchronsprechers teilen, der einst in einem Interview betonte, das einsame Vertonen der Liebeleien im Aufnahmeraum fühle sich an, "wie wenn man beim Masturbieren erwischt wird". Nach dieser Erfahrung war auch klar: Es ist Zeit für echten Multiplayer im eigenen Wohnzimmer – oder Couch-Koop, wie es im Gamer-Slang heißt.

Nackter Polygon-Mann in der Badewanne: Nein, das ist nicht sexy.
Foto: CD Projekt Red

Lovers in a dangerous Spacetime: Rosa Raumschiffe

Bei Couch-Koop-Spielen spielt man auf derselben Spielekonsole, jeder Spieler hält einen eigenen Controller in der Hand, es muss eine gemeinsame Aufgabe gelöst werden.

Das ist natürlich sehr schön, weil man zusammen Erfolge feiern kann – birgt aber auch Streitpotenzial. Welches Couch-Koop-Spiel bietet sich also für Paare an? Unsere erste Wahl fiel auf ein Game mit dem klingenden Namen Lovers in a Dangerous Spacetime.

Das Spielprinzip: In einer utopischen Zukunft macht sich plötzlich das düstere Gegenteil der Liebe – die "Anti-Liebe" – breit. Diese gilt es zu besiegen, indem man gemeinsam in einem neonpinken Raumschiff durchs All fliegt und putzige kleine Häschen rettet. Zu viel des Guten? Ja, irgendwie schon. Wir suchten nach etwas mehr Realismus mit weniger pinkem Surrounding.

PlayStation

Overcooked: Gemeinsam kochen

Die Wahl fiel auf Overcooked: Ein weiteres Koop-Spiel, in dem gemeinsam in einer Großküche gekocht wird – und zwar unter Zeitdruck. Vor dem Pärchentest hatte ich das Spiel bereits mit den Kumpels gezockt. Damals versagten wir, da unter den vier Alphamännchen jeder sein eigenes Süppchen kochen wollte und niemand auf den anderen Rücksicht nahm.

Als Paar war das anders: Hier lernte ich schnell, dass ich in stressigen Situationen auf meine Frau hören muss – nur so kommen wir zum Ziel, und das trifft auf die Zubereitung eines virtuellen Burgers ebenso zu wie auf Herausforderungen in der echten Welt.

Xbox

Ich liebe eine Lügnerin

Und dann wäre da noch die dunkle Seite der Koop-Spiele: nämlich jene, bei der man zwar gemeinsam auf ein Ziel hinsteuert, Verräter in den eigenen Reihen dies aber zu sabotieren versuchen. Eines dieser Spiele, Among Us, hat im Pandemiejahr 2020 vor allem unter Jugendlichen Kultstatus erreicht.

Hier trifft man sich online auf einem Raumschiff und löst Aufgaben, während Verräter dagegen werken. Gibt es Verdächtige, so wird ein Crew-Meeting einberufen, bei dem diskutiert, gelogen und integriert wird. Es kann dabei durchaus mal lauter werden.

Innersloth

Und meine Frau? Die mimt das Unschuldslamm, gibt sich ahnungslos – nur um sich dann in einer finsteren Ecke zu verstecken und die anderen Spieler kaltblütig zu ermorden. Hilfe, liebe ich nun eine Lügnerin, eine Möchtegern-Mörderin?

Gut möglich. Aber ich bin ja nicht besser, das hat sich im Rahmen unserer virtuellen Abenteuer oft genug gezeigt. Zugleich haben wir auf diese spielerische Art gelernt, auch in schwierigen Situationen zusammenzuhalten, wir haben unsere Licht- und Schattenseiten erkannt – und das Wichtigste: Wir haben gemeinsam Spaß in einer Zeit, in der es sonst recht wenig zu lachen gibt. Den Ägyptenurlaub machen wir trotzdem, wenn wir wieder dürfen. Halt ohne Klettern und Morden. (Stefan Mey, 14.2.2021)