Die Corona-Demonstrationen machen das Phänomen der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft mehr als deutlich. Fast noch auffälliger ist, dass Journalisten von klassischen oder sogenannten "Mainstream"-Medien bei bestimmten Zielgruppen zusehends Glaubwürdigkeit einbüßen. Woher aber resultiert ein derartiger Prozess, welcher sogar in tätlichen Übergriffen auf Medienvertreter endet?

Beide Gruppen dürften im Vergleich zu früheren Zeiten aus immer heterogeneren sozialen Biotopen stammen. Während sich die Pressemitarbeiter als Repräsentanten der Aufklärung und Bildung sehen, werden die Demonstranten in das rechte Eck der Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker gesteckt. Diese einfache Dichotomie ist jedoch für einen wirklichen Erkenntnisgewinnungsprozess nicht förderlich. Denn wenn Journalisten die Demonstranten und ihre Schwachstellen zielsicher analysieren, wird der emotional-menschliche Aspekt und die damit verbundenen existenziellen Motive in der Berichterstattung in manchen Fällen ausgeblendet. Dies macht einen konstruktiven Dialog und eine differenzierte Kommunikation leider unmöglich. Am Ende stehen sich zwei Lager in so zumeist von beiden Seiten nicht intendierter Konfrontation gegenüber und werden wechselseitig durch ihre latente Abwehr und Abwertung in Bezug auf das jeweilige Gegenüber unbewusst gesteuert. Der Konflikt ist vorprogrammiert.

Stigmatisierung und Konfundierungseffekt

Sicher tummeln sich bei Großdemonstrationen verschiedenste Gruppen und Menschentypologien. Betrachtet man jedoch die mediale Berichterstattung wird ein gewisser Schwerpunkt auf bestimmte rechtslastige oder zu spannenden Theorien neigenden Personen bewusst oder unbewusst gesetzt. Dem Großteil der Demonstranten bei den Corona-Demos ist egal, wer noch alles mit ihnen demonstriert, geschweige denn, dass ihnen die Personen aus dem weit rechten Lager überhaupt ein Begriff sind. Dennoch werden die berechtigten Existenzängste vieler Teilnehmer mit rechtsradikalen und obskuren Strömungen konfundiert. Die genannten Bewegungen stellen einen klassischen Störfaktor, welcher aus der Empirie im Speziellen in Zusammenhang mit Experimenten bekannt ist, dar. Sie sind also Faktoren, die einen gewissen (ungewollten) Einfluss auf die Demoteilnehmer als unabhängige Variable sowie auf die Auswirkungen der Veranstaltung, wie beispielsweise die mediale Berichterstattung, als abhängige Variable ausüben. Zentral ist, dass die übrigen Teilnehmer diese nicht kontrollieren können. Somit geht es nicht nur um die berechtigten Anliegen der Demonstranten, sondern es schwingt immer ein von der breiten Masse unbeabsichtigter fader Beigeschmack mit.

Demonstrant bei einer untersagten Demo in Wien.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Verlust des Urvertrauens

Durch den Aufbau von teilweise subliminalen Feindbildern kommt es zu einem fatalen Effekt. Einerseits werden Demonstrationsbesucher in einen Topf mit Ultrarechten und Corona-Leugnern geworfen und anderseits werden Medienvertreter als willfährige Handlanger des politischen Establishments und dessen Institutionen wahrgenommen. Ein Negativkreislauf, den es zu unterbrechen gilt. Die Wahrnehmung der Journalisten ist nur ein Symptom eines gestörten Urvertrauens auf gewachsene Institutionen wie den Staat, seine Organe, Arbeiter- und Unternehmervertreter und viele mehr.

Das beschriebene Konglomerat wird als im geschützten Bereich existierend gesehen, während der Normalbürger in der Krise ums Überleben kämpfen muss. Ist diese Sichtweise ganz so falsch? Bei Politikern, Staatsdienern, Interessensvertretern und anderen läuft zumeist das Fixgehalt weiter. Sie sind von der Krise zumindest ökonomisch nicht so hart betroffen wie jene, die sich an die allgemeinen Corona-Regeln halten müssen und zusätzlich ihren Arbeitsplatz verlieren oder deren Unternehmen keine Einnahmen generiert. Wenn man sich die aktuellen Vorfälle rund um vermeintliche Korruptionsskandale in der Politik oder das Projekt “Kaufhaus Österreich“ vor Augen führt, ist es da wirklich so verwunderlich, dass viele Menschen den Glauben an unser politisches System verlieren und auf die Straße gehen? (Daniel Witzeling, 22.2.2021)

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