Der Klimawandel wird in Zukunft immer öfter Thema vor Gericht sein. In einigen deutschen Gemeinden haben Bürger bereits auf dem Rechtsweg Tempobeschränkungen im Straßenverkehr durchgesetzt, um die Luftqualität zu verbessern und die Erreichung der Klimaziele zu fördern. In Österreich hat der Verfassungsgerichtshof vor kurzem die erste große Klimaklage von Wissenschaftern und Bürgern abgewiesen. Nun gibt es eine spannende Entscheidung eines französischen Berufungsgerichts, die einen starken Bezug zum Umweltthema aufweist – das Gericht verbot die Abschiebung eines an Asthma leidenden Mannes nach Bangladesch. Begründet wurde das damit, dass die Städte Bangladeschs zu den Orten mit der schlechtesten Luftqualität weltweit zählen und der Mann dort eine sehr geringe Lebenserwartung haben könnte.

Die Jungen klagen die Staaten an

Schauplatzwechsel zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Für viele überraschend hat der EGMR ein Verfahren zu Klimafragen zugelassen und nicht vorab zurückgewiesen. Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Beschwerdeführer vor dem EGMR sind sechs portugiesische Staatsangehörige zwischen acht und 21 Jahren. Die Kläger wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen 33 Staaten, neben Portugal zählt auch Österreich zu den beklagten Staaten. Die 33 beklagten Staaten sind jene europäische Staaten, die zwar das Übereinkommen von Paris zur Eindämmung des Klimawandels ratifiziert haben, aber die dort vorgegebenen Ziele bisher verfehlen. Die Kläger führen aus, dass sie wegen der Nichterreichung des im Pariser Übereinkommen definierten Ziels der Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius und in weiterer Folge der maßgeblichen Emissionsminderung in ihrem Recht auf Leben und auf Privatleben verletzt würden. Die Klimaerwärmung treffe besonders ihre Generation, sie seien dadurch auch im Verhältnis zu den älteren Generationen diskriminiert.

Bild nicht mehr verfügbar.

Portugal wird immer öfter von verheerenden Bränden heimgesucht.
Foto: AP Photo/Sergio Azenha

Die Kläger erklären in ihrem Antrag, dass die Schadstoffemissionen zur Klimaerwärmung beitragen, die wiederum die jährlich in Portugal in der Nähe ihrer Wohnorte auftretenden Waldbrände mitverursachen. Die Waldbrände bedeuteten Gesundheitsgefährdungen für sie und würden bei ihnen tatsächlich zu Schlafproblemen, Allergien und Atemproblemen führen. Zeitweise seien die Schulen in der warmen Jahreszeit wegen der Brände geschlossen, auch ein Aufenthalt im Freien sei nicht möglich. Mehrere Beschwerdeführer geben an, dass infolge des Klimawandels der Anbau von Gemüse auf den Feldern ihrer Familien nicht mehr möglich sei.

Die Beschwerdeführer argumentieren rechtlich damit, dass die Europäische Menschenrechtskonvention im Lichte der UN-Kinderrechtskonvention auszulegen sei. Die 33 europäischen Staaten würden durch das Unterlassen von Maßnahmen zur Reduktion der Schadstoffemissionen eine Verletzung der aus der EMRK abzuleitenden staatlichen Gewährleistungspflichten begehen. Die Beschwerdeführer geben an, ihr Anliegen sei vor dem Hintergrund der steigenden Klimaerwärmung von so hoher Dringlichkeit, dass sie den Gerichtshof ersuchen, ihnen nicht die Ausschöpfung aller Instanzen in den 33 Staaten aufzuerlegen – das wäre normalerweise Voraussetzung für die Anrufung des Straßburger Gerichtshofs. Die Kläger geben an, dass sie aus bescheidenen Verhältnissen stammten und dass der Rechtsweg in 33 Staaten für sie eine zu hohe Bürde wäre. Der EGMR müsse den Schutz vor den Regierungen übernehmen und die Beschwerdeführer vor den Bedrohungen des Klimawandels schützen.

Die Zukunft vor Gericht

All diese Verfahren bietet einen Hinweis darauf, welche vielfältigen Facetten Umwelt- und Klimathemen in Zukunft auch in rechtlicher Hinsicht haben werden. Die Universität Graz hat dem Rechnung getragen, indem sie im Jahr 2020 erstmals eine Professur für Klimarecht eingerichtet hat. (Oliver Scheiber, 18.2.2021)