Finanzminister Gernot Blümel droht all jenen, die ihm in sozialen Medien Korruption unterstellen, mit Klagen.

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Eine Hausdurchsuchung und Korruptionsvorwürfe haben Finanzminister Gernot Blümel massiv unter Druck gesetzt. Die Causa Novomatic wird hitzig diskutiert, vor allem in den sozialen Medien. Der Finanzminister will sich das so nicht bieten lassen und hat eine Vielzahl von Klagen gegen Bürger angekündigt. Ist das sein gutes Recht oder ein Ablenkungsmanöver ohne Aussicht auf Erfolg?

Am Valentinstag kündigte die ÖVP 13 Klagen an. Der Grund sind Postings in sozialen Medien, die der Finanzminister als Beleidigung und üble Nachrede empfindet. Dabei geht es um das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft zur Causa Novomatic, in dem Blümel als Beschuldigter geführt wird. Die ÖVP spricht von "falschen Unterstellungen" und "Verleumdungen" und kündigte bereits weitere Klagen an. Dabei soll es nicht nur um zivilrechtliche Klagen auf Unterlassung, sondern auch um Strafanzeigen gehen.

Persönlichkeitsrecht gegen Meinungsfreiheit

Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung oder Rufschädigung: Das sind die zentralen juristischen Begriffe in diesem Zusammenhang. Ihre Bedeutung ist im allgemeinen Zivilrecht, dem Mediengesetz sowie im Strafrecht festgelegt. Unter bestimmten Voraussetzungen können Äußerungen über eine Person zu zivilrechtlichen Ansprüchen (Unterlassung, Widerruf) oder strafrechtlicher Verfolgung führen.

Entscheidend ist dabei die Abgrenzung zwischen kritischer Meinungsäußerung, humorvoll-satirischer Kritik und unzulässigen Beschuldigungen. Die Grenzen sind dabei fließend. Die Gerichte nehmen im Einzelfall eine Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Meinungsfreiheit des (vermeintlichen) Verletzers vor.

In welchen Fällen kann eine Unmutsäußerung also rechtliche Konsequenzen haben? Allgemein gilt, dass sich die unzulässigen Aussagen außerhalb des privaten Bereichs, also in der Öffentlichkeit, gegen eine bestimmte Person richten müssen. Allgemeine oder pauschal gehaltene Äußerungen, zum Beispiel über eine ganze Berufsgruppe, werden regelmäßig nicht dazu führen, dass diese rechtlich vorwerfbar sind.

Tatsachenbehauptungen und Werturteile

Es gilt zudem: Tatsachenbehauptungen müssen wahr, also durch den Äußernden beweisbar sein. Wer über eine Tatsache irrt, hat zu beweisen, dass er sie bei seiner Äußerung für wahr hielt. Werturteile, die Ausdruck der subjektiven Meinung und somit nicht beweisfähig sind, können dann gerechtfertigt sein, wenn sie auf der Basis eines wahren Sachverhalts geäußert werden.

Hingegen ist die Unterstellung, jemand habe eine Straftat begangen, wenn diese Person nicht rechtskräftig verurteilt wurde, ebenso unzulässig wie der Vorwurf einer bereits abgetanen strafbaren Handlung oder die wissentliche Falschbeschuldigung, die den Betroffenen erst der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt. Auch übelste Beschimpfungen ohne jeden Sachbezug sind nicht zulässig. Die Nutzung eines Social-Media-Accounts mit Administratorenrechten, zum Beispiel einer Facebook-Seite, kann bei relevanten Äußerungen auf dieser Seite zudem zur Anwendung des Mediengesetzes führen, wonach dem Betroffenen auch eine finanzielle Entschädigung für erlittene Kränkungen zusteht.

Nur eingeschränkter Persönlichkeitsschutz bei Politikern

Spitzenpolitiker und -politikerinnen stehen in der Öffentlichkeit und sind – das gilt parteiübergreifend – oft heftigen Anfeindungen und Untergriffen ausgesetzt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Oberste Gerichtshof legen bei Personen des öffentlichen Lebens einen großzügigen Maßstab an: So darf sachbezogene Kritik auch übersteigert, verletzend und sogar schockierend sein. Eine Grenze ist aber immer dann zu ziehen, wenn die Diffamierung der Person in den Vordergrund rückt. Dazu gehört auch die Behauptung ehrenrühriger Tatsachen des Privat- oder Familienlebens, egal ob diese wahr sind oder nicht.

Im Ergebnis müssen sich Spitzenpolitiker und -politikerinnen daher sehr viel, aber nicht alles gefallen lassen. Auch Foren und soziale Medien sind kein rechtsfreier Raum. Wer die aufgezeigten roten Linien überschreitet, muss auch mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Es ist das gute Recht des Finanzministers, sich gegen (vermeintliche) Rechtsverstöße vor Gericht zur Wehr zu setzen. Dieses Recht steht jedermann zu. Ob es im Hinblick auf das laufende Ermittlungsverfahren strategisch sinnvoll ist, sei dahingestellt.

Demokratiepolitisch heikel ist allerdings die breitgefächerte Androhung von Klagen und Anzeigen, weil dadurch jedenfalls der Eindruck entstehen kann, dass Kritiker mundtot gemacht werden sollen. Anders gesagt, wenn Spitzenpolitiker jeder Unmutsäußerung rechtlich nachgehen würden, käme die Gerichtsbarkeit wohl schnell zum Erliegen, und die Meinungsfreiheit wäre in Bedrängnis. Auch dieser Verantwortung sollten sich die Politiker und Politikerinnen bewusst sein. (Julia Luksan, Martin Kollar, 16.2.2021)