Eine Initiative wirbt mittels Videowall für einen Schuldspruch von Donald Trump.

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Kein Kaffee, kein Tee. Nur Wasser und Milch sind erlaubt, sonst nichts an Getränken. Solange die Verhandlung läuft, haben die Senatoren zu schweigen, unter Androhung von Kerkerhaft, wie es in einer antiquierten Formel heißt. Und bevor sie beginnt, geht die Hand ans Herz. Der Pledge of Allegiance ist Pflicht. Der Treueschwur auf die Republik, "eine Nation unter Gott, unteilbar", was angesichts des Risses, der quer durch die amerikanische Republik geht, im Moment wie ein frommer Wunsch klingt.

Die Regeln sind dieselben wie vor einem Jahr, als der Senat schon einmal über die Amtsenthebung Donald Trumps zu urteilen hatte. Wie damals wenden sich die Impeachment-Manager, die demokratischen Abgeordneten, die den Fall zu begründen haben, fast immer nur an die Republikaner, die, vom Rednerpult aus gesehen, links von der Mitte sitzen. Wie damals studieren die Reporter, eine Etage über dem Saal auf der Pressetribüne, mit besonderer Intensität, was die republikanischen Senatoren gerade tun. Siebzehn müssten Trump für schuldig befinden, soll das Verfahren nicht mit einem Freispruch enden. Sechs haben zu erkennen gegeben, dass sie eventuell mit den Demokraten und damit gegen den Ex-Präsidenten stimmen. Fehlen noch elf. Falls das Unwahrscheinliche, ein Schuldspruch, eintreten soll.

Suche nach Stimmen

Was ist mit Rob Portman? Der ehemalige Jurist aus Ohio, kein Trumpist, sondern ein Pragmatiker aus der konservativen Mitte, hat bereits klargemacht, dass er nicht mehr zur Wiederwahl antreten wird. Damit ist er frei von allen Zwängen. Das Szenario, wonach sich Trump-Loyalisten an der Parteibasis an ihm rächen, indem sie bei der nächsten Primary einem Gegenkandidaten den Vorzug geben, muss er nicht mehr fürchten. Ob sich Portman einen Ruck gibt? Lässt die Tatsache, dass er sich eifrig Notizen macht, darauf schließen, dass er durchaus bereit ist, sich von den Anklägern überzeugen zu lassen? Oder Tim Scott, ein Afroamerikaner aus South Carolina. Hört er nicht gerade besonders aufmerksam zu? Der Versuch, die Körpersprache zu interpretieren, die eine oder andere Geste zu enträtseln – dasselbe wie beim letzten Mal.

Einige Senatoren legen Wert darauf, den schönen Schein zu wahren. Die Illusion zu nähren, dass sie unparteiische Juroren sind, frei von allen politischen Einflüssen. Tommy Tuberville, einst Football-Coach in Alabama, hat das mit der Neutralität in mehreren Interviews unterstrichen. Obwohl jeder weiß, dass er seinen gesamten Wahlkampf damit bestritt, seine politische Nähe zu Trump zu betonen. Andere geben sich nicht mal die Mühe, so zu tun, als könnte man sie noch umstimmen. Ted Cruz, der Senator aus Texas, der sich nach Kräften beteiligte an dem Versuch, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl nachträglich zu kippen, spricht ohne jeden Schnörkel von Zeitverschwendung. "Das Ergebnis steht von vornherein fest. Präsident Trump wird freigesprochen."

Doch einiges ist anders als beim letzten Mal. Zum Beispiel weht das Sternenbanner am Kapitol auf halbmast, zum Gedenken an sieben Menschen, die die Attacke auf das Parlament mit ihrem Leben bezahlten. Ein Polizist, Brian Sicknick, wurde am 6. Jänner von Angreifern getötet, zwei weitere Beamte begingen nach dem Trauma Selbstmord. Eine Veteranin der Luftwaffe, Ashli Babbitt, wurde von einem Uniformierten erschossen, eine Anhängerin Trumps von der Menge totgetrampelt. Zwei starben nach Herzattacken. Auch das politische Umfeld ist natürlich ein anderes. Vor zwölf Monaten war Trump noch Staatschef, und zwar einer, der nicht ohne Grund auf die Wiederwahl hoffen konnte, bevor die Pandemie seine Schwächen als Krisenmanager offenlegte.

