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Am Freitag ging Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) in die Offensive: In einem Pressegespräch und einem "Zib 2"-Interview wies er alle Vorwürfe gegen sich scharf zurück: Er wisse, dass sich die Vorwürfe gegen ihn "rasch aufklären" ließen. Aus seiner Erfahrung im Außenministerium – er war von 2009 bis 2011 "Referent", dann noch zwei Jahre im Kabinett – wisse er, dass es ganz normal sei, heimischen Unternehmen bei Problemen im Ausland zu helfen.

In diese Kategorie ordnete Blümel im Juni 2017 auch das Ansinnen des damaligen Novomatic-Chefs Harald Neumann ein, der bei ihm um einen Termin beim damaligen Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) rund um Probleme in Italien ansuchte. Gefragt, warum sich Neumann ausgerechnet an Blümel, damals nicht-amtsführender Stadtrat und ÖVP-Landesparteichef in Wien, gewandt hat, wusste Blümel keine Antwort.

Möglicherweise hing das damit zusammen, dass Neumann und Blümel alte Bekannte sind. Darauf weist auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hin. In jenen Unterlagen, die die Hausdurchsuchung am Donnerstag bei Blümel mitausgelöst haben, rekonstruiert sie die Beziehung des heutigen FInanzministers und des damaligen Managers.

Die beiden hatten seit Jahren Kontakt, schon bevor Neumann und Blümel "in ihre derzeitigen beruflichen Positionen kamen". Penibel listen die Staatsanwälte Treffen auf, die in Neumanns Kalender notiert waren: Am 5. Juni 2012 wollte man einander in einem Restaurant in der Marc-Aurel-Straße in der Wiener City treffen; im Jänner 2014 in einem Wiener Luxushotel frühstücken. Manchmal vereinbarte man auch Meetings im Prater, zum Beispiel am 21. Februar 2014: Da hatten die beiden laut Kalender ein Mittagessen im dortigen Admiral Casino.

Ein Brief über Blümel

Neumann wandte sich in ganz unterschiedlichen Belangen an den Obmann der Wiener Volkspartei und nunmehrigen Finanzminister: Das zeigt eine Korrespondenz aus dem Jänner 2014. Damals liefen im Zusammenhang mit der Telekom-Affäre Ermittlungen gegen Neumann. Der wollte dem damals neuen Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) einen Brief zukommen lassen, wie er einem früheren hohen Beamten des Justizministeriums schriftlich mitteilte.

Wer sollte diesen Brief überbringen? Neumann: "Habe an Mag. Blümel gedacht, ist neuer ÖVP Bundes Gf (Bundesgeschäftsführer; Anm.) und hat dabei direkten Zugang, oder hast du eine bessere Idee?" In seiner Befragung im U-Ausschuss im Sommer 2020 konnte sich Blümel an keinen solchen Brief erinnern, er "wüsste auch nicht", warum Neumann über ihn intervenieren sollte. Den erwähnten Brief fand auch die WKStA nicht. Die Angelegenheit könnte sich damals auch dadurch erledigt haben, dass die Ermittlungen gegen Neumann im Frühjahr 2014 eingestellt wurden.

Auch in privaten Dingen suchte Neumann Rat und Tat: Am 6. Dezember 2017 deponierte er bei Blümel an, dass seine Freundin ("du hast sie einmal im FC (Fitnesscenter, Anm.) gesehen"), die derzeit ein Praktikum mache, "einen Job brauchen würde. Glaubst du gibt es eine Möglichkeit, im Gesundheits- oder Landwirtschaftsministerium im Bereich der Kabinetten (sic)?" Eine halbe Stunde später antwortete Blümel, sie solle ihm ihren Lebenslauf schicken und "ich schau mal! LG Gernot"

"Einige Troubles"

