Vom ehemaligen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek fehlt nach wie vor jede Spur. Er wird international gesucht.

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Mit windigen Konstruktionen schob Wirecard jahrelang Milliarden hin und her, und kaum jemand schöpfte Verdacht, bis im Juni vergangenen Jahres alles aufflog. Doch offenbar waren auch die privaten Finanzflüsse unter den Konzernspitzen ein Spiel mit dem Feuer. Die Protagonisten sind abermals Ex-Geschäftsführer Markus Braun und seine Nummer zwei.

Braun gewährte Ende 2017 über seine Firma MB Beteiligungs GmbH Jan Marsalek einen Privatkredit in Höhe von 50 Millionen Euro, wie aus einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) hervorgeht. Das Geld hätte für Investments in ein oder mehrere Start-ups dienen sollen. Auf Sicherheiten wurde verzichtet, möglicherweise weil die beiden ohnehin mit solchen Summen jonglierten wie andere mit Beträgen im zweistelligen Euro-Bereich.

Dieses Geschäft dürfte die Beziehung der beiden ziemlich belastet haben, wie es in der SZ heißt. Braun war zwischenzeitlich knapp bei Kasse und auf die Rückzahlung angewiesen, Marsalek konnte oder wollte dies nicht. Mittlerweile ist er untergetaucht, und nach wie vor fehlen inklusive Zinsen 14 Millionen Euro von dem Darlehen. Der einstige Konzernchef sitzt seit mehr als einem halben Jahr in Untersuchungshaft. Wirecard rangierte damals im deutschen Leitindex Dax – es stellt sich die Frage, warum derartige Vorgänge bei einem der Topunternehmen des Landes nicht auffallen. Man fragt sich bei Wirecard aber ohnehin noch viel mehr.

Fällige Kredite

Denn Ende 2019 wurde es rund um diesen und einen weiteren Kredit spannend. Braun musste ein Darlehen über 150 Millionen Euro bei der Deutschen Bank zurückzahlen. Einen Teil dieses Geldes hätte er dafür genutzt, seinerseits Marsalek die 50 Millionen Euro vorzustrecken. Zu dem Zeitpunkt hatte Marsalek erst drei Millionen zurückgezahlt. Die restlichen 47 Millionen sollen auf einem Treuhandkonto auf der Isle of Man gelegen sein, einem Steuerparadies zwischen Großbritannien und Irland.

Den Ermittlern zufolge dürfte Braun also einen Kredit im eigenen Konzern (bei der Wirecard-Bank, Anm.) aufgenommen haben, um die Schulden bei der Deutschen Bank zu tilgen. Daraufhin folgen wieder einmal Geldflüsse, die eine schiefe Optik hinterlassen. Braun musste den Wirecard-Kredit am 1. April 2020 zurückzahlen, genau an diesem Tag zahlte Marsalek einen großen Teil seiner Schulden zurück. 35 Millionen Euro seien bei der MB Beteiligungs GmbH eingegangen. Nun wird es etwas kompliziert.

Dieses Geld soll sich Marsalek mit Brauns Hilfe bei Wirecard besorgt haben. Wirecard gewährte Ende März 2020 einer Firma in Asien einen Kredit über 100 Millionen Euro. Der entsprechende Teil soll dann über Litauen und der Isle of Man über Marsalek an Braun gegangenen sein.

Abgezweigte Firmengelder

Es wirkt demnach, als seien Firmengelder benutzt worden, um private Kredite zu tilgen. So steht es zumindest im Haftbefehl gegen Braun. Dass das alles tatsächlich so passiert ist, bestreitet dieser. Überdies gibt er weiterhin Marsalek die Schuld an dem ganzen Fiasko.

Bei einer Einvernahme im Dezember erzählt Braun, dass der Kredit zu einem heftigen Streit zwischen ihm und Marsalek geführt hätte. Das Verhältnis der beiden dürfte aber schon vorher sehr schlecht gewesen sein – zumindest in Brauns Version.

Vom Freund zum Feind

Sie machten Wirecard gemeinsam groß, machten Wirecard aber auch zum größten Wirtschaftsskandal Deutschlands. Braun übernahm die Geschäftsführung 2002, die folgenden 13 Jahre hätten er und Marsalekt ein enges Vertrauensverhältnis zueinander gehabt. Dann hätten sie begonnen, sich auseinanderzuleben, erzählt Braun. Er habe dann auch den Gedanken verworfen, Marsalek zu seinem Nachfolger zu machen. Firmeninterne Unstimmigkeiten hätten dann zum kompletten Bruch geführt. Es ging nicht mehr.

Sie konnten also nicht mehr miteinander, firmenbedingt aber auch nicht ohne. Was bleibt, ist ein Trümmerhaufen, in dem viel fehlt. Die 1,9 Milliarden Euro, über die Wirecard stolperte, die 14 Millionen Euro von Braun und natürlich Jan Marsalek. (Andreas Danzer, 15.2.2021)