Ein Ausschnitt aus "1984", der Verfilmung des dystopischen Orwell-Klassikers, die im titelgebenden Jahr erschien.

Foto: Metro Goldwyn Mayer

Mit einem Chip und Elektroden, die direkt ins Gehirn implantiert werden, soll Neuralink unter anderem helfen, Erkrankungen wie Schizophrenie praktisch zu "heilen". Das System, dessen Entwicklung von Tesla-Chef Elon Musk vorangetrieben wird, ist aber nur eines von mehreren vielversprechenden "Brain-Computer Interfaces" (BCI), also Schnittstellen zwischen dem menschlichen Denkapparat und Computern.

Zugrunde liegen diesen Entwicklungen Verbesserungen bei der Hardwareentwicklung und neue Erkenntnisse der Neurowissenschaften. Immer mehr körperliche Signale werden entschlüsselt und erlauben die Entwicklung einer faszinierenden Technologie, dank der etwa körperlich eingeschränkte Personen einen PC mit Gedanken steuern können. Doch der Fortschritt wirft auch wichtige Fragen auf. Denn wo bleibt die Privatsphäre, wenn Computer unsere Gedanken lesen können?

Emotionsmessung per WLAN

Was im Labor bereits möglich ist, zeigen etwa Forscher der Queen Mary University in London, berichtet "Venturebeat". Dort hat man ein neuronales Netzwerk entwickelt, das in der Lage ist, mithilfe von herkömmlichen Funksignalen den emotionalen Zustand von Menschen zu messen. Durch die Auswertung der Reflexion von Radiowellen konnte man Informationen über Puls und Atmung gewinnen und damit bestimmen, wie sich Probanden gerade fühlten, ohne dabei etwa ihren Gesichtsausdruck erfassen zu müssen. Erkannt werden konnten vier "Grundzustände": Ärger, Trauer, Freude und Vergnügen.

Nun möchte man herausfinden, ob sich ein solches System einfach in Geräte wie WLAN-Router integrieren lässt. Das könnte eine weite Reihe von Einsatzfeldern eröffnen, ohne dabei das Budget zu strapazieren. Im Gesundheitsbereich könnte es etwa helfen, depressive Zustände zu erkennen. Die Wissenschafter sehen zudem Potenzial im Personalmanagement. Zum Beispiel, um festzustellen, wie neue Regeln bei ihrer Vorstellung in einem Meeting aufgenommen werden, ohne sich dabei nur auf das verlassen zu müssen, was die Teilnehmer sagen.

Man möchte sich aber auch der Akzeptanz solcher Implementationen und ethischen Problemstellungen widmen. Und mit diesen ist zu rechnen, erinnert die Technologie doch auch an dystopische Filme, in denen die Gedanken der Menschen wider ihren Willen kontrolliert werden.

Hirnwellenmessung trifft KI

Dabei waren die Anfänge der Technologie bescheiden. Durch die Messung und Auswertung von Hirnsignalen mittels Elektroden am Kopf wurden ursprünglich einfache Eingabemöglichkeiten realisiert. 2016 war man an der University of Arizona bereits so weit, Probanden mit einer Elektrodenkappe mehrere Drohnen gleichzeitig steuern zu lassen, indem sie einfach nur an die gewünschte Bewegungsrichtung dachten. An der University of South Florida werden auf diese Art mittlerweile Drohnenrennen geflogen.

Bringt man künstliche Intelligenz und Deep Learning ins Spiel, wachsen die Möglichkeiten dramatisch an. Hier wird etwa an Systemen geforscht, die stumme Menschen mithilfe eines Sprachcomputers nur kraft ihrer Gedanken sprechen lassen. Musks Neuralink soll sogar viel mehr werden als ein reines Hilfsmittel. Das Implantat, so die Vision des umstrittenen Tech-Entrepreneurs, werde eines Tages gar unerlässlich für Menschen sein, wenn sie mit KI mithalten wollen. Noch heuer sollen erste klinische Tests mit Menschen beginnen.

Vorsicht angebracht

Kein System ist freilich auch nur ansatzweise so weit, unsere genauen Gedanken erfassen zu können. Doch angesichts des rasanten Fortschritts ist längst nicht mehr auszuschließen, dass solche Erfindungen nicht nur viel Gutes bewirken können, sondern auch für sinistre Zwecke eingesetzt werden.

Autokratische Regime finden immer wieder Wege, neue Technologien zur Massenüberwachung einzusetzen, wie etwa China in steter Regelmäßigkeit vorzeigt. Es heißt also, auf der Hut zu bleiben, zumal künstliche Intelligenz nun vor dem letzten Bollwerk unserer Privatsphäre steht. (red, 15.2.2021)