Ein Finanzminister, gegen den ermittelt wird; eine Wirtschaftsministerin, die Steuergeld für ein überteuertes Firmenregister verprasst; ein Innenminister, der einen Terroranschlag wohl hätte verhindern können und mit einer Spezialeinheit nächtens Kinder abschieben lässt. Auf der anderen Seite ein grüner Gesundheitsminister, dessen Lack nach Monaten der Pandemie zunehmend abblättert.

Während die Grünen wegen der Regierungsbeteiligung immer mehr Probleme mit der Basis bekommen und in den Umfragen absacken, lag die ÖVP – trotz Rückgängen – zuletzt fast immer noch auf dem Niveau der Nationalratswahl. Die Fehltritte der ÖVP hinterlassen – erstaunlicherweise – gerade einmal Kratzer am Image der Türkisen. Die Grün-Wähler, die die Partei laut Wahlmotivumfragen aufgrund ihrer inhaltlichen Standpunkte wählten, sind zusehend enttäuscht.

Zwischen Grünen und Türkisen gibt es deutliche Gräben.
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Die Grünen brauchen dringend einen Erfolg. In Asylfragen werden sie diesen nicht bekommen, und auch bei anderen Themen stoßen sie bei der ÖVP nicht auf offene Ohren. Bleibt das große Herzensthema: der Klimaschutz. Kann der Juniorpartner hier ausreichend punkten?

Viel Geld für Klimaschutz

Was den Grünen im ersten Regierungsjahr jedenfalls glückte, war, den Geldhahn aufzudrehen. Noch nie gab es ein größeres Budget für den Klimaschutz, wiederholen Parteimitglieder gerne. Das stimmt tatsächlich – im Vergleich zu den Jahren davor. Die von NGOs geforderte Klimamilliarde wurde ebenso lockergemacht wie riesige Summen für Ökoförderungen und Erneuerbare, in die Bahn wird massiv investiert.

"Die Grünen haben im Rahmen der Regierungsbildung einiges hingenommen, um beim Klima etwas zu erreichen", schätzt Wifo-Chef Christoph Badelt die Lage ein. "Dabei müsste es schon längst eine Diskussion über eine ökologische Steuerreform, über eine CO₂-Steuer und ihre sozialen Abfederung geben." Dazu seien die Grünen bislang nur in Ansätzen gekommen, sagt Badelt.

Wifo-Chef Badelt vermisst die Diskussion rund um die Ökosteuerreform.
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Wer sich in der Partei umhört, stößt durchaus auf Stolz auf das bisher umgesetzte Klimaprogramm. Geld ist nicht alles, weiß man aber auch bei den Grünen – und reduziert auch keine Emissionen. "Ein falsches System mit Geld zuzuschütten, das allein ist noch keine Klimapolitik", sagt einer zum STANDARD.

Vieles sei in der Pipeline, ist zu hören: die Novellen des Energieeffizienz- und des Klimaschutzgesetzes zum Beispiel. Offenbar sind die Papiere weitgehend fertig, die Endabstimmung mit dem Koalitionspartner aber noch am Laufen.

Das Hauptthema für das heurige Jahr wird auf jeden Fall der CO₂-Preis sein, der laut Regierungsprogramm bis 2022 eingeführt werden soll. Als rote Linie wollen Grüne das Projekt nicht titulieren, klar sei aber: Ohne CO₂-Preis geht es nicht. Das wisse auch der große Koalitionspartner genau.

Steiler Weg zur Abgabe

Doch der Weg zur geplanten Abgabe ist steil. Von den für 2020 geplanten Punkten der Ökosteuerreform wurde viel weniger umgesetzt als geplant. Die Vereinheitlichung der Flugticketabgabe und auch die Ökologisierung der Normverbrauchsabgabe (NoVa) wurden erledigt. Die Ökoreform des Dienstwagenprivilegs und der Lkw-Maut fehlt noch, vom Kampf gegen den Tanktourismus ist wenig zu sehen. Auch bei der Ökopendlerpauschale steht die Revolution noch aus.

