Donauuferautobahn und Südosttangente haben eines gemeinsam: Es staut sich fast täglich auf diesen Autobahnen.

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Wien – Die Enttäuschung der Anrainer und Bürgerinitiativen ist groß: Das Verkehrsministerium hat die Wünsche der Asfinag erfüllt und festgelegt, dass der sechsspurige Ausbau der Donauuferautobahn (A22) zwischen der Anschlussstelle Stockerau-Ost und dem Knoten Stockerau keiner Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bedarf. Das erschließt sich aus dem vom Verkehrsministerium veröffentlichten Feststellungsbescheid vom 27. Jänner.

Der Verzicht auf eine eingehende Umweltprüfung darf mit Blick auf die fortschreitende Bodenversiegelung in Österreich als Überraschung gewertet werden. Für die jeweils dritte Fahrspur (in beide Richtungen) müssen 4,57 Hektar Land in einem Au-Schutzgebiet (Natura 2000) gerodet werden. Der Bodenverbrauch gilt als einer der Treiber der Erderwärmung, deren Einbremsung war stets ein Herzensprojekt der Grünen. Nun hat ausgerechnet die grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler namens der Behörde beschieden, dass die "Zulegung der A22" von je einem Fahrstreifen in jeder Fahrtrichtung in Sachen Umweltverträglichkeit nicht ausführlich geprüft werden muss.

Verkehrsprognosen unrealistisch

Diese Entscheidung bezeichnen mit der Materie vertraute Umweltexperten ebenso als unverständlich wie Verkehrsexperten. Allein die von der Antragstellerin Asfinag vorgelegten Verkehrsprognosen scheinen kaum nachvollziehbar. Denn sie wurden von der Realität längst überholt. Sie legen einen sich abflachenden Zuwachs an Kraftfahrzeugen auf der enorm stark befahrenen Donauuferautobahn zugrunde, ab 2026 (bis 2035) soll der Anstieg gar nur noch 0,5 Prozent betragen. Das sei nicht plausibel und auch unrealistisch, sagt Thomas Hansmann von der niederösterreichischen Umweltanwaltschaft. Er verweist auf die Steigerungsraten in den vergangenen 50 Jahren, die seit der Errichtung 1972 bis zum Jahr 2019 nie unter 1,9 Prozent lagen.

Öffi-Ausbau mildert nur milde

Von 2003 bis 2019 nahm der Verkehr pro Jahr gar um 2,7 Prozent zu, das lässt sich an den Zählstellen in Stockerau ablesen. Daher sei eine derartige Abflachung selbst bei einer massiven Stärkung der öffentlichen Verkehrssysteme nicht zu erwarten. "Hier müssten gravierende Maßnahmen gesetzt werden, um das Mobilitätsverhalten zu verändern und somit das Verkehrsaufkommen in Österreich drastisch zu reduzieren", sagt Hansmann. Da dem Wiener Umland von der Österreichischen Raumordnungskonferenz in den nächsten Jahrzehnten allerdings ein Bevölkerungswachstum von 21 Prozent (bis 2050) vorausgesagt wird, sei die dem Antrag zum Ausbau der A22 beigelegte Verkehrsprognose unrealistisch.

Mehr Verkehr statt weniger werde der Lückenschluss im Regionenring für Stockerau bringen, warnen Experten.

Laut dem niederösterreichischen Mobilitätskonzept steigt der grenzüberschreitende Kfz-Verkehr innerhalb von "Centropa" ohne Stärkung des Öffi-Verkehrs bis 2025 pro Jahr um 4,5 Prozent und mit Öffi-Ausbau nahezu halb so stark, was immer noch drei Prozent pro Jahr bedeutet.

Zusatzverkehr

Wer vom Lückenschluss im sogenannten Regionenring, also der Schnellstraße S1 samt Lobautunnel, Besserung für die von Lärm und Feinstaub geplagte Bevölkerung in Stockerau erwartet, wird enttäuscht: Lückenschluss und Autobahnprojekte in den Nachbarstaaten würden "spürbaren Zusatzverkehr im Abschnitt Stockerau induzieren", warnte die Umweltanwaltschaft.

Vereinfacht ausgedrückt, attestiert der Feststellungsbescheid, dass Störungen durch Lärm von bis zu über 70 Dezibel, Licht und Schadstoffen durch vorbeifahrende Autos vorhanden sind, aber sich der Tierbestand bereits angepasst habe. Allerdings schreibt das Gesetz vor, dass bereits geschädigte Habitate "nicht weiter zu schädigen", sondern sogar "wiederherzustellen" sind.

Lärmschutzwände 13 Meter hoch

Grünes Licht bedeutet der Feststellungsbescheid für die sechsspurige A22 mit 13 Meter hohen Lärmschutzwänden noch nicht. Die Gemeinde Stockerau kann ebenso Beschwerde einlegen wie Umweltorganisationen. Allein die Fundamente für die überdurchschnittlich hohen Lärmschutzwände machten hydrologische Gutachten notwendig, sagen Auskenner. Dadurch würde der Grundwasserhaushalt massiv beeinflusst. (Luise Ungerboeck, 16.2.2021)