Der neue Ministerpräsident verzichtet auf einen Pressesprecher und auf Twitter und Co.

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Twitter und Facebook? Nein Danke! Italiens neuer Premier Mario Draghi meidet soziale Netzwerke und scheint in Sachen Kommunikation eine neue Ära der schlichten Sachlichkeit einschlagen zu wollen. Der Ex-Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) besitzt keinen Account in den bekanntesten sozialen Netzwerken Twitter und Co. und hat keinen Medienstrategen engagiert. Nicht einmal einen Pressesprecher hat der 73-Jährige bisher an seiner Seite.

Kein Pressesprecher

"Wer ist Draghis Sprecher?", fragen sich politische Berichterstatter derzeit in Rom besorgt und wissen nicht, wie sie den Regierungschef kontaktieren sollen. Während Draghis Vorgänger Giuseppe Conte auf allen Social-Plattformen sehr präsent war und sich dort gern auch von der privaten Seite zeigte, glänzt Draghi mit Reserviertheit und Wortknappheit. Bei der feierlichen Angelobung seiner technokratisch-politischen Regierung im Palast des Staatschefs am Samstag begnügte er sich damit, die Vereidigungsformel abzulesen. Auch bei der ersten Ministerratssitzung hielt sich der neue Premier knapp. Schon während der Verhandlungen zur Regierungsbildung hatte sich Draghi äußerst verschwiegen gezeigt. Über den Verlauf der Regierungsgespräche waren auch kaum Informationen durchgesickert.

Das ist ein wesentlicher Wechsel im Vergleich zum Stil von Draghis Vorgänger Giuseppe Conte, der mithilfe seines Pressesprechers Rocco Casalino, einst Teilnehmer an der Reality-TV-Show "Big Brother", die Italiener mit Informationen über seine tägliche Arbeit regelrecht bombardierte. "Nach Contes Kommunikationsorgie wird es still im Regierungspalast", kommentierten Medienexperten den neuen Kurs in Rom. Draghi wird auch als Kontrast zu Staats- und Regierungschefs wie US-Präsident Donald Trump, die ihren politischen Erfolg auf ihre Kommunikation über die sozialen Medien aufgebaut haben, dargestellt.

Minister verzichten auch großteils

Ohne Twitter- und Facebook-Account leben auch die acht Fachleute, die Draghi in die Regierung gehievt hat, angefangen vom neuen Wirtschaftsminister Daniele Bianchi, von der neuen Justizministerin Marta Cartabia, und der im Amt bestätigten Innenministerin Luciana Lamorgese. Einzige Ausnahme ist der neue Minister für die technologische Innovation, Telekom-Manager Vittorio Colao, der zwar auf Facebook präsent ist, darauf aber lediglich ein paar Fotos über seine Leidenschaft, das Radfahren, postet.

Anders sieht die Lage bei den politischen Ministern in Draghis Regierungsmannschaft aus. Außenminister Luigi Di Maio, Spitzenpolitiker der populistischen Fünf Sterne-Bewegung und mit 34 Jahren jüngstes Regierungsmitglied, zählt auf Twitter 700.000 Follower. Auch die Lega, die drei Minister in die Regierung hieven konnte, ist sehr in den sozialen Netzwerken aktiv. Die Lega-Truppe in der neuen Regierung Draghi führt die Nummer zwei der Partei Giancarlo Giorgetti als neuen Industrieminister. Giorgetti zählt jedoch zu den verschwiegensten Spitzenpolitikern der rechtspopulistischen Partei. Ganz im Gegensatz zu seinem Parteichef Matteo Salvini, der mit Videobotschaften, Liveschaltungen und effekthaschenden Slogans seit Jahren eine gezielte Kommunikationsstrategie führt. (APA, 15.02.2021)