Tags darauf ging es wieder um Berufliches: Neumann schilderte von "einigen Troubles". Er berichtete dem damaligen nicht-amtsführenden Wiener Stadtrat von arbeitsrechtlichen Problemen einer hochrangigen Mitarbeiterin in den Casinos Austria. In deren Aufsichtsrat hatte der damalige Novomatic-Chef damals Sitz und Stimme. Als Beleg für die "Troubles" schickte er Blümel einen Screenshot – "streng vertraulich" – mit, den er, zuvor von einem Casinos-Aufsichtsratsmitglied in diesem Zusammenhang erhalten hatte. Ungefähr zwei Stunden später gab er Entwarnung: Die Sache sei erledigt, es gelte nun eine "Mediengeschichte" über die Angelegenheit "in den Griff zu bekommen". Blümels Antwort: "Wir versuchen."

Eine dieser Konversationen löste die aktuellen juristischen Probleme von Finanzminister Blümel aus: Am 12. Juni 2017 schrieb ihn Neumann an, um einen Termin bei Kurz zu bekommen. Es ging um "erstens Spende und zweitens ein Problem, das wir in Italien haben". Offenbar erwartete sich Neumann Hilfe aus Außen- oder Finanzministerium. Blümel bat den damaligen Finanz-Kabinettschef Thomas Schmid, Neumann zurückzurufen. Später am Abend bedankte sich Blümel bei Schmid, der antwortete: "Bei 40 Mio Steuer Nachzahlung würde ich mich auch anscheißen :)". Neumann hält heute fest, eine "etwaige Spende – insbesondere in Zusammenhang mit einer allfälligen Thematik mit Italien – zu keiner Zeit versprochen, angeboten oder auch nur in Aussicht gestellt" zu haben.

Das bunte Netzwerk der Novomatic

Die Lösung des "Problems in Italien" war für die Novomatic auch deshalb sehr wichtig, weil der Konzern damals Börsenpläne hegte. Man suchte dafür auch bei ehemaligen Regierungsmitgliedern Unterstützung. So wandte sich die Novomatic an den ehemaligen SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, mittlerweile als gut vernetzter Berater aktiv. Am 10. Juli 2017, schrieb ein hoher Novomatic-Manager Gusenbauer an, bezog sich auf die "heute mit Herrn Neumann besprochene Steuerthematik in Italien". Zur "Presse" sagte Gusenbauer, er sei in dem Fall nicht aktiv geworden.

Im bunten Netzwerk der Novomatic befand sich ab März 2018 auch die ehemalige Grünen-Chefin Eva Glawischnig, als Chefin der Stabstelle für "Nachhaltigkeitsmanagement und verantwortungsvolles Spiel" in der Novomatic. Am Tag der Bekanntgabe des Jobs für die frühere Glücksspielkritikerin schrieb der damalige Novomatic-Pressesprecher an Neumann: "Alle Gutmenschen haben heute Schnappatmung." Fünf Tage später meldete sich Glawischnig bei Neumann und erzählte von einem Termin bei "VdB", also Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Dort habe sie ihm "Novo als Unternehmen näher gebracht" und ihn "zur Casag-Frage sensibilisiert". Zur "Krone" sagte Glawischnig, sie wollte mit Van der Bellen "über meinen neuen Arbeitgeber reden. Warum ich das mache etc.". Das bestätigte auch der Bundespräsident.

Die "Casag-Frage"

Die in Glawischnigs Nachricht angesprochene "Casag-Frage" hatte einen wirtschaftlichen Hintergrund und einen politischen Impact: Es ging nach dem Einstieg der tschechischen Sazka-Gruppe in die Casinos Austria AG (Casag) Anfang 2018 um Anteile und Postenbesetzungen, die später zu einem massiven Streit zwischen den Eigentümern Sazka, Novomatic und Republik Österreich (Öbib/Öbag) führen sollte.