Corona habe vieles verschoben, heißt es vonseiten der Grünen. Hinter vorgehaltener Hand werden aber auch Schwierigkeiten bei den Verhandlungen thematisiert: Dabei sei gar nicht so sehr die ÖVP das Problem, vielmehr würden Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung starken Gegenwind bringen.

Nicht nur die NoVa-Reform hat bei Wirtschaftsvertretern für Ärger gesorgt, sondern auch die Investitionsprämie. Dass diese die Förderung von Fossilen ausschließt, sei ein harter Verhandlungsbrocken gewesen. Offenbar war das Gegenteil gewünscht – eine Abwrackprämie.

Für die Nova-Reform waren zähe Verhandlungen notwendig, heißt es bei den Grünen.
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Auch die Hürden der Realpolitik dürften groß sein. Mit der Materie Vertraute beschreiben es so: Es ist, als würde man mit Fingernägeln Millimeter für Millimeter durch einen Berg wühlen. Jahrzehntelanges Nichtstun im Klimaschutz sei nicht von einem Tag auf den anderen umzukrempeln.

Große Brocken stehen für heuer auf jeden Fall an: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler will das 1-2-3-Ticket unter Dach und Fach bringen, wo es nach wie vor an der Finanzierung in den Ländern hapert. Auch das von den Grünen geplante und von der WKO geächtete Plastikpfand soll ins Finale gehen. Allerdings hatte die Grünen-Spitze bereits im Herbst den Durchbruch verkündet.

Und der CO₂-Preis? Über diesen ist beinahe nichts bekannt. Die Gespräche dazu finden hinter verschlossenen Türen statt. Die sogenannte Taskforce Ökosteuerreform von Finanz- und Klimaschutzministerium ist eine Blackbox, über deren Treffen wird nicht gesprochen. Aus dem Klimaressort hieß es auf Nachfrage, dass schon viele Gespräche stattgefunden hätten, man die Inhalte aber nicht veröffentlichen könne. Das Finanzministerium reagierte auf eine entsprechende Anfrage erst gar nicht.

Keine Eile beim CO₂-Preis

Bei der CO₂-Steuer habe die Volkspartei keine Eile, ist zu vernehmen. Schließlich stehen heuer Wahlen in Oberösterreich und Kärnten an, da gilt es zu punkten. Auch die Pläne des Ökosozialen Forums, in dessen Vorstand namhafte ÖVP-Leute sitzen, deuten auf ein Hinauszögern hin.

In einem noch nicht veröffentlichten Papier hat sich der Verein Gedanken über eine mögliche Ausgestaltung des CO₂-Preises gemacht. Generalsekretär Hans Mayrhofer gab dem STANDARD erste Einblicke. Das Modell sieht einen CO₂-Preis ab 2023 vor, andere Ökosteuern sollen anscheinend eher zurückgefahren werden. Einnahmen sollen in den Umstieg auf Erneuerbare fließen, nicht aber als Ökobonus ausgeschüttet werden.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler will heuer Plastikpfand, 1-2-3-Ticket und die CO2-Steuer umsetzen.
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Beim Thema Energie scheiden sich die Geister ebenfalls. Die ÖVP drängt auf Wasserstoff, Wasserkraft und grünes Gas; die Grünen wollen Sonnen- und Windenergie stärker in den Fokus rücken. Für 2021 steht außerdem noch eine weitere große Entscheidung an: Bis Ende April muss die Regierung nach Brüssel melden, welche Maßnahmen sie im Rahmen des Wiederaufbaufonds einreichen will. Der Topf ist mit 3,3 Milliarden Euro üppig gefüllt. Wie zu hören ist, wollen die Grünen hier neue, nachhaltige Projekte einreichen, die Volkspartei aber lieber Bestehendes finanzieren – oder den Fördertopf ganz ignorieren.

Unterm Strich werden die Grünen ihrem Koalitionspartner heuer wohl deutlich stärker die Stirn bieten müssen, um das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen. Dass die ÖVP derzeit ihre ganze Energie in Interna stecken muss, könnte dabei sogar hilfreich rein. (Nora Laufer, 13.2.2021)