Die Narren regieren nicht länger Fasching und Karneval, sie regieren die Welt.

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Lustig wird es, wenn sich der Spaß aufhört. Humor muss nicht nur aufsässig sein. Humor muss wehtun. Nicht allen, aber den richtigen Leuten. Zum Lustigsein muss sich immer auch Trauer gesellen: "bis einer weint". Man weiß schließlich, dass die Gaudi irgendwann ein Ende hat. Es wird uns danach nicht besser gehen. Karneval kommt aus dem Lateinischen und bedeutet: "Fleisch, leb wohl!" Das letzte Hemd wird kein Piratenkostüm sein.

Die am Faschingsdienstag missmutig dreinschauende Biene Maja beim Bäcker oder der Clown in der Bankfiliale lassen das Herz aus Freude trotzdem höherschlagen. Aktuell kann man beim Bäcker übrigens Faschingskrapfen kaufen, in die man ein Jaukerl mit Alkohol reinhaut. Ein Sinnbild für die so ersehnten Impfungen in diesen schweren Zeiten. Der letzte Humor ist der Galgenhumor.

Hier gelangt der Fasching endlich zu sich selbst. Auch wenn von der Antike herauf immer darauf geachtet wurde, dass im Karneval ein Aufbegehren der Diener gegen die Herren zeitlich streng begrenzt war – und sich auch die Herrschaft saubartelnd und lüstern unter die entfesselte Menge mischen wollte: Der Narr als Dienstleister im 21. Jahrhundert, das ist nun endlich der Höhepunkt.

Die Karnevalisierung der Gesellschaft

Abgesehen von traditionellen Bräuchen in abgelegenen Gebirgstälern zum Zwecke der Austreibung des Winters wurde der Mummenschanz schon von Luther beziehungsweise vom weitgereisten Napoleon als möglicher Brandherd der Aufsässigkeit misstrauisch beäugt beziehungsweise verboten. Lachen, restriktive Moralvorstellungen und Politik vertragen sich nicht gut. Es erinnern heute noch diverse Umzugswägen mit lustigen überlebensgroßen Pappfiguren von Politikern an vermeintlich widerständige Zeiten. Und auch die unverwüstlichen Freunde Asterix und Obelix erinnern uns daran, dass sich im Faschingstreiben immer auch Widerstandsnester finden ließen.

Weil heuer alle Faschingszüge abgesagt wurden, nimmt es demnach auch nicht wunder, dass bei den Corona-Demonstrationen verstärkt Narren im Faschingskostüm auftauchen. Vielleicht ist in heutigen Tagen der Narr als Symbol der Auflehnung auch gar nicht mehr nötig. Die Vernunft wird heute durch die umfassende Karnevalisierung der Gesellschaft ohnehin das ganze Jahr ad absurdum geführt. Heute kann sich jeder Einzelne von uns in Realityshows, als Masked Singer oder Austria’s Next Topmodel zum Affen machen.

Insofern nimmt es nicht wunder, dass der Fasching immer mehr einer Einheitsschunkelei im Seniorenheim gleicht. Die Jüngeren brechen weg. Sie veranstalten auf Tiktok oder Instagram ihren Dauergschnas. Und man muss sich auch nicht länger hinter einer Maske verstecken, um unter dem Schutz der Anonymität "die Wahrheit" zu sagen. Man kann mit der Nationalflagge in der Hand in Internetforen gegen die im Gegenzug abgefeimt als Menschen maskierten Reptiloiden kämpfen.

Das Aschenkreuz zum Mitnehmen

Ein wichtiger Aspekt beim närrischen Treiben wird dabei außer Acht gelassen. Wenn man nicht fähig ist, sich selbst auf die Schaufel zu nehmen, wird man der Dummheit nicht von der Schippe springen können. Lassen wir den Fasching also den Kindern. Die sitzen heuer traurig vor dem Computer und wählen in Zoom-Konferenzen das beste Kostüm der Klasse. Der Fasching 2021 wird uns allen noch zu denken geben. Am Aschermittwoch kann man sich heuer untertags übrigens im Wiener Stephansdom unter Einhaltung der Sicherheitsregeln ein Aschenkreuz zum Mitnehmen abholen: "Ash to go". Ein Symbol der Trauer und Hoffnung. Die dazugehörige Messe wird am Abend im Livestream übertragen. Auch die Kirche hat die Zeichen der Zeit erkannt. (Christian Schachinger, 16.2.2021)