Italiens Medienmogul und mehrfacher Premier Silvio Berlusconi wurde in etlichen Korruptionsverfahren wegen Verjährung freigesprochen – ein Fehler im System?
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Wenn die Anzahl der Verurteilungen wegen Korruptionsdelikten der Gradmesser dafür wäre, wie verbreitet Bestechung und Bestechlichkeit in einem Land sind, dann wäre Italien vermutlich eins der saubersten Länder der Welt: Im vergangenen Jahr ist dort kein einziger definitiver Urteilsspruch wegen Korruption ergangen.

Das liegt aber durchaus nicht daran, dass es in Italien keine korrupten Politiker geben würde – im Gegenteil: Im jüngsten Bericht der Nichtregierungsorganisation Transparency International liegt das Land auf dem wenig schmeichelhaften Platz 52 – ex aequo mit Saudi-Arabien und Malta und noch hinter Ruanda. Zum Vergleich: Österreich liegt weltweit auf Platz zwölf. Unter den 27 EU-Mitgliedsstaaten belegt Italien Platz 20.

Das Bündel mit Schmiergeldscheinen

Wie verbreitet die sogenannte "mazzetta", das "Notenbündel" mit dem Schmiergeld, beim Abschluss öffentlicher Aufträge in Italien weiterhin ist, belegen die zahlreichen Schlagzeilen, die das Land regelmäßig erschüttern und die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik immer weiter unterminieren.

Das zentrale Problem in Italien sind nicht etwa untätige Staatsanwälte oder fehlende Kontrollorgane, sondern die extreme Langsamkeit der Gerichte: Die meist komplizierten Beweisverfahren dauern oft mehr als zehn Jahre lang – und enden oft wegen Verjährung, bevor es zu einem definitiven Urteil kommen kann. Die Verkürzung der Verfahrensdauern im Zivil- und im Strafverfahren wird eine der vordringlichen Aufgaben der neuen Regierung unter Neo-Premier Mario Draghi sein.

Immerhin: Italien hat zumindest bei der Prävention von Korruptionsdelikten in den letzten Jahren einige Fortschritte erzielt: Im Jahr 2012 war unter der Regierung von Mario Monti eine neue Antikorruptionsbehörde geschaffen worden, die "Autorità Nazionale Anticorruzione" (Anac). Sie wird – zumindest theoretisch – bei jedem öffentlichen Auftrag, aber auch bei jeder Stellenvergabe beigezogen und kontrolliert die Abläufe. Dies hat viel zur Transparenz des staatlichen Vergabeverfahrens beigetragen. Außerdem wurde ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern in der Verwaltung erlassen, was auf Korrupte und Korrumpierende ebenfalls abschreckend wirkt. Unter der ersten Regierung Giuseppe Conte (2018–2019) sind außerdem die Strafen für Korrupte verschärft worden.

Dezentrale, lokale Staatsanwaltschaften

Allerding: Die Anac hat lediglich Kontrollfunktionen. Für die Ahndung sind die Strafverfolgungsbehörden – und damit in erster Linie die ermittelnden Staatsanwälte – zuständig.

Im Unterschied zur Bekämpfung der Mafia, die von einem nationalen Anti-Mafia-Staatsanwalt in Rom koordiniert wird, erfolgt die Bekämpfung der Korruption dezentral in dutzenden über das ganze Land verteilten lokalen Staatsanwaltschaften.

Und: Die politische Unterstützung für die Anac ist in den letzten Jahren geschwunden: Der von der sozialdemokratischen Regierung Matteo Renzi im Jahr 2014 ernannte Leiter der Behörde, der renommierte frühere Staatsanwalt Raffaele Cantone, hat im Sommer 2019 den Hut genommen, nachdem er mehrfach vom damaligen rechtsnationalen Innenminister Matteo Salvini attackiert worden war. Die nach wie vor sehr verbreitete Korruption in Italien belegt, dass die Schaffung einer einzelnen Behörde noch nicht ausreicht, um des Übels Schmiergeldzahlungen Herr zu werden.

Wellenbewegung

In Italien ist die Korruptionsbekämpfung ohnehin seit Jahrzehnten von Wellenbewegungen gezeichnet. Anfang der 1990er-Jahre hatte der Schmiergeldskandal "Tangentopoli" (ein Begriff, den der Aufdeckungsjournalist Piero Colaprico in Anlehnung an das Brettspiel "Monopoli" prägte) das damalige Parteiensystem hinweggefegt; die Staatsanwälte des Mailänder Ermittlerpools "Mani pulite" (saubere Hände) rund um Antonio Di Pietro wurden zu Volkshelden.

Der "Tangentopoli"-Skandal ebnete dem damaligen Privat-TV-Tycoon und Multimilliardär Silvio Berlusconi letztlich den Weg an die politische Spitze. Doch der selber in mehreren Prozessen angeklagte Premier verunglimpfte schon bald die "Mani pulite"-Ermittler in einer jahrelangen Diffamierungskampagne als "rote Roben" und sorgte mit eigens erlassenen Gesetzen dafür, dass die Strafverfolgung von Wirtschafts- und Korruptionsdelikten zum Teil wieder massiv erschwert wurde. Viele Verfahren wurden verschleppt – und endeten letztlich mit Freispruch wegen Verjährung. (Dominik Straub aus Rom, 17.2.2021)