Gernot Blümel geht nach der Hausdurchsuchung in die Offensive.

Foto: APA

Kann der Finanzminister ausschließen, dass ihm je von einem Vertreter der Novomatic Spenden angeboten worden sind? "Ich kann für mich ausschließen, dass ich mich erinnern kann, dass das ein Thema war", antwortete Gernot Blümel, der studierte Philosoph, am 25. Juni 2020. Die Antwort ließ die Abgeordneten des Ibiza-Untersuchungsausschusses schmunzeln.

"Darf ich mir den Satz einrahmen?", rief der rote Fraktionsführer Jan Krainer. Auch Stephanie Krisper (Neos) war laut Protokoll "erheitert", sie hakte nach. Blümel blieb dabei: "Ich kann für mich ausschließen, dass ich Erinnerungen diesbezüglich habe."

Auch in der Zib2 streitet Blümel alle Vorwürfe ab. Allerdings sei es "völlig normal", wenn sich österreichische Unternehmen bei Problemen im Ausland an die heimische Politik wenden, so der Finanzminister.
ORF

Acht Monate später wurden Blümels Erinnerungen durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft aufgefrischt – auf spektakuläre Art und Weise. Sie führte eine Hausdurchsuchung bei dem amtierenden Finanzminister durch; ein Novum in der Zweiten Republik. Tags darauf legte Blümel dann eine eidesstattliche Erklärung vor, nie Spenden der Novomatic an die ÖVP oder "mit ihm medial in Verbindung gebrachte" ÖVP-nahe Vereine angenommen zu haben. Gemeint sind damit: Pro Patria, Modern Society, Verein zur Förderung bürgerliche Politik sowie der Verein Wiener Stadtfeste.

Mittlerweile ist Blümel nach Josef Pröll und Hartwig Löger der dritte türkis-schwarze Finanzminister, der in der Causa Casinos zum Beschuldigten wird. Doch zwischen den dreien gibt es große Unterschiede: Löger holte nach seinem Ausscheiden aus dem Amt der Vorwurf ein, er habe als Finanzminister unzulässig bei der Vorstandsbesetzung der Casinos Austria AG (Casag) mitgemischt. Bei Pröll spielte dessen Ära als Finanzminister überhaupt keine Rolle, er geriet als Aufsichtsrat der Casag ins Visier der Ermittler. Und bei Blümel geht es zwar um den Glücksspielkonzern Novomatic, die belastenden Vorgänge fanden jedoch schon im Sommer 2017 statt.

Projekt Ballhausplatz

Damals war Blümel nicht amtsführender Stadtrat und Landesparteichef in Wien. Er galt als enger Vertrauter des damaligen Außenministers Sebastian Kurz, der gerade die ÖVP übernommen hatte und mit Blick auf baldige Neuwahlen auf den Einzug ins Kanzleramt am Ballhausplatz hoffte. Das war schon länger das Ziel einer vertrauten Gemeinschaft rund um Kurz, zu der auch Blümel gehörte.

Unter dem Namen "Operation Ballhausplatz" plante man die Neuaufstellung der ÖVP. Ein zentraler Punkt sollte dabei die Parteifinanzierung durch Spenden von Unternehmen und Superreichen werden. Der U-Ausschuss zeigte, wie Kurz und seine Vertrauten schon vor dem Rücktritt von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner bei Industriellen um Spenden und Unterstützung warben. Auch beim Glücksspielriesen Novomatic weiß man darüber Bescheid. Das geht aus Chats zwischen dem damaligen CEO Harald Neumann und Pressesprecher Bernhard K. hervor.

Letzterer schrieb im Mai 2017 an seinen Chef, die Finanzierung der ÖVP sei "ziemlich trist", die Spenden würden wohl "überschaubar bleiben". Zwei Monate später wandte sich Neumann dann an Blümel: "Guten Morgen, hätte eine Bitte: Bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz (erstens wegen Spende und zweitens bezüglich eines Problemes, das wir in Italien haben!)" Das "Problem in Italien" ist gewaltig, der Novomatic drohen dort Steuernachzahlungen in der Höhe von bis zu fünfzig Millionen Euro.

Bot Neumann der ÖVP über Blümel eine Spende an, falls Kurz der Novomatic in Italien helfen sollte? Diese Frage treibt die WKStA um. Sie verdächtigt Neumann und Blümel ausgehend von dieser Chatnachricht der Bestechung. Blümel blieb jedenfalls nicht untätig: Er wandte sich drei Stunden nach Neumanns Nachricht an Thomas Schmid, damals Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzministerium. "Bitte ruf den Neumann zurück. Tu es für mich", schrieb er mit Kuss-Emoji.

