Gratulationen von einer an die andere Weltmeisterin.

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Doppeltes Glück: Katharina Liensberger und Marta Bassino.

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Faivre krönte sich zum Weltmeister bei den Herren.

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Cortina d'Ampezzo – Ein derartiges Tohuwabohu hat es in der Geschichte von Ski-Weltmeisterschaften wohl noch nicht gegeben. Katharina Liensberger hat im neu geschaffenen WM-Parallelbewerb erst nach ÖSV-Intervention die Goldmedaille gewonnen. Die 23-jährige Vorarlbergerin musste sich am Dienstag bei der Premiere dieser Disziplin bei den alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Cortina d'Ampezzo im Finale zunächst Marta Bassino geschlagen geben. Zumindest hatte das Zeitnehmungssystem die Italienerin als Gold-Gewinnerin ausgewiesen.

Die beiden kamen zeitgleich ins Ziel, Bassino bekam für die schnellere Zeit im zweiten Lauf Gold zugesprochen. Nach rund 30 Minuten wurde aber das Ergebnis von der Fis korrigiert: Auch Liensberger durfte auf die oberste Stufe des Siegerinnenpodests. Bronze ging an die Französin Tessa Worley, die im kleinen Finale die US-Amerikanerin Paula Moltzan besiegte.

FIS Alpine

Liensberger befand sich in der Annahme, Silber gewonnen zu haben, mitten in ihren Ausführungen gegenüber Vertretern nationaler Printmedien, als plötzlich Hektik ausbrach. "Es ist ex aequo Gold, gerade bestätigt worden", sagte ÖSV-Pressesprecherin Manuela Riegler. "Was? Naaaa!", schrie Liensberger. Damen-Rennsportleiter Christian Mitter bestätigte über Funk: "Du bist Weltmeisterin."

Minutenlang konnte Liensberger ihr Glück kaum fassen. "Oh Gott! Oh mein Gott! Das ist ja megacool! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll." Immer wieder brach sie in Gelächter aus, dazwischen sank sie auf die Knie. "Ich kenn' mich gerade gar nicht aus. Es ist einfach nur genial", sagte Liensberger und wurde langsam gefasster. "Ich kann es gerade gar nicht glauben, aber es ist wirklich wahr und ich freue mich riesig."

Klare Regeln

ÖSV-Sportdirektor Toni Giger hat beim Skiverband Fis interveniert, dass es zwei Goldmedaillen geben müsse. Er fand eine entsprechende Passage im Regelbuch für Weltcup-Rennen. "Im Falle eines Gleichstands im Finale oder im kleinen Finale werden die Athleten ex-aequo gereiht", heißt es dort. Nach diesem Hinweis erfolgte die Ergebniskorrektur.

"Wir haben schon auf der Strecke diskutiert, dass die Regel, wonach die schnellere aus dem zweiten Run gewinnt, eigentlich ein Wahnsinn ist", sagte Damencheftrainer Christian Mitter. "Wir haben schon nachschauen müssen. Gott sei Dank hat es der Toni gefunden, dann hat es auch gepasst."

Neureuther beschwerte sich bei Waldner

Auch Felix Neureuther hatte mit der WM-Premiere so seine Probleme. Der frühere deutsche Skistar und nunmehrige TV-Experte regte sich über die unterschiedlich schnelle Kurssetzung dermaßen auf, dass er kurzerhand während der Live-Übertragung der ARD zum Handy griff und Fis-Rennchef Markus Waldner anrief. Als dieser nicht abhob, schrieb Neureuther ihm nach eigenen Angaben eine Nachricht, um sich zu beschweren.

Neureuther forderte Waldner auf, den langsamen Kurs leicht zu verändern und damit ähnlich schnell zu machen. Wie er danach erzählte, antwortete ihm der Fis-Rennchef dann tatsächlich während des Rennens mit einer Nachricht, in der er angab, dass eine Kursveränderung nicht möglich sei.

Waldner gab sich später beim Team Captains Meeting zerknirscht. "Es war nicht fair. Wir sind nicht glücklich", sagte der Rennchef mit Blick auf den schnelleren roten Kurs und die wohl zu geringe Penalty Time. Man lerne mit jedem Parallel-Rennen dazu.

Für Liensberger ist es die erste Einzelmedaille nach Team-Silber 2019 in Aare. Für den ÖSV ist es die insgesamt 298. Medaille und die insgesamt 100. Goldene bei Alpinski-Weltmeisterschaften. Die Schallmauer von 300 Medaillen könnte also in Cortina auch noch fallen.

Vierte Gold-Medaille in Cortina für den ÖSV

Für Österreichs Damen war es die erste WM-Medaille nach zehn sieglosen Bewerben. Für den ÖSV ist es die vierte Gold-Medaille in Cortina nach jenen durch Vincent Kriechmayr (Abfahrt, Super-G) und Marco Schwarz (Kombination).

Der Titel bei den Herren ging an den Franzosen Mathieu Faivre, Silber holte sich der Kroate Filip Zubcic, Bronze der Schweizer Loic Meillard. Fabio Gstrein scheiterte im Viertelfinale an Faivre. Der 23-jährige Tiroler hatte als einziger der ÖSV-Läufer die Qualifikation überstanden.

