In New York wurde Maria Lassnig zur vielseitigen Filmemacherin: die Künstlerin im Selbstporträt "Stone Lifting".

Foto: Maria Lassnig Stiftung

Eine der bedeutendsten österreichischen Künstlerinnen hielt für die Nachwelt einen Schatz bereit. In ihrer Wohnung verwahrte Maria Lassnig in einer Kiste Filme, die sie in den 1970er-Jahren in New York verwirklicht hatte, bevor sie sich nach ihrer Rückkehr nach Wien hauptsächlich wieder der Malerei zugewandt hat.

Ein Geschenk, zunächst vor allem aber eine heikle Aufgabe für Kenner und Restaurateure ihres Werks. Mara Mattuschka und Hans Werner Poschauko fiel die Aufgabe zu, das lose Material – Super-8- und 16mm-Formate, einzelne Filmkader wurden teils nur mit Malerkreppband zusammengehalten – in mühevoller Arbeit zu bergen und zu rekontextualisieren.

Der Schatz, Lassnigs nunmehr titulierte "Films in Progress", wurde im New Yorker MoMA und anschließend im Österreichischen Filmmuseum präsentiert, jetzt sind die Filme auch dem neu erschienenen Buch Maria Lassnig. Das filmische Werk als DVD beigelegt. Kannte man Lassnig im filmischen Bereich als Verfechterin eines höchst eigensinnigen Animationsfilms – das Wort "Trickfilm" behagte ihr nie richtig –, mit dem sie ihre Körperstudien zu beweglichen Metamorphosen beschleunigte, so liefern diese Arbeiten das Bild einer in vielerlei Richtungen experimentierfreudigen Filmkünstlerin.

Maria Lassnig, "Das filmische Werk". Hg. v. Eszter Kondor, Michael Loebenstein, Peter Pakesch, Hans W. Poschauko. €24,– / 190 S. Filmmuseum/Synema, Wien 2021

In Godfather I, II, III bewegt sie sich etwa 1974 wie ein Zaungast durch die Sets von Francis Ford Coppolas Dreh von Der Pate 2. Selbst wenn der Regisseur darin in einem bunten Wintermantel kurz wie ein narzisstischer Harlekin auftaucht, begeistert sich Lassnigs in Mehrfachbelichtungen gedrehter Film mehr für die Verwandlung von Little Italy, wo Gegenwart und filmmythologische Inszenierung zu einem Bild verwachsen.

Weiblicher Dionysos

Solche Verdichtung wird in Moonlanding/Janus Head noch radikal gesteigert. Da lässt Lassnig TV-Bilder von der US-Mondlandung, Kriegs- und Spielfilmszenen mit Eisläuferinnen, tanzenden Beinen und einer dionysischen, an Weintrauben kauenden Frauenfigur in Dialog treten – am Ende wird das Filmbild zerkratzt, als wären die Kufen darübergerast.

Lassnig ging auch deshalb nach New York, um ihre Position als Frau in der Kunst schärfen zu können. James Boaden rekonstruiert in einem der Essays des Buches den kulturgeschichtlichen Horizont der Szene, in die die Österreicherin eintrat, um ihr "Körperbewusstsein" an gegenwärtigen Verhältnissen zu messen. Der Film war das Medium der Zeit – wobei Lassnig, wie sie in einem schönen Text schreibt, improvisieren musste: ihr "Animationspult, das sind zwei Plastikbücher, auf ein Stanniolpapier gelegt; zwischen ihnen befindet sich eine längliche Glühbirne, darüber als Brücke eine Milchglasplatte".

Maria Lassnigs Soul-Sister-Porträt "Alice".

Doch auf sich allein gestellt war sie nicht, denn es lag der Geist der Kollektivierung in der Luft. Lassnig gehörte neben Carolee Schneemann, Rosalind Schneider oder Yvonne Rainer zur feministischen Gruppe Women Artist Filmmakers, Inc., mit der man gegen die Marginalisierung von Frauen in einer Kunstszene antrat, die selbst im Underground-Bereich schon wieder patriarchale Strukturen herausbildete – rund um das Anthology Film Archive wurde eifrig an einem "Kanon des Films" gebastelt.

Lassnigs Soul Sisters-Serie, ihre so witzigen wie feinfühligen Porträts befreundeter Frauen, kann man dahingehend als Ergänzung verstehen. In Alice rückt sie etwa einer Isländerin nahe, die in New York wie ein "funkelnder Komet" eingeschlagen war. Nackt besprüht sich diese mit Wein, anschließend werden ihre vielen "boyfriends" rückblickend mit Eigenschaften versehen und als Kärtchen am Körper befestigt – denn "gut waren sie schließlich alle".

Das Buch enthält übrigens auch zahlreiche Faksimile, die Einblick in Lassnigs unrealisierte Ideen gestatten. Eine davon lautet: "Ich möchte einen Mann, den ich auf u. abdrehn kann wie TV." (Dominik Kamalzadeh, 13.2.2021)