Österreich gibt viel aus, die Wirtschaft leidet dennoch stärker als anderswo. Innovation wurde kaum geschaffen.

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Die Corona-Pandemie wird von Ökonomen gern mit einem Marathon verglichen. Die Krise werde nicht schnell vorüberziehen, es brauche kontinuierliche Ausdauer, um durchzukommen. Aber dieses Bild ist, so legen es die Erfahrungen der vergangenen Monate nahe, falsch. Viel eher gleicht die Pandemie einer Weitwanderung über Berge. Rauf-runter, rauf-runter. Die Belastung ist nie lange gleichmäßig.

Auf den tiefen wirtschaftlichen Absturz im Frühjahr 2020 folgte ein fast normaler Sommer. Gasthäuser und Kinos waren offen, die Menschen fuhren auf Urlaub. Dann, im Herbst 2020, folgte der nächste wirtschaftliche Absturz mit Lockdowns und einer rasanten Virusausbreitung. Jetzt wird wieder geöffnet, aber offen ist, ob schon bald wieder alles dichtgemacht werden muss.

Für Österreich steht inzwischen fest, dass der Marsch anstrengender ist und länger dauern wird als für die meisten anderen Industrieländer. Die heimische Wirtschaft ist im vergangenen Jahr nicht nur deutlich stärker eingebrochen als im Schnitt die übrigen Unionsländer. Die EU-Kommission sagt auch voraus, dass Österreichs Wirtschaft heuer langsam wachsen wird.

Nur in den Niederlanden wird das Plus noch geringer ausfallen. Aber die holländische Wirtschaft hat sich dafür im vergangenen Jahr besser geschlagen. Die Zahl der Arbeitslosen ist in Österreich zudem in Relation zum Ausgangswert doppelt so stark angestiegen wie im EU-Durchschnitt. Österreich ist bei der Wanderung also weit zurückgefallen.

Dabei hat die Regierung, von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) abwärts, früh in der Pandemie die Parole "Koste es, was es wolle" ausgegeben und damit klargemacht, dass die Regierung viele Milliarden ausgeben wird, um Jobs und Betriebe zu retten. Laut Berechnung des Internationalen Währungsfonds hat Österreich bisher Hilfen in Höhe von 8,6 Prozent der Wirtschaftsleistung zugesagt. Das ist der zweithöchste Wert in der EU.

Bisher nur konserviert

Mit den Milliarden wurde bisher fast ausschließlich darauf gesetzt, Bestehendes zu erhalten. Mit dem Kurzarbeitsgeld sollten Jobs gerettet werden. Die Umsatzhilfen, der Fixkostenzuschuss, die Senkung von Umsatzsteuern und Steuerstundungen halfen dabei, Betriebe am Leben zu erhalten.

Das Ganze hat jedoch große Probleme mit sich gebracht. Erstens schlagen die Hilfen bisher nicht so an, dass sich das in den Zahlen zeigen würde. Österreich gibt viel aus, die Wirtschaft leidet dennoch stärker als anderswo. Innovation wurde kaum geschaffen. Laut der Ökonomin Margit Schratzenstaller liegt der Anteil an grünen Maßnahmen beim Konjunkturpaket, mit dem die Wirtschaft seit dem Sommer 2020 belebt werden soll, bei gerade zehn Prozent.

Auch Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung, einer fürwahr nicht revolutionären Einrichtung, sagt, dass es neue Schwerpunkte brauche: weg von Konservierung, hin zur Schaffung von Neuem. Die gute Nachricht lautet, dass es eine Reihe von Vorschlägen aus ganz unterschiedlichen Richtungen gibt, wie Österreich mit innovativen Ideen aus dem Konjunktur-Tal herauskommen könnte.

Lösung für zwei Krisen

Der erste und am lautesten geforderte Ansatz lautet, die Lösung zweier Krisen zu verbinden: Corona und Klima. Was in den USA unter dem Schlagwort "Green New Deal" diskutiert wird, also ein wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm mit ökologischem Schwerpunkt, hat in Österreich eine Reihe von Ablegern gefunden.

Eine Sanierungsoffensive und ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs sind etwa zwei Vorschläge der Ökonomin Daniela Kletzan-Slamanig vom Forschungsinstitut Wifo. All das gibt es zwar schon: Die Regierung hat im Rahmen des Konjunkturpakets pro Jahr 100 Millionen Euro zusätzlich für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zugesagt, besonders für die Bahn, die ohnehin gefördert wird.

Es gibt auch Geld für das grüne Prestigeprojekt 1-2-3-Ticket. "Aber es braucht viel mehr als Schieneninfrastruktur", sagt Kletzan-Slamanig, allein weil es nicht für jede Gemeinde eine Zugverbindung geben kann.

Sie schlägt daher vor, eine komplett "alternative Mobilitätsstrategie" für den ländlichen Raum zu entwickeln und umzusetzen, bei der Sammeltaxis oder Elektrobusse alle Gemeinden miteinander verbinden und Fahrten zu Verkehrsknotenpunkten organisieren.

Schneller sanieren

Mehr Geld und mehr Elan fordert sie auch bei der Sanierung von Gebäuden. Auch hier setzt die Regierung an, aber es ginge viel radikaler. Aktuell werde pro Jahr ein Prozent des Altbaubestands saniert, möglich sei eine Verdreifachung, so die Ökonomin. Das schafft nicht nur Jobs. Immerhin ist in Österreich fast ein Sechstel der Treibhausgasemissionen dem Sektor Gebäude zuzurechnen.

