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Mit der albanischen – nicht der kosovarischen – Flagge in den Händen feierte nicht nur Albin Kurti, sondern auch viele andere Kosovaren am Sonntagabend seinen Wahlsieg.

Foto: Reuters / Florion Goga

Sie tanzten im Kreis auf der Straße und riefen in Sprechchören seinen Namen. Trotz eisiger Temperaturen und des Schneefalls in der Hauptstadt Prishtina feierten viele Kosovaren Sonntagnacht den Wahlsieg der Partei Vetëvendosje (VV). Albin Kurti, der populärste Politiker im Lande, durfte zwar selbst nicht bei der vorgezogenen Parlamentswahl antreten, wird aber wohl Premierminister werden. Als er nach nicht einmal zwei Monaten im Amt Ende März vorigen Jahres auch mithilfe des Trump-Gesandten Richard Grenell gestürzt wurde, war klar, dass ihm das eher nützen würde.

Die traditionell widerständigen Kosovaren wählten ihn jetzt erst recht. Die VV hat den vorläufigen Ergebnissen zufolge knapp 48 Prozent der Stimmen bekommen, ein Plus von mehr als 20 Prozentpunkten im Vergleich zu den Wahlen 2019. Zu dem Sieg hat auch beigetragen, dass die amtierende Präsidentin Vjosa Osmani, die beim bürgerlichen Publikum und den Frauen äußerst populär ist, diesmal auch auf der List der VV kandidiert hat, nachdem sie von ihrer Partei, der LDK links gelassen worden war.

Radikal und kompromisslos

Die Kosovaren wollen, dass Kurti nun endlich zeigen kann, ob er halten wird, was er seit 2010, als er erstmals antrat, verspricht. Mit dem 45-jährigen Kurti kommt nun ein Mann an die Regierung des jüngsten Staates Europas, der sich von einem radikalen und kompromisslosen Nationalisten, Aktivisten und Bürgerschreck zum Hoffnungsträger einer Generation entwickelt hat.

Denn wie kein anderer spricht Kurti die tatsächlichen Sorgen der Kosovaren an: Die Arbeitslosigkeit, die Notwendigkeit, alle möglichen Leute zu schmieren, um etwas zu erreichen und die gemeine Ungerechtigkeit, dass vor allem jene eine Chance haben, die zu den etablierten Parteien und Eliten gehören.

Der Politologe Arben Hajrullahu von der Universität Prishtina spricht von einer "hoffnungsvollen Zäsur" für viele Kosovaren. "Die Erwartungen an das Tandem Kurti/Osmani sind groß, besonders in Fragen der sozialen Gerechtigkeit und des so stark ersehnten inklusiven und funktionierenden Rechtsstaats", sagt er zum STANDARD. Kurti nannte die Wahl ein "Referendum", also eine Art Abrechnung mit den Altparteien.

Rücktritt nach der Wahl

Der Chef der einst staatstragenden konservativen LDK, die am Sonntag nur von 13 Prozent gewählt wurde, Isa Mustafa, ist bereits zurückgetreten. Auch die Parteien, die aus der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK hervorgingen, verloren massiv. Und damit geht im Kosovo nun auch die Ära nach dem Krieg 1999 zu Ende, in der die Ex-Krieger das Sagen hatten. Dies ist vor allem möglich, weil die Kosovaren jung sind – durchschnittlich 29 Jahre alt – und deshalb der Erneuerungswille über die Vereinnahmung des Staates durch private Interessen dominiert. "Wir werden uns an niemandem rächen, aber wir werden Verantwortung gegenüber allen fordern", erklärte Kurti am Sonntag.

Doch angesichts der riesigen Hoffnungen lastet auf seiner Regierung auch ein riesiger Erwartungsdruck. Die Partei hat keine Regierungserfahrung und es fehlt in manchen Feldern an Expertise. Kurti wird zwar mit der Unterstützung von einigen Minderheiten-Vertretern eine Koalition bilden können – ausgeschlossen ist für ihn nur die Srpska Lista, die von Aleksandar Vučić aus Belgrad gesteuert ist – doch die ökonomischen Folgen der Pandemie sind desaströs. Zehntausende haben ihre Jobs verloren. Die Arbeitslosigkeit bei den jungen Menschen liegt ohnehin bei 60 Prozent. Aber auch andere zentrale Anliegen der Regierung, wie die Reform der Justiz sind Langzeitprojekte.

Nationalistische Gefahr

Die Gefahr besteht also, dass Kurti auf Nationalismus zurückgreifen wird, wenn er keine schnellen Erfolge zeigen kann. Der Linksnationalist hat sein Ansinnen, aus Kosovo und Albanien einen Staat zu machen nie aufgegeben, obschon er nun betont, dass dies keine Priorität habe.

Osmani, die erst 38-jährige dynamische Juristin, dürfte deshalb als Präsidentin oder Außenministerin für Kontinuität und Professionalität in der neuen Ära sorgen. Der Dialog mit Serbien, wird wohl kaum vorankommen, auch wenn die EU eine "konstruktive" Haltung einmahnt. Doch die Glaubwürdigkeit der EU ist im Kosovo gering, weil die versprochene Visa-Liberalisierung nie geliefert wurde und fünf EU-Staaten den Kosovo nicht anerkannt haben. (Adelheid Wölfl, 15.2.2021