Für die Bevölkerung arbeiten – oder für den eigenen Vorteil? Die wenigsten Politiker sind korrupt. Aber um das Ausscheren einiger weniger zu verhindern, kann mehr getan werden.

Grafik: Fatih Aydogdu

Ermittlungen wegen Bestechung, sogar eine Hausdurchsuchung bei einem amtierenden Minister: Die aktuellen Vorgänge in Österreichs Innenpolitik haben das Thema Korruption wieder aufs Tapet gebracht. Nicht dass es seit der Ibiza-Affäre jemals völlig still geworden wäre um Politiker, die es mit den Regeln nicht so genau nehmen. Wie lässt sich Korruption verhindern? DER STANDARD hat mit Experten gesprochen und sieben Vorschläge für eine saubere Politik gesammelt.

1. Der Rechnungshof soll die Parteien prüfen

Aktuell sind die Finanzen der Parteien eine Blackbox: Was herein- und wieder rauskommt, wissen nur die Parteien selbst. Der Rechnungshof darf nur Einsicht in die jährlichen Berichte der (von den Parteien bestellten) Wirtschaftsprüfer nehmen und kann de facto nur überprüfen, ob die Summen richtig zusammengezählt wurden. "Es wäre in diesem Bereich besser, wenn der Rechnungshof von sich sagen könnte, was er sehen will", sagt Georg Krakow von Transparency International. Solche Prüfrechte für den Rechnungshof sind im türkis-grünen Programm auch vorgesehen – umgesetzt wurden sie bis dato nicht.

2. Transparentere Regeln für Parteispenden

Wer spendet welcher Partei wie viel? Stärkere Transparenzregelungen in diesem Bereich stehen ebenfalls im Regierungsprogramm – und wurden ebenfalls noch nicht angegangen. Dafür sei es höchste Zeit, sagt Hubert Sickinger, Experte für Parteienfinanzierung. Anonyme Spenden dürften demnach nicht mehr als 200 Euro ausmachen (derzeit: 500 Euro), solche über 500 Euro müssten innerhalb von drei Monaten gemeldet werden.

Georg Krakow zum Fall Blümel.
ORF

3. Kontrolle für parteinahe Vereine

Ein Verein voller Parteigänger, der inhaltliche politische Arbeit leistet und auch einen gewissen Werbewert für seine politisch tätigen Proponenten aufweist: Das ist nach derzeitiger Rechtslage keine Organisation, die einer Partei nahesteht und die deshalb im Rechenschaftsbericht einer Partei ausgewiesen werden muss – das sind derzeit nur solche Vereine, die sich selbst als parteinah identifizieren. Sie können unter dem Deckmantel des Vereins die Parteien mitfinanzieren. "Es gibt hier nach wie vor viele Umgehungsmöglichkeiten", sagt Krakow. "Wenn ein Verein für eine politische Partei inhaltlich tätig wird, dann gehört er erfasst", sagt der Korruptionsexperte. Das gehöre gesetzlich definiert, die Feststellung, ob ein Verein parteinah ist oder nicht, könne dann auf dieser Basis etwa der Rechnungshof treffen.

4. Strafbarkeit auch für Kandidaten

Es ist eine Lex Ibiza, die vor allem von den Grünen vorangetrieben wird: Das Versprechen eines Amtsgeschäfts (etwa: die Privatisierung der Wasserversorgung) als Gegenleistung für einen Vorteil (zum Beispiel: Hilfe bei der Übernahme der Kronen Zeitung) ist derzeit nicht strafbar, wenn der betroffene Politiker das notwendige Amt noch nicht innehat. "Das halte ich tatsächlich für eine Lücke, die sehr unbefriedigend sein kann", sagt die Strafrechtsexpertin Susanne Reindl-Krauskopf. Eine geplante Reform soll dazu führen, dass auch Personen, die ein Amt in Aussicht haben, wegen korrupter Anbahnungen im Vorfeld belangt werden können.

5. Informationsfreiheit

Korruption findet im Dunkeln statt, und Transparenz sorgt für Licht. Sie wirkt deswegen vorbeugend: "Wenn ich weiß, dass Menschen dort, wo ich arbeite, Zugang zu Informationen haben, dann wirkt das schon präventiv", sagt Krakow. Deswegen soll, so ist es unter Türkis-Grün paktiert, die Informationsfreiheit das Amtsgeheimnis ersetzen. Ein Gesetzesentwurf hätte schon vor dem Sommer fertig sein sollen, doch es wird immer noch verhandelt.

6. Die Justiz arbeiten lassen

Vor lauter Organisation nicht zur eigentlichen Arbeit kommen: Dieses Problem kennen die Staatsanwaltschaften im extremen Ausmaß. Überschießende Berichtspflichten lähmen Ermittlungen derzeit. "Es wäre sinnvoll, die Staatsanwaltschaften einfach arbeiten zu lassen", sagt Sickinger.

7. Vorbildfunktion für Politiker

Keine Gesetzesreform, aber eine kulturelle Änderung an der Spitze von Wirtschaft und Politik fordert Korruptionsexperte Krakow: Der "tone from the top" habe großen Einfluss auf das Verhalten der Bevölkerung und von anderen Amtsträgern: "Die, die an der Spitze stehen, müssen Vorbilder sein." Da gehe es auch darum, welche Werte in der Gesellschaft zählen: Geld und Einfluss? "Es gilt nicht als wahnsinnig sexy, wenn man besonders normtreu ist", sagt Krakow – sollte es aber sein. Der Kulturwandel muss ganz oben beginnen. (Sebastian Fellner, 16.2.2021)