Ausschluss nach Urteil

Dass er das Weiße Haus verlassen hat, reicht den meisten seiner Parteifreunde offenbar, um einen Freispruch zu begründen: Wer nicht mehr im Amt sei, könne seines Amtes auch nicht mehr enthoben werden. Die Anklage dagegen spricht von einem Mann, der zu gefährlich sei, als dass man ihm jemals wieder ein Amt anvertrauen könne, ihn auch nur in die Nähe der Macht lassen dürfe. Von einem Mann, den man für den Rest seines Lebens für Wahlämter sperren müsse. Letzteres kann der Senat mit einfacher Mehrheit entscheiden. Allerdings setzt es voraus, dass zuvor eine Zweidrittelmajorität die Amtsenthebung beschließt.

Jamie Raskin, der Professor für Verfassungsrecht, der seit vier Jahren Kongressabgeordneter ist, hat es am dritten Verhandlungstag in ein paar polemischen Fragen zusammengefasst. Ob es auch nur einen Politiker in diesem Saal gebe, der glaube, dass Donald Trump nicht mehr zur Gewalt aufstacheln würde, wenn ihm der Senat gestatte, eines Tages zurückzukehren ins Oval Office? "Würden Sie das Leben weiterer Polizisten darauf verwetten? Würden Sie die Sicherheit Ihrer Familie darauf verwetten? Würden Sie Ihre Demokratie darauf verwetten?"

Auf Gewalt zu setzen sei Trumps Verhaltensmuster, sagt Raskin. Schon 2016, im Wahlkampf in Iowa, die Aufforderung, Gegendemonstranten krankenhausreif zu schlagen: "Ich zahle die Anwaltskosten." 2020 höhnische Bemerkungen, nachdem ein rechtsextremistisches Komplott zur Entführung Gretchen Whitmers, der Gouverneurin Michigans, aufgeflogen war: "Vielleicht gab es da ein Problem, vielleicht aber auch nicht." Am 19. Dezember der im Stil eines Wrestling-Managers formulierte Appell an seine Anhänger, am 6. Jänner nach Washington zu kommen: "Es wird wild." Schließlich die Aufforderung, zum Kapitol zu marschieren und wie der Teufel zu kämpfen.

Die Rede, der die Attacke folgte, sei kein Ausrutscher gewesen, betonen die Ankläger. Statt einzugreifen, habe Trump die Marodeure frohlockend gewähren lassen. Deshalb habe er nach deren Eindringen ins Kapitol über zwei Stunden gebraucht, um sie per Video zu bitten, nach Hause zu gehen.

Nicht "irgendein Kerl"

Während Trumps Anwälte von einem Mandanten sprechen, der an jenem 6. Jänner lediglich frei seine Meinung geäußert habe, was sein gutes Recht sei, kontert Joe Neguse, einer der Impeachment-Manager: "Er war der Präsident der Vereinigten Staaten." Trump sei eben nicht "irgendein Kerl" gewesen, der auf einer Kundgebung erschien, um etwas Kontroverses zum Besten zu geben. Er habe Verantwortung getragen, auch für die Sicherheit des Parlaments.

Und während die Verteidigung die These aufstellt, dass ein krimineller Mob so oder so eine Gewaltorgie gefeiert hätte, ob mit oder ohne Trumps Rede, zitiert die Anklage Jacob Chansley. Den Schamanen, der sich mit Fellmütze und Büffelhörnern in den Sessel des Senatsvorsitzenden setzte. Er sei nach Washington gekommen, weil der Präsident alle Patrioten dazu aufgefordert habe, gab Chansley zu Protokoll, als er von Ermittlern des FBI verhört wurde. "Ich hätte nichts dergleichen getan, hätte Trump nicht dazu aufgerufen."

Am zweiten Tag hatten die Ankläger anhand einer Fülle von Bildern, Handyfilmen und Gesprächsmitschnitten dokumentiert, in welcher Gefahr die Volksvertreter, zumindest einige von ihnen, schwebten.

Präsident Trump, zog Stacey Plaskett, eine Demokratin von den Virgin Islands, ein Fazit, habe ein Ziel auf den Rücken dieser Politiker gemalt. Dann sei Trumps Mob ins Kapitol eingefallen, um Jagd auf sie zu machen. Raskin vergleicht es mit dem Fall eines Feuerwehrchefs, den seine Kommune für das Löschen von Bränden bezahle und der Marodeure anstifte, das Theater der Stadt in Brand zu stecken. Und der dann, entzückt zuschaue, wie sich das Feuer ausbreite. (Frank Herrmann aus Washington, 12.2.2021)