Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern (Labour) gibt die Zulassung des Biontech-Impfstoffs bekannt.

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Drei Fälle. Drei. Nicht mehr braucht es in Neuseeland, um eine ganze Region – noch dazu die bevölkerungsreichste Stadt Auckland – in einen Lockdown zu versetzen und abzuriegeln. Als am Wochenende eine Familie positiv auf das Coronavirus getestet wurde, zögerte man in der Regierung in Wellington nicht lange: Für Auckland wurde die Alarmstufe 3 ausgerufen. Das bedeutet: Schulen nur für Kinder von Menschen in systemrelevanten Berufen, keine offenen Lokale und Geschäfte, abgesagte Veranstaltungen und verschärfte Reiseregeln. Auch im übrigen Land gibt es Einschränkungen.

Das scharfe Einschreiten ist typisch für den neuseeländischen Weg in dieser Krise. Als im März das Coronavirus wie so viele Länder der Welt Neuseeland erreichte, schlug die Regierung rund um Jacinda Ardern diesen Weg ein. Abschottung vom Rest der Welt, scharfes Einschreiten bei wenigen Fällen, intensives Contact-Tracing. Nach wenigen Wochen hatte Neuseeland das Coronavirus gut im Griff, die Touristen, die sonst um diese Jahreszeit im Land sind, waren weg. Das Virus aber beinahe auch. Dafür genießen Neuseeländer dazwischen Freiheiten wie in kaum einem anderen Land der Welt.

Die asiatische Community in Neuseeland ist groß. In Christchurch wurde am 14. Februar dieses Jahres das chinesische Neujahrsfest gefeiert.
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Politikerpressekonferenzen finden da schon mal eng an eng statt, wenn die Genehmigung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer verkündet wird. Frage an die Premierministerin: "Werden Sie das Cricket-Nationalteam impfen lassen?" – Solche Sorgen möchte man haben. Seit ein paar Tagen ist der Impfstoff auch tatsächlich im Land.

Geografie allein hilft nicht

Neuseeland gilt als Beispiel für eine No-Covid-Strategie, immer mit dem Zusatz: Aber das ist ja eine Insel im Südpazifik. Ja, das stimmt. Die Geografie hilft den Kiwis, sich gut abzuschotten. BBQs mit Freunden, Festivals und Neujahrsfeiern finden ebenso statt wie ein normales Alltagsleben. Aber die geografische Erklärung greift zu kurz, es sind auch bewusste Entscheidungen, die ein Ausbreiten des Coronavirus verhindern. Ein hohes Maß an Sequenzierungen, strikte Grenzkontrollen, Hotelquarantäne für alle Einreisenden (ohne Freitesten) – und wenn dann doch ein Fall auftritt wie letzte Woche: lokaler Lockdown und intensives Contact-Tracing. Allein von der dreiköpfigen Familie ermittelte man mehr als 2.000 mögliche Kontakte und über 100 enge Kontakte.

Testen, testen, testen: In Auckland wird im Moment intensiv auf das Coronavirus getestet.
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Neuseeland versucht beinahe jeden Covid-Fall zu sequenzieren und will beim Contact-Tracing nicht patzen. Sequenzierung wird als Teil des Contact-Tracings gesehen, innerhalb von 24 Stunden gibt es ein Ergebnis über das Genom. In der ersten Welle konnten so etwa mehr als 50 Prozent der Fälle sequenziert werden. Als im August neue Fälle auftraten, waren es schon über 80 Prozent. Insgesamt gab es in Neuseeland seit März rund 2.337 Corona-Fälle und 26 Todesfälle. Die dortige Corona-App nutzen in etwa 40 Prozent der Bevölkerung, durch ein Scan-System ist sie mit einem digitalen Kontakttagebuch verknüpft. Nun wird diskutiert, die App verpflichtend zu machen.

Wie man in Neuseeland auf Sequenzierung setzt, zeigt diese Dokumentation.
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Doch auch Neuseeland war von den wirtschaftlichen Folgen von Corona nicht verschont: Die Arbeitslosigkeit lag im Dezember bei 4,9 Prozent, 0,8 Prozentpunkte mehr als im Jahr davor. Kommen sonst zwischen 20.000 und 25.000 Menschen pro Tag nach Neuseeland, sind es im Moment um die 500 Personen.

Auch wenn Neuseeländer ermuntert wurden, daheim Urlaub zu machen und ihr Land zu entdecken, die fünf Millionen Einwohner können die Einnahmen der Touristen nicht wettmachen. Die boomende Bauwirtschaft macht etwas von dem Verlust weg. Dennoch: Die wirtschaftliche Situation ist bei weitem nicht so gravierend wie in anderen Ländern.

Abschottung als Prinzip

Neuseelands Umgang mit der Pandemie hat aber auch historische Gründe: Das Land im Südpazifik versucht schon lange, durch Quarantäne und strikte Einreisekontrollen das Einschleppen nicht einheimischer Insekten und Tierkrankheiten zu verhindern. Das wird jedem Touristen deutlich, der sich bei der Einreise fragen muss, ob der mitgebrachte Müsliriegel nicht doch in den Mistkübel am Flughafen gehört. Aber auch die im 19. und 20. Jahrhundert ankommenden Siedler mussten ihre erste Zeit teilweise auf Quarantäne-Inseln und in -Stationen verbringen (für Krankheiten wie Masern oder die Spanische Grippe, die dennoch nicht ganz ausblieben). Es ist also nicht das erste Mal, dass Abschottung als Strategie für das weltoffene Land wirkt. Es gehört zum fundamentalen Bestandteil neuseeländischer Politik – auch der Einwanderungspolitik im Übrigen –, an den Grenzen hart zu kontrollieren.

Ministry of Business, Innovation and Employment

Will oder muss man derzeit dennoch nach Neuseeland, so ist es nur mit verpflichtender, staatlich organisierter und kontrollierter Quarantäne möglich (einige wenige Ausnahmen gibt es für Fachkräfte). Jede Person, die nach Neuseeland einreist, muss – auf eigene Kosten – für 14 Tage in Quarantäne in ein dafür zugewiesenes Hotel. Erst nach negativem Corona-Test darf das Hotel verlassen werden. Diese "managed isolation" kostet ein Paar zum Beispiel umgerechnet rund 2.380 Euro. Maximal 4.500 Personen können so gleichzeitig betreut werden. Seit März kamen auf die Art mehr als 110.000 Menschen ins Land, rund 640 davon wurden positiv getestet. Und die allermeisten Corona-Fälle betreffen Einreisende: Im Moment gibt es in Neuseeland 46 aktive Corona-Fälle, davon 43 Einreisende in Quarantäne.

Impfen, wenn es gerecht ist

Es verwundert daher nicht, dass beim Impfprogramm Grenzpersonal und Betreuer der Einreisenden oberste Priorität haben. Erst wenn die breite Bevölkerung geimpft ist, will Jacinda Ardern die Grenzen öffnen. Und das könnte dauern: "Es ist nur gerecht, dass jene Länder, die hohe Sterberaten haben, die Impfstoffe bekommen", so die Premierministerin, die sich entschieden gegen Impfnationalismus stellt. Diese Strategie braucht aber auch einen langen Atem: Dass dies im Moment nicht einfach ist, eint Neuseeland mit dem fernen Europa. (Sebastian Pumberger, 17.2.2021)