Die Fotos schockieren und verstören. Sie zeigen Leichenberge, völlig ausgemergelte, in Lumpen gehüllte Kinder oder junge Frauen, die ängstlich in die Kamera blicken. Bei den Aufnahmen handelt es sich um Kriegsandenken ehemaliger Wehrmachts- und SS-Angehöriger, die 76 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf der Online-Auktionsplattform Ebay angeboten werden und dort unter dem Schlagwort "Juden" zu finden sind.

Die Anbieter übernehmen bedenkenlos jene Beschriftungen, die sie darauf vorfinden. So zeigt eine auf Ebay angebotene Aufnahme mit der Beschreibung "Juden werden in Güterzug verladen", wie Menschen in Viehwaggons gepfercht und dabei von Wehrmachtssoldaten bewacht werden. Der Verkäufer ergänzte es mit dem Hinweis, dass es ein "sehr seltenes Foto" sei, das "im Osten aufgenommen" wurde und auf dem "sehr schön sehr viele Details zu sehen" seien. Die Aufnahme wurde schließlich um 294 Euro verkauft.

Fotos von "Judenbewachern" und "Judenweibern"

Eine Fotoserie mit dem Titel "Weißrussland Minsk 1941 Juden Wachposten RAD baut Lager getto !!!" dokumentiert, wie Wachtürme vom Reichsarbeitsdienst, dem Bautrupp der Wehrmacht, errichtet werden. Auf einer dieser Aufnahmen ist auch eine Gruppe Uniformierter zu sehen, die darauf als "Judenbewacher" beschrieben werden. Die Bilderserie "Jüdische Heckenschützen" zeigt, wie mehrere Männer zuerst von der Wehrmacht abgeführt und dann erschossen werden. Die Fotoserie endet mit dem Bild ihrer Leichen.

Ein Foto eines völlig entkräfteten Kindes auf Ebay.
Screenshot: DER STANDARD

Um 49,99 Euro wurde ein Foto eines völlig entkräfteten Kindes mit der Beschreibung "Bube Kind Jude Zydzi Bettler sehr mager" angeboten. Auf der Rückseite anderer Aufnahmen ist "Judenweiber" oder "nackte Zigeuner Frau" zu lesen. Ein Schnappschuss mit der Beschreibung "Juden bei der Arbeit" zeigt, wie Männer in jüdischer Kleidung einen Wagen der Wehrmacht putzen.

Fotos "frisch vom Dachboden"

Ein Händler bewirbt sein Angebot mit dem Hinweis "frisch vom Dachboden". Tatsächlich stammen viele dieser Aufnahmen aus Hinterlassenschaften, wie Ebay-Anbieter auf Anfrage des STANDARD-Watchblogs erklären. Auf Fragen wurde eher wortkarg reagiert. Es handle sich um Originale, man sei "nicht dabei gewesen, als es aufgenommen wurde", schrieb einer. Manche Händler reagierten auf entsprechende Anfragen gar nicht. Auf die Frage, wer solche Fotos kaufe, war ihnen nichts zu entlocken.

Während der Handel mit Nazi-Devotionalien wie SS-Dolchen, Hitlerbüsten oder Essbesteck mit Hakenkreuz in Österreich und Deutschland verboten ist, werden derartige Shoa-Schnappschüsse seit Jahren bei Ebay gehandelt. Der Nachschub scheint ungebrochen, die Nachfrage ebenso. Das Unternehmen schaut dem Treiben seit Jahren zu. 2009 machte der Schriftsteller Martin Pollack diesen Handel in einem Artikel in der "Neuen Zürcher Zeitung" öffentlich. Er bezeichnete den Handel mit Wehrmachtsfotos als "eine von der Öffentlichkeit unbeachtete Grauzone", in der das "unmenschliche Vokabular des Nationalsozialismus weiterlebt, ja ganz bewusst weiter gepflegt wird. Dazu kommt noch ein anstößiger Voyeurismus, gepaart mit rassistischen Vorurteilen."

