Frühestens 2024 könnte sich eine Szene wie diese auf der Mondoberfläche abspielen. Nach 50 langen Jahren, die seit den Apollo-Missionen vergangen sind, sollen dann wieder Raumfahrer auf dem Erdtrabanten landen.
Foto: Nasa

Auf dem Weg zum Mond ist auch der Blick zurück zur Erde wichtig. Im Angesicht der "blauen Perle", die dann wieder aus Monddistanz von Menschen mit eigenen Augen betrachtet werden kann, wird klar, wie fragil, wie einzigartig das Zuhause unserer Spezies ist. Während man unterwegs ist, um auf dem kargen Felsbrocken des Mondes eine nachhaltig und langfristig nutzbare Forschungsinfrastruktur aufzubauen, könnte dieser Blick zurück vielleicht auch helfen, einen nachhaltigeren Umgang mit dem Erdökosystem zu finden.

Unglaubliche 50 Jahre hat es gedauert, bis der Mond wieder zum Ziel der bemannten Raumfahrt wurde. Dem Apollo-Programm der 1960er-Jahre folgt Artemis – in der griechischen Mythologie die Zwillingsschwester Apollos, die nicht nur für Jagd und Natur, sondern als Göttin auch für den Mond zuständig ist. Der dritte Flug der Artemis, veranschlagt für 2024 – absehbar ist aber ein tatsächlicher Start ein, zwei Jahre später –, soll nun auch die erste Frau auf dem Mond absetzen.

Am 20. Juli 1969 gelang die erste bemannte Landung auf dem Erdtrabanten.
Foto: AFP/Laurent Emmanuel

Erfahrene Kandidatinnen

Wer diese Frau sein wird, ist noch offen. Im Astronaut-Corps der US-Raumfahrtbehörde Nasa steht – eher im Gegensatz zum europäischen Pendant Esa – eine ganze Reihe erfahrener Kandidatinnen bereit.

Diesseits des Atlantiks wird wohl lediglich die Italienerin Samantha Cristoforetti nach ihrer zweiten Tour zur Raumstation ISS, zu der sie bald aufbrechen wird, ausreichend Erfahrung haben. Zu den aussichtsreichsten männlichen Kandidaten gehört etwa der Deutsche Alexander Gerst, der bei seiner letzten ISS-Mission auch Führungserfahrung sammeln konnte.

Fix ist, dass zumindest drei Plätze in Artemis-Missionen, die Menschen in die Mondumlaufbahn und zur Lunar-Orbital-Plattform-Gateway – einer Raumstation im Mondorbit, die noch entstehen soll – bringen soll, mit Europäern besetzt werden. Künftiges weiteres Esa-Engagement könnte aber zusätzlich dafür sorgen, dass ein europäischer Astronaut auch tatsächlich den Mond betreten wird.

Die italienische Astronautin Samantha Cristoforetti wird als Kandidatin für eine Mondmission gehandelt.
Foto: Imago/Zuma/Marco Piraccini

Neues Terrain

Eingekauft wurden die Flugtickets zum Mond mit technischen Beiträgen der Esa. Sie baut neben Navigations- und Versorgungsmodulen der Gatewaystation das European Service Module (ESM) – und das gleich in sechsfacher Ausführung, wie in einer Presseveranstaltung Anfang Februar verkündet wurde.

Mit dem ESM betritt Europas Raumfahrtbehörde, für die auch Österreichs Klimaschutzministerium jährlich finanzielle Beiträge leistet, neues Terrain. Bei seinem Erstkontakt mit der Nasa-Führung 2008 hätte man den Europäern niemals missionskritische Infrastrukturen für eine Astronautenmission bauen lassen, erinnert sich der scheidende Esa-Chef Jan Wörner bei dem Pressetermin.

