"Die Recherche-Show" im Volkstheater Wien.

Nikolaus Ostermann

Wirtschaftswunderprodukte und deren Erfinder wie Red Bull und Dietrich Mateschitz ziehen früher oder später und notwendigerweise das Interesse auf sich. Bei einer österreichischen Weltmarke wird man ja mal nachfragen dürfen. Darf man offenbar nicht. Zumindest ist Verschwiegenheit das Markenzeichen des Konzernchefs. Man kommuniziert ungern, wie Medien immer wieder feststellen müssen, jetzt auch das Investigativ-Magazin Dossier.

Es hat sein jüngstes Heft dem Red-Bull-Konzern gewidmet. Fakten und Einordnungen kann man auf 100 Seiten lesen oder sich in Theaterform ansehen. Die Recherche-Show von Kreation Kollektiv ist eine Zusammenarbeit des Wiener Volkstheaters und des Grazer Theater im Bahnhof und hatte am Freitag digitale Uraufführung in der Schiene "Volkstheater in den Bezirken", die ungeachtet der Renovierungsarbeiten am Haupthaus im September startete.

Didaktik und Glitzer

Die Show verhandelt Neues, Altes, Verschwiegenes und Vergessenes aus der Red-Bull-Story und ist ein Appetitanreger für die Dossier-Lektüre. Regisseur Ed. Hauswirth legt Maß an handelsüblichen Showformaten – mit zugkräftiger Moderatorin, Gästecouch und Keyboardmusik. Dossier-Journalist Georg Eckelsberger ist für den Red-Bull-Faktencheck zugeschaltet und Anker dafür, dieser Show auch Dokumentarisches zu unterstellen.

Sie besteht aus 40% Recherchematerial und Didaktik, 30% Fiktion und Poesie, 20 % Red Bull und 10% Glitzer. Bei Moderatorin Pia Maria (Pia Hierzegger) nehmen Platz: der Dietrich-Mateschitz-Versteher Rupert Michael (Rupert Lehofer), die Red-Bull-Aussteigerin Julia Franz (Julia Franz Richter) und die einfühlsame Liedpoetin Martina Walter (Martina Zinner).

Energie aus Thailand

Dabei kommt nichts Überraschendes, aber doch Bemerkenswertes aufs Tapet: Zum Beispiel, dass Red Bull gar nicht von Mateschitz erfunden wurde, sondern vom thailändischen Geschäftsmann Chaleo Yoovidhya, der wiederum einen Energydrink aus Japan weiterentwickelt hatte. Oder: Dass Red Bull seinen Weltumsatz doch nicht zur Gänze in Österreich versteuert, wie behauptet, sondern Tochterfirmen in Steuerparadiesen wie den Cayman Islands, Dubai, Hongkong oder Panama gemeldet hat. Oder auch, drittens, wie die bis in die Spitzenpolitik reichende Lobbyarbeit weltweit im Dienst der Dose moralisch nicht immer hochstehend wirksam wird (z.B. Steuerschonung oder ausgebremste Gesundheitsbedenken).

Zur Selbstreflexion wird indes auch das Internet-Publikum gebracht. Es muss beim Ankreuzen der Wahrheit ins Auge blicken: Trinke ich Red Bull a) nie, b) gelegentlich oder c) jetzt gerade. Den stärksten Eindruck in dieser, an die Trashtheaterzeiten der 1990er erinnernden, eine ironisch-sarkastische Aufklärerrolle einnehmenden Show hinterlässt aber die Erzählung darüber, wie der Servus TV-Senderchef Ferdinand Wegscheider auf Rechercheversuche von Dossier reagiert hat (der Standard berichtete). Vorschläge für nachfolgende Recherche-Show-Folgen gab es prompt aus dem Chat: Glock, Novomatic, Gernot Blümel. (afze, 14.2.2021)