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Auch Platin, im Bild ein Arbeiter des Minenkonzerns Anglo American in Simbabwe, wird zurzeit sehr stark nachgefragt.
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Minus 37 US-Dollar für ein Fass Rohöl der Sorte WTI – eine Begebenheit, die sinnbildlich für die Verwerfungen an den Rohstoffmärkten unmittelbar nach dem Ausbruch der Corona-Krise steht. Das war im April 2020, zehn Monate darauf hat der Wind längst gedreht. Zu Wochenbeginn kostete ein Barrel WTI wieder mehr als 60 Dollar. Ähnlich ist die Lage bei der Nordseesorte Brent, die derzeit um etwa zehn Prozent teurer ist als vor Beginn der Krise. Aber auch bei anderen Rohstoffen zeigt der Preistrend steil nach oben. Ist dies etwa der Startschuss zu einem Superzyklus, also einer längeren Phase deutlich steigender Preise?

Dieser Ansicht sind zumindest die Experten der US-Investmentbank Morgan Stanley. Sie fühlen sich in die 2000er-Jahre versetzt, als der letzte Superzyklus die Rohstoffpreise bis 2011 in die Höhe trieb. Wobei sich viele treibende Faktoren von damals auch heute zeigen – etwa eine ausgedehnte Dollarschwäche, was die in der US-Währung gehandelten Rohstoffe in anderen Wirtschaftsräumen günstiger macht. Und neuerlich treibt der Rohstoffhunger in China und anderen Staaten Asiens, wo sich die Konjunktur bereits wieder im Aufwind befindet. Auch in den USA und anderen Schwellenländern stehen die Zeichen längst auf Wachstum.

Engpässe in Logistik

"Das sorgt für einen Nachfrageschub und Engpässe bei der Logistik", sagt Michael Salden, Leiter Rohstoffe bei dem Schweizer Vermögensverwalter Vontobel. Dazu komme, dass die etwa zehnjährige Flaute von Commodities, wie Rohstoffe in der Finanzwelt auch bezeichnet werden, für rückläufige Investitionen gesorgt hätte, wodurch die Produktionskapazitäten zurückgefahren wurden. Besonders stark ist dieser Effekt übrigens im Ölsektor ausgefallen, da wegen des globalen Trends zur Dekarbonisierung viel Investitionskapital in regenerative Energiequellen wie Wind oder Sonne umgeleitet wurden.

Aber auch bei Industriemetallen ist ein Nachfrageanstieg spürbar. Etwa Kupfer, dessen Preisentwicklung als Konjunkturindikator gilt, wird seit Monaten kontinuierlich teurer und liegt derzeit um mehr als 40 Prozent über dem Niveau vor der Corona-Krise – der höchste Preis seit etwa sieben Jahren. Auch hier macht sich die Energiewende bemerkbar, denn für Elektroautos oder Ladestationen ist Kupfer in großen Mengen nötig. Bei Platin ist es hingegen die Aussicht auf vermehrte Nachfrage durch Brennstoffzellen für die Energieerzeugung mit Wasserstoff, die den Preis um etwa ein Drittel über das Vorkrisenniveau steigen ließ.

Mittelfristige Überhitzung

Zusätzlich treibt auch die Nachfrage von Finanzinvestoren die Preise. "Öl und Industriemetalle sind die beste Absicherung gegen Inflation", sagt Rohstoffexperte Salden im Handelsblatt. Besonders in den USA ist unter Ökonomen und Finanzexperten längst eine Diskussion über die Gefahren eines Schubs der Verbraucherpreise entbrannt. Der Volkswirt und ehemalige US-Finanzminister Larry Summers warnt wegen allzu hoher Regierungshilfen, die im Gegensatz zum Geld der Notenbanken direkt in die Realwirtschaft gespritzt werden, vor einer mittelfristigen Überhitzung der US-Wirtschaft. Dies würde auch auf die Inflation durchschlagen.

Die Notenbanken Fed und EZB kündigten bereits an, ein vorübergehendes Überschießen ihrer Inflationsziele von zwei bzw. knapp zwei Prozent zuzulassen – was wohl im heurigen Jahresverlauf zumindest in den USA und auch in einigen Ländern der Eurozone passieren sollte. Dennoch, Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer glaubt trotz der starken Preisanstiege nicht an einen neuen Superzyklus. Ihm zufolge stammt nämlich ein großer Teil der Nachfrage von Finanzinvestoren. Diese handeln zwar mit Rohstoffen, verbrauchen sie aber nicht. (Alexander Hahn, 17.2.2021)