Eine andere Vision hat das Wiener Forschungsinstitut Wiiw entwickelt. Die Experten schlagen vor, ein europäisches Netz von Hochgeschwindigkeitszügen zu bauen. Mit 250 bis 350 km/h sollen Züge durch Europa rauschen und Flugreisen obsolet machen.

Eine Strecke würde von Berlin in weniger als drei Stunden nach Wien und dann weiter nach Belgrad und Bukarest führen, eine andere von Wien über Graz nach Ljubljana. Kostenpunkt für das Projekt in Österreich laut Wiiw: 37 Milliarden Euro. Ein verrückter Vorschlag?

Mag sein. Aber der Chefökonom der Arbeiterkammer, Markus Marterbauer, sagt, dass bis zu zehn Milliarden an Investitionen zusätzlich pro Jahr nötig sein würden, um Herausforderungen wie Klimakrise und Pflege zu bewältigen. Dank niedriger Zinsen – Investoren zahlen Österreich derzeit Geld dafür, wenn sich der Staat verschuldet –, gehe sich das aus. "Wer jetzt nicht investiert, kann nicht rechnen."

Wirtschaftswandel beschleunigen

Eine andere Offensive fordert Helmenstein von der Industriellenvereinigung. Die Corona-Krise ist für ihn ein "Katalysator", der einen ohnehin laufenden Wirtschaftswandel beschleunigen werde. Nur darauf zu warten, dass die Krise vorbeiziehe und die Menschen wieder konsumieren, sei nicht genug.

Viele der Jobs, die in den Lockdowns verschwunden sind, werden nie zurückkommen, sagt Ökonom Helmenstein. Etwa bei Airlines, Reisebüros und im stationären Handel. Der Umsatz im Onlinehandel hat in der Pandemie immerhin um ein Drittel zugelegt. Aber auch in der Gastronomie wird viel anders werden.

Wenn Homeoffice bleibt, so wie alle Umfragen nahelegen, werden es Restaurants in Geschäftsvierteln künftig schwer haben. Die Wirtschaft der nahen Zukunft werde digitaler sein und noch mehr Fachkräfte benötigen, prognostiziert Helmenstein.

Vom Bäcker zum Ingenieur?

Er plädiert daher für ein große Qualifizierungsoffensive ohne Denkverbote. Hier sei bisher wenig geschehen. Er schlägt einen Bonus vor: Arbeitnehmer, die bereit sind, sich umschulen zu lassen, sollen einen Zuschuss zum Arbeitslosengeld bekommen. Je höher sich jemand qualifizieren lässt, desto höher wäre der Zuschlag. So hätte etwa ein Bäcker einen großen Anreiz, Maschinenbau zu lernen. Die Prämie könnte weiter steigen, wenn jemand auch bereit ist, für den neuen Job umzuziehen.

Was hilft gegen die tiefste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg? Darüber diskutierte bei "STANDARD mitreden" eine Experteninnenrunde, unter anderem mit dabei: Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP).
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Noch radikaler sind die Ideen von Lea Steininger, Forscherin an der Wirtschaftsuni Wien. Sie fordert eine Jobgarantie für alle Arbeitslosen. Die Gemeinden müssten ausreichend Geld bekommen, um jedem Jobsuchenden eine Stelle anzubieten, primär im gemeinnützigen Bereich.

Etwa als Aushilfe in Schulen, bei der Begrünung von Ortschaften, bei Instandhaltungsarbeiten. Wer mitmacht, würde mehr Geld bekommen als Arbeitslose vom AMS, aber weniger als bei einem klassischen Job. So könnten die ungenutzten Ressourcen zehntausender Jobsuchender genutzt werden.

Mehr als nur erhalten

Einen anderen Denkanstoß geben Monika Köppl-Turyna, Chefökonomin von Eco-Austria, einem arbeitgebernahen Thinktank, und Margaret Childs, Expertin bei der Start-up-Plattform Austrian Start-ups. Anstatt nur bestehende Unternehmen zu retten, fordern sie, zusätzlich Neugründungen zu erleichtern und zu fördern.

Die Regierung hat im vergangenen Jahr 100 Millionen zusätzlich für Start-up-Förderung bereitgestellt. Warum die Summe nicht verdoppeln oder verdreifachen?, fragt Childs. Zum Vergleich: 15 Milliarden Euro an direkten Hilfen hat der Staat im vergangenen Jahr bereitgestellt.

Sanierungen, Highspeed-Züge, ländlicher Verkehr, Jobgarantie, gewaltige Qualifizierungsoffensive, Start-up-Offensive: All das wären Ideen, um mehr Innovation in den Hilfsprogrammen zu schaffen und Wachstum anzufachen.

Natürlich sind auch solche Programme nie risikolos, und eine Wirkung ist nie garantiert. "Je mehr der Staat fördert und in Marktmechanismen eingreift, desto mehr Verzerrungen schafft er", sagt der WU-Ökonom Harald Oberhofer, der deshalb fordert, alle Maßnahmen konsequent wissenschaftlich zu evaluieren.

Dieser durchaus heikle Punkt der staatlichen Verzerrungen müsse diskutiert werden. Aber immerhin hat das in den vergangenen Monaten niemanden gestört, als die einzige Devise lautete: Koste es, was es wolle, um zu erhalten, was schon da ist. (András Szigetvari, 15.2.2021)