Das Vorspiel wurde auf einem Nebenhang bei den Cinque Torri bestritten, freilich auch parallel, allerdings nicht gegeneinander, sondern nur gegen die Uhr. Die jeweils besten acht schafften den Einzug ins Finale, das im unteren Bereich der Pista Olimpia delle Tofana gefahren wurde.

Favoritensterben

Das Finale verpasst hatten mit der Slowakin Petra Vlhová die Siegerin des Parallelbewerbs von Lech/Zürs im November wegen Ausfalls sowie auch die dortige Dritte Lara Gut-Behrami aus der Schweiz sowie Franziska Gritsch (um eine Hundertstel) und Ramona Siebenhofer (sehr deutlich).

Kombinationsweltmeister Marco Schwarz verschlief den Start und scheiterte ebenso in der Qualifikation ("Es ist sehr schade, nützt aber nichts") wie Roland Leitinger (um drei Hundertstel) und Adrian Pertl, der ausrutschte.

Überhaupt auf einen Start verzichtet hatten Alexis Pinturault und Henrik Kristoffersen. Der Franzose hatte den Parallelbewerb in Lech/Zürs im November vor dem Norweger gewonnen. (luza, honz, APA, 16.2.2021)

Endstand Damen:

1. Katharina Liensberger (AUT)
1. Marta Bassino (ITA)
3. Tessa Worley (FRA)
4. Paula Moltzan (USA)
5. Tina Robnik (SLO)
6. Federica Brignone (ITA)
7. Wendy Holdener (SUI)
8. Maryna Gasienica-Daniel (POL)
9. Coralie Frasse Sombet (FRA)
10. Nina O'Brien (USA)
11. Andrea Filser (GER)
12. Piera Hudson (NZL)
13. Estelle Alphand (SWE)
14. Stephanie Brunner (AUT)
15. Alex Tilley (GBR)
16. Meta Hrovat (SLO)

Endstand Herren:

1. Mathieu Faivre (FRA)
2. Filip Zubcic (CRO)
3. Loic Meillard (SUI)
4. Alexander Schmid (GER)
5. Luca de Aliprandini (ITA)
6. Fabio Gstrein (AUT)
7. Linus Strasser (GER)
8. River Radamus (USA)
9. Stefan Luitz (GER)
10. Zan Kranjec (SLO)
11. Marco Odermatt (SUI)
12. Samu Torsti (FIN)
13. Iwan Kusnezow (RSF)
14. Timon Haugan (NOR)
15. Stefan Hadalin (SLO)
16. Mattias Rönngren (SWE)

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Ticker zu den WM-Parallel-Rennen

Rules for World Cup Parallel (PDF, externer Link)

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Reaktionen:

Katharina Liensberger (AUT/Gold), nachdem sie (soeben) nachträglich zur Weltmeisterin gekürt worden war: "Oh mein Gott. Das ist ja megacool, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich kenne mich gerade gar nicht aus. Es ist einfach nur genial. Eine Goldmedaille zu gewinnen, ist etwas ganz Spezielles. Es ist ein Traum, der heute in Erfüllung gegangen ist."

Christian Mitter (ÖSV-Damen-Rennsportleiter): "Das Reglement besagt eindeutig, dass es im kleinen und großen Finale sehr wohl Ex-aequo-Platzierungen gibt. Wir haben schon am Hang diskutiert, dass die Regel eigentlich ein Wahnsinn ist. Toni (Anm.: Giger) hat dann das Reglement noch einmal ausgegraben und bei der Jury nachgefragt, und jetzt gibt es gerechterweise zwei Goldmedaillen. Die Regeln sind in diesem Bewerb noch relativ wenig ausgegoren. Wir haben uns diese Medaille verdient. Zuerst hat es mich schon brutal angezipft, dass es zeitgleich nur Silber ist, aber jetzt passt es super."

Toni Giger (ÖSV-Sportdirektor): "Es ist plausibel, wenn zwei gleich schnell sind, dass sie dann auch ex aequo sind. Wir haben Gott sei Dank nachgeschaut. Interessanterweise hat die Jury das Reglement auf den ersten Touch nicht ganz im Kopf gehabt."

Marta Bassino (ITA/Gold): "Es war wirklich ein großartiger Fight. Ich habe mein Bestes gegeben. Ich bin unendlich dankbar, dass ich hier in meiner Heimat den Sieg feiern darf."

Tessa Worley (FRA/Bronze): "Ich hatte viel Spaß, ich habe ja erst in dieser Saison in Lech begonnen, Einzel-Parallerennen zu fahren. Heute habe ich mich gut gefühlt, ich wollte nur attackieren."

Federica Brignone (ITA/6.): "Ich bin wirklich, wirklich verärgert. Der Kurs war so nicht fair. Ich bin richtig angepisst. Man kann keinen Parallel-Bewerb mit so unterschiedlichen Kursen setzen."

Stephanie Brunner (AUT/14.): "Wenn am den Start verschläft, sind die fünf Zehntel gleich einmal weg. Ich habe noch alles probiert, es war leider zu langsam. Ich habe das nicht zu oft trainiert, da müsste man mehr Bewerbe machen. Wenn nur einer im Jahr ist, ist das ein bissl schwierig."

Fabio Gstrein (AUT/6.): "Zwei Hundertstel tun weh, vor allem, wenn ich so viel aufhole. Ich habe noch zu viele Fehler gemacht, aber damit kann ich weiterarbeiten. Unterschiede hast bei den Kursen immer, aber wir fahren ja deshalb jetzt Re-Runs."