Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer attackierte die ÖVP, bei der Abstimmung hielten die Grünen dem türkisen Koalitionspartner jedoch die Treue.

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Schon wieder eine Sondersitzung im Nationalrat, schon wieder ein Misstrauensantrag gegen einen türkisen Minister – und schon wieder Kritik der Grünen am eigenen Koalitionspartner, ohne sich endgültig von ihm zu verabschieden. Wer am Dienstag die Parlamentsdebatte beobachtete, konnte ein leichtes Déjà-vu erleiden. War es nicht erst wenige Tage her, dass die Opposition Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in den Nationalrat zitierte und ihn die grünen Abgeordneten zwar ermahnten, um dann aber doch regierungstreu abzustimmen?

"Was bilden Sie sich ein?"

Dieses Mal war es jedenfalls Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), der im Zentrum der Diskussionen stand. Seine Lage ist deutlich heikler als jene seines Kollegen im Innenministerium: Wurden bei Nehammer Demo-Untersagungen und Behördenfehler kritisiert, steht Blümel selbst im Visier der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Dadurch wurde auch der Ton der Opposition deutlich rauer. "Was bilden Sie sich eigentlich ein, dass Sie in diesem Amt bleiben können?", fragte der rote Vizeklubchef Jörg Leichtfried mehrfach in Richtung Blümel. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl sprach davon, dass der "türkise Hut lichterloh brennt" und konstatierte: "Game over, Herr Blümel." Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger analysierte, dass die ÖVP "torpediert, sabotiert und diskreditiert".

Türkis-grüner Deal

Mit der Zustimmung zu großflächigen Reformen in den Bereichen Parteienfinanzierung, Unabhängigkeit der Justiz und Kontrollmechanismen haben sich die ÖVP und Blümel allerdings Zeit erkauft. Schon "in den nächsten Wochen" sollen entsprechende Gesetze in Begutachtung geschickt werden, versprach die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Dem Koalitionspartner attestierte sie ein "gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat". Die Hausdurchsuchung bei Blümel sei "gerechtfertigt, sogar notwendig" gewesen, sagte Maurer in einer Pressekonferenz. Wenn Blümel angeklagt werden sollte oder sich neue Verdachtsmomente ergeben, würden auch die Grünen dessen Rücktritt fordern.

Ärger über ÖVP-Kandidaten

Schrittweise wurden in den vergangenen Tagen mehr Details zur Beziehung zwischen Blümel und dem einstigen Novomatic-Chef Harald Neumann bekannt. Dieser hat in Chatnachrichten im Sommer 2017 immer wieder über den Wahlkampf der ÖVP gesprochen. So beschwerte er sich bei Blümel über die Kandidatenauswahl der Volkspartei. Besonders zwei Quereinsteiger ärgerten Neumann, einen davon bezeichnete der Manager gegenüber Blümel als "echten Opportunisten". "Sorry für die offenen Worte, aber der Oktober ist zu wichtig! LG Harald", beendete Neumann die Nachricht.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft verdächtigt Blümel und Neumann der Bestechung, es gilt die Unschuldsvermutung. Ausgangspunkt ist eine Nachricht, die Neumann am 12. Juli 2017 an Blümel schickte. Darin bittet er den Obmann der Wiener ÖVP, einen Termin beim damaligen Außenminister Kurz zu besorgen: wegen "erstens Spende, zweitens eines Problemes, das wir in Italien haben". Die Novomatic kämpfte dort gegen eine Steuernachzahlung in Millionenhöhe.

Unmoralisches Angebot

Die WKStA vermutet in der Kombination von Spendenangebot und "Problem"-Besprechung ein Bestechungsangebot, die Beteiligten weisen das strikt von sich – auch dass je eine Spende an die ÖVP oder die ÖVP Wien geflossen sei. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Auch nach dieser Nachricht blieben Blümel und Neumann in regelmäßigem Kontakt – vor allem rund um die Nationalratswahl am 15. Oktober 2017. So findet sich im Terminkalender von Neumann ein Termin mit dem Betreff "Blümel" am 6. Oktober 2017, also neun Tage vor der Nationalratswahl. Am 16. Oktober – also einen Tag nachdem die ÖVP als klarer Sieger aus der Wahl hervorgegangen war – meldete sich Neumann am frühen Vormittag bei Blümel: "Können wir uns irgendwann in der ersten Novemberhälfte zusammensetzen! Möchte ein paar Punkte mit Dir durchgehen! Wenn du willst kann auch jemand vom GenSek (Generalsekretariat, Anm.) dabei sein! Lg Harald". Blümel antwortete: "Termin gerne! Vorschlag kommt!"

Kein Kommentar zu Mails

Worum ging es da? Neumanns Anwalt Norbert Wess sagt auf Anfrage des STANDARD, dass sein Mandant "punktuelle und aus dem Zusammenhang herausgelöste E-Mail-Kommunikationen, die im Übrigen auch noch mehr als drei Jahre zurückliegen und überdies aus einem Verschlussakt der WKStA stammen, medial nicht kommentieren wird". Allerdings sei klar festgehalten, dass sich Neumann "nichts vorzuwerfen und keinerlei – schon gar kein strafrechtlich relevantes – Fehlverhalten gesetzt" habe. (Fabian Schmid, Renate Graber, Sebastian Fellner, 16.2.2021)