Im Gastkommentar fordert der Schriftsteller und Blogger Alois Schöpf einen gepflegten, diplomatischen Umgangston in der Tiroler Politik ein, nicht beschämende Selbstpräsentation.

Die Ansteckungszahlen sind hoch, der Lockdown Geschichte – nur für wie lange? Die Sorge vor der Corona-Mutation, die es in Tirol gibt, ist groß.
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Innsbruck ist eine Universitätsstadt mit 34.000 Studenten. Die Klinik Innsbruck mit ihren Ärztinnen und Ärzten genießt einen ausgezeichneten Ruf. Tirol beheimatet zahlreiche innovative Firmen mit intelligente Unternehmerinnen und Unternehmer, die intellektuell den Anforderungen eines globalen Marktes gewachsen sind. Dies trifft durchaus auch auf Teile des Tourismus zu, dem es vor allem im Winter gelang, aus unwirtlichen Geröllhalden im Hochgebirge ein großes Geschäft zu machen. Aus Tirol kommen aber auch bedeutende Künstler, Schriftsteller, Musiker und vor allem Maler und Bildhauer. Und es kommen, man staunt oft, aus dem Land Naturwissenschafter mit internationaler Reputation.

Mit all diesen Damen und Herren und den Zeitgenossen jenes städtischen Milieus, in dem sie meist leben und arbeiten, hat die Tiroler ÖVP die Wahlen noch nie gewonnen. Die wurden auf dem Land und von denen auf dem Land entschieden, siehe Peter Plaikner dazu kürzlich an dieser Stelle ("Günther Platter – der Stehauf-Landeshauptmann").

Feste aller Art

Entsprechend wird dieser Klientel auch gehuldigt. Kein Schützenfest, kein Musikfest und kein Feuerwehrfest, bei dem nicht einer unserer Provinzpolitiker auftaucht, um nach der Feldmesse und nach der Begrüßung der hohen Geistlichkeit die Frohbotschaft vom "Mia sein mia!" und "Bisch a Tiroler, bisch a Mensch ..." zu verkündigen, sich danach an einen der Tische zu setzen und unter Gleichen mit Gleichen in etwa die gleiche Menge Bier in sich hineinzuschütten.

"Die Wahlen wurden auf dem Land entschieden. Entsprechend wird dieser Klientel auch gehuldigt."

Leider haben unsere gewählten Herrscher vor diesem Hintergrund nicht begriffen, dass die Corona-Pandemie und die Maßnahmen, sie zu bekämpfen, nichts mit einem Zeltfest zu tun haben. Dies gilt vor allem für einen Herrn Christoph Walser, Tiroler Wirtschaftskammerpräsident, der angeblich Landeshauptmann werden will und sich mit seinem Spruch "Die werden uns noch kennenlernen" ein Politikgenie wie Frau Klaudia Tanner, Verteidigungsministerin, zum Vorbild genommen hat. Es gilt aber auch für einen gewissen Herrn Erwin Zangerl, Tiroler AK-Präsident, der vor sich hin brummelte, man möge die Tiroler nicht wie Pestkranke behandeln. Und es gilt für einen gewissen Herrn Franz Hörl, Landesobmann des Tiroler Wirtschaftsbundes und Sprecher der Seilbahnlobby, der mit seiner Aufforderung, Wien möge in Richtung Tirol nicht rülpsen, das Gemeindeamt im hintersten Zillertal mit dem Staat Österreich verwechselt hat.

Höhere Ausformung

Entsprechend vergaßen die Genannten auch, dass der rassistische Glaube, man sei ein Tiroler und daher eine höhere Ausformung des Homo sapiens, im Verkehr mit den Verantwortlichen der Republik, vor allem aber im Verkehr mit den europäischen Nachbarn als Kommunikationsbasis nicht ausreicht. Dazu würden schon eher ein gepflegter und diplomatischer Umgangston gehören, die Beherrschung der nur noch leicht vom Dialekt eingefärbten deutschen Sprache unter besonderer Berücksichtigung einer korrekten Grammatik, aber auch die Fähigkeit, auf Basis der seit den alten Griechen anerkannten Logik zu argumentieren und die von einem gewissen Andreas Hofer in Mode gebrachte grundsätzliche Widerständigkeit und Opferrolle nicht als Ersatz für naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu nehmen.

Inzwischen ist man es als urbanisierter Tiroler ja gewöhnt, erschrocken zurückzuzucken, wenn der ORF in einer seiner Diskussionen einen Landsmann oder eine Landsfrau als Diskussionsteilnehmer oder -teilnehmerin ankündigt. Die Peinlichkeit, wieder einmal Zeuge unreflektierter Tirolerei zu werden, ist abzusehen.

Ewiger Prominenter

Ausdrücklich nicht, um doch mit etwas Positivem abzuschließen, gelten solche Ängste für einen Franz Fischler, den man in vielen Punkten durchaus kritisch sehen kann, was nichts daran ändert, dass er einer jener wenigen Tiroler Politiker ist, die mit wachem Verstand und Bildung bei gleichzeitig regionaler Einfärbung auch überregional in Erscheinung treten können. Bleibt nur die Frage, weshalb man ausgerechnet ihm in Tirol die Rolle des ewigen Prominenten und gewesenen EU-Kommissars überließ, statt ihn damit zu beauftragen, eine Führungsposition im Lande einzunehmen, und damit eine Selbstpräsentation, für die wir uns in den letzten Tagen nur noch schämen konnten, erst gar nicht aufkommen zu lassen. (Alois Schöpf, 13.2.2021)