Das habe sich geändert. Man sei endgültig auf diesem "critical path" gelandet und stolz auf das Vertrauen, dass die Nasa in Europa setzt. Der ESM-Bau pumpt zudem 650 Million Euro in Europas Raumfahrtindustrie. Mit der Umsetzung ist der Airbus-Konzern beauftragt, der das ESM in Bremen assembliert.

Mit den European Service Modulen (EMS) leistet die Esa missionskritische Beiträge für künftige Mondmissionen. Video: Esa.
European Space Agency, ESA

Komplexes Antriebssystem

Das ESM ist das Trägerelement für die Orion-Raumkapsel, die etwa doppelt so groß wie jene der Apollo-Mission ist und statt drei nun vier Astronauten aufnehmen kann. Es beinhaltet umfassende Versorgungsinfrastruktur: Haupttriebwerk und Treibstofflager, Solarpaneele und Klimasystem, Sauerstoff- und Wasservorräte.

Geht hier etwas schief, ist also tatsächlich die ganze Mission gefährdet. David Parker, Director of Human and Robotic Exploration bei der Esa, sagt, dass er fast "vom Stuhl gefallen" sei, als er die Komplexität des Antriebssystems gesehen hat. Kritische Infrastruktur für Menschen im Weltall zu bauen bedeutet vor allem, Flexibilität und Redundanzen zu schaffen, die Fehler, Probleme und Ausfälle tolerierbar machen.

Artemis baut natürlich nicht nur auf den Erfahrungen von Apollo, sondern auch auf der 50-jährigen technischen Entwicklung danach auf. Mit an Bord sind Rechenpower, Robotik- und Kommunikationssysteme, von denen die ersten Mondbesucher Neil Armstrong und Buzz Aldrin noch nicht einmal träumen konnten.

Man trägt etwa Augmented-Reality-Headsets, die die Mondlandschaft vor Augen der Astronauten mit nützlichen Informationen überblenden. Dennoch ist bei der Auswahl der Technologien Verlässlichkeit oberste Prämisse. Der Bordcomputer ist etwa eine aufgemotzte Variante eines erprobten – nicht des allerneuesten – Modells aus der Luftfahrt.

Unbemannter Flug

Der bevorstehende, noch für Ende 2021 angesetzte, erste Schritt im Artemis-Programm ist ein unbemannter Flug zum Mond. Die Rakete des Space Launch Systems (SLS) der USA wird Orion samt ESM in den Erdorbit schicken, um von dort die Reise zum Mond aufzunehmen, ihn zu umrunden und wieder zurückzukehren. Vor dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre löst sich Orion vom ESM ab.

Das europäische Modul, das bei diesem Erstflug zum Einsatz kommt, wurde der Nasa übergeben, das zweite und dritte ESM sind dagegen noch im Bau. Artemis 2 soll dann 2023 Astronauten rund um den Mond schicken, bevor schließlich Artemis 3 auch Menschen auf der Oberfläche absetzt.

Bis zum Ende des Jahrzehnts ist dann eine Reihe weiterer Landemissionen geplant. Unabhängig davon liefern eigene Versorgungsflüge Gatewaymodule oder Mondrover. Mittlerweile hat sich auch der neue US-Präsident Joe Biden zur Fortführung von Artemis bekannt und Unsicherheiten, die davor bestanden, ausgeräumt.

Letztendlich ist diese komplexe Mondmission aber dennoch nur ein Testdurchlauf für ein noch viel größeres Ziel. Eine Reise zum Mars wird jede Erfahrung, jeden Datenschnipsel brauchen, um dasselbe Spiel noch einmal im größeren interplanetaren Maßstab veranstalten zu können. Die Erde ist vom Roten Planeten gesehen dann nur noch ein kleiner blauer Punkt. Der Aufwand, den die Reise bedeutet, wird die Astronauten aber nicht vergessen lassen, wie sehr wir auf diesen Punkt am Marsfirmament angewiesen sind. (Alois Pumhösel, 22.2.2021)