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Tschechiens Premier Andrej Babiš ist mit seinem Plan zur neuerlichen Verlängerung des Notstands vorerst gescheitert.

Foto: Reuters / David W. Cerny

Bei der Pandemiebekämpfung in Tschechien herrscht gerade rundum Ratlosigkeit. Welche Maßnahmen sollen ab Montag noch gelten? Was kann auf welcher rechtlichen Basis weiterhin zentral geregelt werden, und was wird in die Kompetenz regionaler und lokaler Behörden übergehen? Fragen wie diese werden hitzig diskutiert, nachdem das Abgeordnetenhaus in Prag am Donnerstagabend die von der Regierung beantragte Verlängerung des Notstands abgelehnt hat. Dieser soll somit am Sonntag auslaufen.

Die Entscheidung sorgt vor allem deshalb für Verwirrung, weil in epidemiologischer Hinsicht die Zeichen ganz und gar nicht auf Lockerung stehen: Mehr als 9.000 Neuinfektionen zählte das Zehn-Millionen-Einwohner-Land allein am Donnerstag. Zum Vergleich: In Österreich mit seiner nur geringfügig kleineren Bevölkerung waren es bloß etwas mehr als 1.500. Bei den Infektionszahlen liegt Tschechien eher in der Größenordnung Deutschlands, wo allerdings mehr als 80 Millionen Menschen leben.

Notstand "keine Lösung"

Momentan gelten in Tschechien noch viele Corona-bedingte Einschränkungen. Auch der Handel ist nach wie vor weitgehend auf die Grundversorgung beschränkt. Ausgerechnet die Tatsache, dass die Corona-Zahlen trotz der Maßnahmen zuletzt hoch geblieben sind, war für einige Abgeordnete jedoch ein Argument gegen die Verlängerung des Notstands. Vlastimil Válek etwa, parlamentarischer Klubchef der rechtsliberalen Oppositionspartei Top 09, sprach von "ineffektiven und häufig sinnlosen" Maßnahmen, zu denen sich das Kabinett durch den geltenden Notstand verleitet gesehen habe. Ohne diesen wäre die Regierung gezwungen, ihre Pläne im normalen Gesetzgebungsverfahren besser zu begründen.

Ins selbe Horn stieß Petr Fiala, Vorsitzender der konservativen Bürgerdemokraten (ODS): "Die Regierung kennt nur eines: den Notstand verlängern. Das ist aber keine Lösung", sagte Fiala.

Ausschlaggebend für die Niederlage von Premier Andrej Babiš, dessen liberal-populistische Partei Ano mit den Sozialdemokraten (ČSSD) eine Minderheitsregierung bildet, war allerdings das Ausscheren der Kommunisten (KSČM), die das Kabinett tolerieren: Diesmal haben auch sie der Verlängerung des Notstands nicht zugestimmt, nachdem sie zuvor unter anderem eine Rückkehr der Kinder in die Schulen verlangt hatten.

Hilferuf der Kreishauptleute

Der sozialdemokratische Innenminister Jan Hamáček, der auch Chef des Krisenstabs ist, wirft der Opposition ein zynisches Spiel vor. Sie wolle der Regierung die Suppe versalzen, um selbst vertrauenswürdiger dazustehen. "Das Ergebnis wird Chaos sein – und Misstrauen gegenüber der Politik insgesamt", so Hamáček. Ano-Klubchef Jaroslav Faltýnek spricht von einer "Kampagne auf Kosten der Gesundheit der Menschen".

Aus den Reihen der Kreishauptleute – etwa vergleichbar mit den österreichischen Landeshauptleuten – kam am Freitag der Vorschlag, nach der gescheiterten Verlängerung einen neuerlichen Notstand auszurufen. Juristen hatten das allerdings zuvor als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft. Eine andere Möglichkeit wäre die Ausrufung des Gefahrenzustandes in den einzelnen Kreisen. Dabei wiederum könnte es zu Verzögerungen und Koordinationsproblemen kommen, fürchten manche.

Am Montag übrigens wird Premier Andrej Babiš in Wien erwartet, wo er unter anderem mit Bundeskanzler Sebastian Kurz zusammentreffen soll. Babiš wolle sich ein Bild von den Antigen-Schnelltests an österreichischen Schulen machen, hieß es am Freitag aus dem Bundeskanzleramt. Unterdessen steht Babiš in Prag in der Kritik, weil er sich nicht in Quarantäne begeben hat, nachdem sein Bürochef positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Babiš beruft sich darauf, geimpft zu sein, was allerdings laut Hygienebehörden die Quarantänepflicht in solchen Fällen nicht aufhebt. (Gerald Schubert, 12.2.2021)