Ex-Präsident Donald Trump nannte das Impeachment-Verfahren eine Hexenjagd.

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Washington – Donald Trump ist freigesprochen worden. Und dennoch hat er verloren. Theoretisch kann er sich zwar noch an die Hoffnung klammern, 2024 mit einer zweiten Kandidatur fürs Weiße Haus ein glänzendes Comeback zu feiern. Nach aktuellem Stand kann ihn nichts daran hindern, seinen Hut erneut in den Ring zu werfen. Da sich im Senat keine Zweidrittelmehrheit für ein Schuldurteil fand, ist der Kammer der Weg versperrt, ihn in einem nächsten Schritt mit einfacher Mehrheit für Wahlämter auf Bundesebene zu sperren. Trump bleibt also im Rennen. Ihn abzuschreiben wäre ein Fehler, doch die Chancen, dass er sich noch einmal an die Spitze des Feldes setzt, sind nach diesem Impeachment-Prozess deutlich geringer, als sie es vorher waren.

Nicht dass die Republikanische Partei keine Trump-Partei mehr wäre. Zu großen Teilen ist sie es noch. Das, und nur das, erklärt den Freispruch. Die Angst, bei den nächsten Vorwahlen abgestraft zu werden von einer Basis, die Trump noch eine Weile die Treue halten dürfte, hat viele Senatoren daran gehindert, sich offen gegen ihn zu stellen. Die Begründung, ein Impeachment stehe im Widerspruch zur Verfassung, wenn der Angeklagte sein Amt schon nicht mehr ausübe, war dabei nur das sprichwörtliche Feigenblatt. Es gibt Präzedenzfälle, auf die man sich hätte berufen können, um einen Politiker auch dann schuldig zu sprechen, wenn sein Nachfolger bereits vereidigt ist. Eine Mehrheit der Republikaner war nicht ernsthaft bereit, darauf einzugehen. Sie brauchte einen Vorwand, denn in der Sache, den Fakten nach, fehlten ihr die Argumente.

Pence in Gefahr

Den Sturm auf das Kapitol hätte es nicht gegeben, hätte Trump nicht wochenlang die Lüge von der gestohlenen Wahl wiederholt und einen gewaltbereiten Kern seiner Anhänger schließlich derart in Rage gebracht, dass die Attacke die logische Folge war. Nicht nur das haben die Ankläger nachgewiesen, sie haben auch überzeugend belegt, dass Trump gar nicht daran dachte, den Brand, den er selbst entfacht hatte, schnellstmöglich zu löschen. Mag sein, dass ihn überraschte, mit welcher Wucht die Angreifer gegen das Parlament anrannten. Nur mal angenommen, er hatte, wie es die Verteidigung behauptete, nichts damit zu tun. Hätte er dann nicht sofort einschreiten müssen? Stattdessen sah er zwei Stunden lang zu, tatenlos und offenbar schadenfroh.

Aus Telefonaten mit Parteifreunden, die ihn vom Tatort aus informierten, wusste er, zumindest ahnte er es, in welcher Gefahr sein Vizepräsident schwebte, nachdem dieser aus der Senatskammer evakuiert werden musste. Jener Mike Pence, der sich weigerte, das Wahlergebnis durch Verfahrenstricks nachträglich zu kippen und gegen den er deswegen in Tweets hetzte, auf die der Mob mit der Parole "Hängt Mike Pence!" antwortete. Statt zumindest in dem Moment alles zu tun, um die Randale unter Kontrolle zu bringen, machte er dem führenden Republikaner des Repräsentantenhauses am Handy zum Vorwurf, dass er, Kevin McCarthy, sich offenbar nicht so sehr über den Ausgang der Wahl ärgere wie "diese Leute". Und Pence, vier Jahre lang bis zur Selbstverleugnung loyal gegenüber seinem Chef, wurde ohne Skrupel zur Zielscheibe erklärt, als er Widerspruch wagte. Er sollte büßen, weil er sich an der Brandstiftung nicht länger beteiligen wollte.

Kein wochenlanger Prozess

Als das bewiesen wurde, war es der wohl dramatischste Moment des Verfahrens. Wer weiß, wie es weitergegangen wäre, hätte man Jaime Herrera Beutler, die Republikanerin aus dem Pazifikstaat Washington, die es bezeugen konnte, als Zeugin vorgeladen. Wer weiß, was dann noch alles aufgedröselt worden wäre. Die Anklage, die den Antrag zunächst stellte, hat ihn schließlich aus politischen Erwägungen zurückgezogen. Die Demokraten wollten keinen wochenlangen Prozess, der den Senat davon abgehalten hätte, sich mit Joe Bidens Agenda zu beschäftigen. Zugespitzt formuliert: Die Tatsache, dass Biden Vollgas geben möchte, hat Trump weitere Enthüllungen erspart.

Politisch hat er jedenfalls verloren, der Milliardär, der sich aus dem Strandclub Mar-a-Lago zu Wort meldete und, wie schon so oft, von einer Hexenjagd sprach. Etliche der 74 Millionen Amerikaner, die ihm im November den Zuschlag gaben, dürften nachdenklich geworden sein, ihr Votum vielleicht sogar bereuen. Wenn immerhin sieben Republikaner mit den 50 Demokraten für einen Schuldspruch stimmen, dann sind das sechs mehr als am Ende der ersten Impeachment-Prozedur vor einem Jahr. Wenn Mitch McConnell, der Fraktionschef der Konservativen, hinterher ausdrücklich betont, Trump habe die Ereignisse am 6. Januar praktisch wie moralisch zu verantworten, lässt das ohne Zweifel Distanz erkennen. Nur dass McConnell nicht den Mut zur letzten Konsequenz aufbrachte, die Courage eines Mitt Romney oder eines Bill Cassidy.

Cassidy, ein Senator aus Louisiana, vertritt einen Staat, den Trump im November mit fast zwanzig Prozent Vorsprung vor Biden gewann. Seine Entscheidung dürfte ihm das Leben in Louisiana vorerst kaum leichter machen. Dass er dennoch nach seinem Gewissen handelte und nicht nach dem Kalkül politischer Bequemlichkeit, lässt hoffen. Eine – noch relativ kleine – Fraktion der "Grand Old Party" scheint gerade dabei, sich ein Rückgrat wachsen zu lassen. (Frank Herrmann aus Washington, 14.2.2021)