In den folgenden Tagen soll das auch passiert sein. Die Beteiligten bestreiten die Vorwürfe. Die WKStA sah nun eine Razzia als notwendig an, um mehr über das Spendenverhalten der Novomatic und Blümels Kommunikation mit Glücksspielmanagern zu erfahren. Er habe einen "Behördenweg herstellen" wollen, sagte Blümel nun; offenbar habe das Finanzministerium vorher nicht reagiert. So rekonstruiert er nun den Chat aus dem Jahr 2017. Warum sich Neumann ausgerechnet an Blümel gewandt habe? Das könne er nicht beantworten, hieß es.

Die bisher bekannten Chats stammen aus den Smartphones von Neumann, Schmid, den einstigen FPÖ-Spitzenpolitikern Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus. Diese wurden im Verfahren schon länger sichergestellt. Mit Blümels Geräten liegen erstmals die eines amtierenden Ministers bei der WKStA. Bis zur Auswertung der Chats dürfte aber noch einige Zeit vergehen. Einstweilen versicherte die ÖVP, dass sie keine Spenden von der Novomatic erhalten hätte. Für das Delikt der Bestechung reicht aber schon das "Anbieten" oder "Versprechen" von Vorteilen.

Die angebliche Verwechslung

Abgesehen davon konzentriert sich die Volkspartei auf etwaige Ermittlungsfehler. So bestreitet das Kanzleramt, dass sich – wie im Durchsuchungsbefehl angeführt – Neumann und Kurz im Frühjahr 2017 getroffen hätten, um über die "ÖVP neu" zu sprechen. Klubobmann August Wöginger ging sogar so weit, zu behaupten, die Hausdurchsuchung habe wegen einer "Namensverwechslung" stattgefunden. Er bezieht sich offenbar auf einen Satz in der Anordnung, dass Novomatic-Gründer Graf einen Termin mit "Kurz" eingetragen habe.

Damit könnte auch Grafs Schwiegertochter Martina Kurz gemeint sein. Auch Graf selbst bestreitet ein Treffen mit Sebastian Kurz. Allerdings ist dieser Termin für die Vorwürfe gegen Blümel irrelevant. Außerdem heben ÖVP-Kreise angebliche Ungereimtheiten rund um das Vorgehen der WKStA hervor. Diese liegt mit der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien schon länger im Clinch, sie vermutet eine Befangenheit von deren Leiter Johann Fuchs. Eigentlich muss die WKStA Ermittlungsschritte wie Razzien drei Tage im Vorhinein bei der OStA Wien melden, ebenso brisante Entwicklungen in prominenten Verfahren. Beides sei nicht wie vorgesehen erfolgt, hieß es.

Tatsächlich wurde die OStA wegen "Dringlichkeit" der Hausdurchsuchung erst Mittwochnachmittag informiert; vom Beschuldigtenstatus Blümels soll sie erst sehr spät erfahren haben. Angesichts der Tatsache, dass die Hausdurchsuchung bereits vor Weihnachten richterlich bewilligt worden war, herrscht bei der OStA Wien deshalb Unmut vor. Die Verletzung von Berichtspflichten würde die Maßnahmen aber nicht illegal machen. Außerdem sprang das Justizministerium der WKStA bei und sprach von "ausreichenden" Informationen.

An der Reaktion des Justizministeriums ist ablesbar, dass die Grünen in der Causa hartnäckig bleiben wollen. Sie schlossen sich den Rücktrittsforderungen an Blümel zwar nicht an – aus der ÖVP war von einer "sehr fairen und netten Reaktion" zu hören; sie zeigten sich aber von dessen ersten Statements enttäuscht. Besonders die Frage nach der Finanzierung der ÖVP durch Umwege sei ungeklärt. Hier ist die Novomatic seit Jahren aktiv, es floss beispielsweise Geld an den Thinktank von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und an die Julius-Raab-Stiftung. Unterstützt wurde auch der NÖAAB.

Im Kern ist das die große Frage seit Ibiza: Dort prahlte FPÖ-Chef Strache davon, dass man Parteien "am Rechnungshof vorbei" unterstützen könne – eben durch Vereine. Nun haben die Ermittlungen dazu endgültig die ÖVP erreicht. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Blümel selbst will nicht zurücktreten: Auch gegen andere Minister oder gar Kanzler sei während deren Amtszeit ermittelt worden, sagte er am Freitag. Eine Hausdurchsuchung gab es bei diesen allerdings nicht. Um Vorwürfe der Befangenheit zu begegnen, könnte die Glücksspielgesetzgebung auch ausgelagert werden, hieß es am Freitag. Wer der ÖVP Gegenleistungen für Spenden unterstelle, werde jedenfalls geklagt, sagte Blümel. (Fabian Schmid, Renate Graber, 12.2.2021)