Im Austausch mit der Umwelt erneuert sich auch das Mikrobiom des Menschen. Bei einer Mars-Mission wäre dieser Prozess aber langfristig unterbrochen.

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Wenn ein Mensch ins All reist, tut er das immer in Gesellschaft. Milliarden von Mikroorganismen, die Haut, Schleimhäute und Darm besiedeln, sind immer dabei. Die Wissenschafter, die die Missionen planen und umsetzen, müssen diese Bakterien, Archaeen oder Pilze in verschiedener Hinsicht berücksichtigen.

Machen sie das nicht, können eine Reihe von Gefahren daraus entstehen: Sie könnten die Technik einer Raumkapsel schädigen oder gesundheitliche Probleme der Crewmitglieder verursachen. Bei Missionen zu anderen Himmelskörpern könnten sie diese zudem kontaminieren.

Eine Arbeitsgruppe rund um Christine Moissl-Eichinger, Professorin für interaktive Mikrobiomforschung der Medizinischen Universität Graz, beschäftigt sich auch mit den Fragestellungen, die die Erfordernisse der Raumfahrt an das Fachgebiet stellen.

Unter anderem haben Moissl-Eichinger und ihr Team in einem mehrjährigen, von der Förderagentur FFG und dem Technologieministerium unterstützten Projekt untersucht, wie sich Mikroorganismen im abgeschotteten Habitat der internationalen Raumstation ISS entwickeln.

Gute Umgebung

Die dort nachgewiesenen Mikroorganismen stammen fast alle vom Menschen. Sie finden in der – um elektrische Ladungen zu verhindern – stets leicht feuchten Umgebung der ISS eine gute Umgebung, um zu gedeihen, erklärt Moissl-Eichinger. "Das vorgefundene Mikrobiom ähnelt jenem, das man auch in einem Badezimmer auf der Erde finden würde. Bestimmte Arten – etwa Überlebenskünstler der Gattungen Bacillus oder Acinetobacter – sind allerdings stärker vorhanden."

Die Mikroorganismen adaptieren sich für ihre neue Umgebung. "Es können Resistenzen entstehen. Die Mikroben passen sich an vorhandene Materialien an. Das kann bis hin zu Ausfällen in der Elektronik führen", skizziert die Forscherin. "Von der früheren russischen Raumstation Mir ist etwa bekannt, dass die Mikroorganismen sogar die Fensterdichtungen ‚angeknabbert‘ haben."

Letztendlich ist das Mikrobiom der ISS aber nicht vollkommen isoliert. Immer wieder kommen neue Crewmitglieder von der Erde, bringen "ihr" Mikrobiom mit und sorgen so für eine gewisse Erneuerung. Das wäre bei einer Mars-Mission anders, die insgesamt vielleicht mehrere Jahre dauern würde.

Beschränkte Diversität

"Auf der Erde ist der menschliche Organismus mit einer nahezu unendlichen Diversität an Mikroorganismen konfrontiert", erklärt Torben Kühnast, der als Postdoc-Forscher in Moissl-Echingers Arbeitsgruppe tätig ist. "In einer lange abgeschotteten Umgebung wie bei einer Mars-Mission wäre diese Diversität stark eingeschränkt und würde mit der Zeit zunehmend zurückgehen."

Gesundheitliche Faktoren wie Stress wirken negativ auf das Mikrobiom, genauso die erhöhten Strahlungswerte im All. Muss einer der Astronauten etwa Antibiotika nehmen, wäre das eine besonders schlechte Nachricht für das Mikrobiom. Kühnast: "Das gleicht einem Kahlschlag im Darm. In der Isolation wäre eine Wiederherstellung des Mikrobioms aber nur eingeschränkt möglich." All das führt zu einer erhöhten Anfälligkeit der Astronauten bezüglich Krankheiten.

Was also tun? Wie dem Verlust der mikrobiellen Diversität entgegenwirken? Probiotika, die nur bestimmte Bakterienstämme beinhalten, wären angesichts der sehr individuellen Zusammensetzung eines menschlichen Mikrobioms keine große Hilfe, betonen die Wissenschafter. Zudem weiß man heute noch wenig darüber, ob sie ihre Wirkung in Schwerelosigkeit wie gewünscht entfalten würden.

Mikrobiom aufforsten

In der Forschungsgruppe gibt es einen – auch mit vorhandener Technik umsetzbaren – Vorschlag, wie man dem Verlust der Diversität im Mikrobiom jedenfalls entgegenwirken könnte, nämlich durch Eigenstuhltransplantation. Auf der Erde wird das Einsetzen eines fremden Darmmikrobioms bei bestimmten Krankheitsbildern bereits erfolgreich eingesetzt.

Ähnlich zu dieser Praxis könnte man bei einer Mars-Mission Vorsorge treffen, indem man eigenen Stuhl tiefgekühlt bei –80 Grad einlagert, erklärt Alexander Mahnert, ebenfalls Postdoc bei Moissl-Eichinger: "Nach einer Infektion samt Antibiotikaeinnahme könnte man dank dieser Vorsorge das eigene Mikrobiom wieder aufforsten."

Weiter in die Zukunft gedacht, zeichnet sich allerdings ein anderer Weg des Mikrobiom-Managements ab – jener der personalisierten Medizin. Mit den breiter verfügbaren Sequenzierungstechnologien, durch das sich die Genetik eines individuellen Mikrobioms schnell erfassen lässt, soll etwa konstantes Monitoring und regelmäßige Analyse des individuellen Mikrobioms eines Astronauten möglich werden. Eine erste Sequenzierung, die von der Probenaufbereitung bis zur Endauswertung vollkommen im Weltraum stattfand, erfolgte bereits vor kurzem auf der ISS, verweist Moissl-Eichinger.

Kontamination verhindern

Auf dem Mars angekommen, fangen die Probleme rund um das Mikrobiom-Management doch erst richtig an. Bereits heute müssen Landemissionen – aber auch Sonden, die auf den Mars abstürzen könnten – strengen Protokollen folgen, die eine Kontamination verhindern. Für die Vision einer bemannten Mars-Mission müssen aber entsprechende Techniken erst noch etabliert werden.

Man geht davon aus, dass einige Arten bereits in wenigen Zentimetern Tiefe unter dem Mars-Sand überleben könnten. Erfolgt eine Kontamination, könnten wissenschaftliche Studien durch sie verfälscht werden. "Man muss auch die Mars-Missionen der Zukunft vor den Mikroorganismen der Erde schützen", sagt Moissl-Eichinger dazu. (Alois Pumhösel, 23.2.2021)