Politisch und nach außen hin sichtbar explodierte das im Frühjahr 2019. Damals wurde der Casag-Vorstand umgebaut, der frühere blaue Wiener Bezirksrat Peter Sidlo wurde zum Finanzvorstand bestellt – aus diesem Vorgang sollte bald darauf die Causa Postenschacher werden. Der grundlegende Vorwurf: Diese Personalie sei Teile eines "Deals" zwischen Novomatic und der FPÖ gewesen, bei dem es um Lizenzen und Glücksspielgesetzgebung gehen sollte. Sowohl die FPÖ als auch die Novomatic bestreiten diese Vorwürfe der WKStA.

Gechattet wurde auch in der ÖVP über Sidlo, und zwar schon im Februar 2018. Da berichtete ein Kabinettsmitarbeiter im Finanzministerium an Generalsekretär Thomas Schmid: "Sidlo ist clean". Das hat sich wohl auf Sidlos Entsendung in den Generalrat (Aufsichtsrat) der Oesterreichischen Nationalbank bezogen; dorthin hatte die türkis-blaue Regierung unter Sebastian Kurz den freiheitlichen Sidlo gleichzeitig mit der ehemaligen ÖVP-Vizeparteichefin und Casinos-Managerin Bettina Glatz-Kremsner geschickt.

Das Ibiza-Video

Die türkis-blaue Zusammenarbeit endete, als im Mai 2019 das Ibiza-Video publik wurde. Darin sagte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die Novomatic "zahlt alle". Das hat er später zurückgezogen, auch Novomatic weist das von sich. Genau diese Frage ist nun wieder akut, allerdings geht es nun um die ÖVP. Denn die Nachricht von Neumann an Blümel rund um "Spende" und "Problem in Italien" fiel genau in jene Zeit, in der die "ÖVP neu" für eine Finanzierung des Nationalratswahlkampfs 2017 Spenden sammelte.

Damals hatte Kurz gerade die Parteiobmannschaft von Reinhold Mitterlehner übernommen. Die Akten liefern Hinweise auf einige Treffen zwischen dem damaligen Außenminister Sebastian Kurz und Novomatic-Mitarbeitern. Pressesprecher Bernhard K. notierte zwei Termine bei Kurz im Außenministerium, nämlich am 24. Mai 2017 und am 6. Juni 2017. Novomatic-CEO Neumann wurde von einer PR-Managerin am 31. Mai zu einem "Frühstück mit Kurz" eingeladen; im Herbst von Kurz’ Beraterin Antonella Mei-Pochtler zu einem Dinner über "politische Prioritäten von Sebastian Kurz". Ob all diese Termine wahrgenommen wurden, ist unklar.

Auch Kurz droht mit rechtlichen Schritten

Auf STANDARD-Anfrage hieß es dazu am Samstag von einem Sprecher des Bundeskanzlers: "Nachdem schon Sebastian Kurz mit Martina Kurz verwechselt wurde und es kein Treffen mit Johann Graf gab, werden jetzt weitere Termine falsch dargestellt. So war der Kanzler bei einem genannten Termin nachweislich gerade in einer Wahl-Konfrontation live im TV. Zudem werden andere Kalendereinträge als Termine im Sinne einer Besprechung oder eines vertraulichen Gesprächs dargestellt, obwohl es Veranstaltungen, eine davon mit bis zu 100 Personen, waren." Man weise darauf hin, "dass wir in Anbetracht der vielen falschen Vorwürfe, die erhoben wurden, rechtliche Schritte setzen werden, wenn der Eindruck erweckt wird, dass bei diesen Veranstaltungen strafrechtlich relevante Handlungen gesetzt oder unterstützt worden wären."

Die ÖVP bestreitet jedenfalls, unter der Obmannschaft von Kurz Spenden aus der Glücksspielbranche erhalten zu haben. Blümel selbst legte eine eidesstättliche Erklärung vor, derzufolge mit ihm assoziierte Vereine ebenfalls kein Geld der Novomatic erhalten hatten. Welche Spende Neumann in seiner Nachricht an Blümel meinte, konnte der Finanzminister in der ZIB2 nicht beantworten. Auch Neumann soll sich nicht mehr daran erinnern. (Renate Graber, Fabian Schmid, 13.2.2021)