Ein Foto von am Boden liegenden Toten auf Ebay.
Screenshot: DER STANDARD

Historisch sind die Fotos aus dem Grund interessant, dass sie die Verstrickung der Wehrmacht in die Shoa und den Vernichtungskrieg der Nationalsozialisten belegen. Ein Umstand, der bis in die 1990er-Jahre teilweise vehement von Vertretern der Kriegsgeneration in Österreich und Deutschland bestritten und geleugnet wurde. Bis dahin wurde fast ausschließlich die SS für Kriegsverbrechen und die Ermordung der europäischen Juden verantwortlich gemacht. Erst durch die sogenannte Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung wurde diese Erzählung als unwahr entlarvt.

Devotionalien für Antisemiten und Antisemitinnen

Für Bini Guttmann, den Präsidenten der European Union of Jewish Students (EUJS), ist es "ein großes Problem, dass die Suchergebnisse für 'Jude' auf Ebay Bilder von Wehrmachts- und SS-Soldaten sowie Shoah-Fotos zeigen". Kontextualisiert wären die Bilder nicht problematisch, sagt er, aber in dieser Form dienten sie "wohl vor allem als Devotionalien für Antisemiten und Antisemitinnen und Drittes-Reich-Nostalgiker und -Nostalgikerinnen". Während ein Verbot wohl schwierig ist, weil die Bilder selbst nicht illegal sind, wäre es jedenfalls sehr wichtig, dass Ebay dafür sorgt, dass der Suchbegriff "Jude" positiv besetzt wird und nicht zur Naziverherrlichung missbraucht wird, sagt Guttmann.

Ebay: Fotos nicht zulässig

In einer Stellungnahme betont Ebay, dass die Shoa-Fotos "nicht zulässig" seien. Der Handel mit "Artikeln mit Bezug zum Völkermord an den europäischen Juden und anderen Bevölkerungsgruppen sowie den Geschehnissen in den Konzentrationslagern" sei verboten, sagt das Unternehmen zum STANDARD-Watchblog. Aktiv wird dagegen offenbar nichts unternommen. Ebay hofft auf Nutzer und Nutzerinnen, die derartige Angebote melden.

Neben den Shoa-Fotos wirft auch der Ebay-Handel mit rituellen und sakralen jüdischen Objekten, sogenannten Judaica, Fragen auf. Bei vielen von österreichischen und deutschen Händlern angebotenen Gegenständen ist die Herkunft nicht klar. Mehr als der Silbergehalt oder der Hinweis, dass sie "aus Osteuropa stammen" und "vor 1945 erzeugt" wurden, ist nur selten in Erfahrung zu bringen. Auch auf explizite Nachfragen nicht. Dies gilt besonders bei wertvollen Objekten, etwa Jads, sogenannten Torazeigern oder Torafingern, die eigentlich nur in Synagogen genutzt werden und nur dort zu finden sind.

Im Zweiten Weltkrieg gestohlen

Gabriele Kohlbauer-Fritz, Kuratorin am Jüdischen Museum in Wien, hält es für "leicht möglich", dass viele dieser Objekte während des Zweiten Weltkriegs gestohlen wurden und so nach Österreich und Deutschland gelangt sind. Die Herkunft ist aber bei vielen so gut wie nicht zurückverfolgbar. Neben der unklaren Herkunft fluten auch zahlreiche Fälschungen den Markt. Judaica sind sehr gefragt, die Preise "jenseits von Gut und Böse", wie Kohlbauer-Fritz erklärt.

In der populären Fernsehshow "Bares für Rares" lehnten die Antiquitätenhändler den Kauf eines Objekts ab, nachdem die Verkäuferin erklärt hatte, es sei ein "Kriegsmitbringsel" des Vaters. Ein vom STANDARD befragter "Bares für Rares"-Händler bezeichnet "Judaica" generell als ein "schwieriges Thema", weswegen er nicht damit handle. Es stellt sich die Frage, warum Ebay diesen Handel überhaupt zulässt. Gerade weil bekannt ist, dass derartige Gegenstände massenhaft während des Zweiten Weltkriegs geraubt wurden. (Markus Sulzbacher, 17.2.2021)