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Textilarbeiterinnen in Bangladesch fordern ausstehende Löhne ein.

Foto: Reuters

Berlin/Wien – In Bangladesch geht eine Textilfabrik in Flammen auf, was hunderten Arbeitern das Leben kostet. In Lateinamerika werden für die Palmölproduktion illegal riesige Flächen Regenwald gerodet. Chinas Region Xinjiang lässt Ware für Europa unter dem Einsatz von Sklaverei und Zwangsarbeit produzieren. Wer wird bei massiven Verstößen gegen Menschenrechte und Umweltschutz zur Rechenschaft gezogen?

Internationale Gerichte, an denen dagegen Klage erhoben werden kann, gibt es keine. Konzerne, die davon durch günstigen Einkauf profitieren, delegieren die Verantwortung an ein intransparentes Netz an Sublieferanten. Versuche, Missstände entlang der globalen Lieferketten sanktionierbar zu machen, gibt es seit Jahren. Sie scheiterten stets am Widerstand der Wirtschaft.

Angst vor Bürokratie

Auch Österreichs Regierung zeigt keinerlei Ambition, Regeln zu schaffen, die über eine freiwillige Selbstverpflichtung hinausgehen. Unternehmer warnen gebetsmühlenartig vor ausufernder Bürokratie und teuren nationalen Alleingängen.

Nun macht Deutschland erstmals Nägel mit Köpfen. Nach langem Ringen haben sich SPD, CDU und CSU auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Dieses soll im Herbst verabschiedet werden, allerdings erst 2023 in Kraft treten. Menschenrechtsorganisationen nennen es einen längst überfälligen, wichtigen Schritt. Sie sehen darin aber lediglich einen Kompromiss, weitere Taten müssten folgen.

Ein erster Schritt

Konkret werden deutsche Firmen künftig dazu verpflichtet, bei Lieferanten im Ausland Menschenrechte durchzusetzen. Das soll Kinder- und Zwangsarbeit zumindest verringern. Zudem müssen Unternehmen stärker auf UmweltStandards achten. Im Fokus ist unter anderem die Lebensmittel- und Textilbranche. Ob Schokolade, Jeans, Laptops oder Teebeutel: Der niedrige Preis allein wird bei der Beschaffung nicht mehr oberste Priorität haben dürfen.

Verbindlich ist dies alles jedoch ab 2023 nur bei Konzernen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern. Ab 2024 gilt es auch für Betriebe mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Klein- und mittelständische Unternehmen bleiben davon unberührt. Das Wirtschaftsministerium hatte darauf gepocht, diese nicht zu überfrachten.

Freiwilligkeit scheitert

Vom Tisch ist eine umfangreiche zivilrechtliche Haftung für Missstände in der Lieferkette, die zu milliardenschweren Prozessen hätte führen können. Unternehmen müssen bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht nur mit einem Bußgeld rechnen. Zugleich droht ihnen, bis zu drei Jahre lang von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen zu werden. Der Plan der Industrie, es bei freiwilliger Selbstverpflichtung zu belassen, misslang: Nur ein Fünftel der Betriebe hält sich daran.

Veronika Bohrn Mena, Sprecherin einer Bürgerinitiative, die auch für Österreich ein Liefergesetz fordert, drängt darauf, dass die Regierung hierzulande nachzieht. Man habe Gespräche mit Mitgliedern Regierung aufgenommen. Vertiefende Gespräche mit den Parlamentsfraktionen sollen folgen. "In Österreich wurde jedoch seitens der Bundesregierung noch kein Prozess aufgesetzt, und das muss sich sofort ändern."

"Dicke harte Bretter"

"Es sind dicke, harte Bretter zu bohren, denn Kosten für kleine Betriebe dürfen nicht aus dem Ruder laufen", sagt Fairtrade-Österreich-Chef Hartwig Kirner. Der einzige große Hebel, um globale Lieferketten gerechter zu machen, seien Gesetze und Sanktionen. Derzeit hätten Betriebe, die sich um Transparenz bemühten, finanzielle Nachteile. "Es geht letztlich auch um Kostenwahrheit." (Verena Kainrath, 12.2.2021)