Manuela Vollmann: "Bei jedem investierten Euro müsste diese Wirkungsfolgenabschätzung ein Kriterium sein – auch bei der Gemeindemilliarde."

Foto: Matthias Cremer

Die Krise auf dem Arbeitsmarkt könnte für Frauen besonders schwerwiegende Folgen haben. Einerseits sind sie in Branchen mit hohen Jobverlusten wie dem Tourismus oder dem Handel stark vertreten, andererseits macht ihnen die Doppelbelastung aus Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit nach zwölf Monaten Corona-Krise besonders zu schaffen – sie reduzieren daher oft ihre Arbeitszeit oder werden wegen fehlender Flexibilität gekündigt. Das Frauenberufszentrum abz* Austria unterstützt Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Geschäftsführerin Manuela Vollmann plädiert für gezielte Frauenförderpläne und dafür, dass gerade jetzt nicht auf die Erwachsenenbildung vergessen wird.

STANDARD: Mit welchen Schwierigkeiten kommen die Frauen derzeit in die Beratung?

Vollmann: Noch immer sehr oft mit dem Thema Infrastruktur. Die Frauen haben nicht genügend Geld für einen eigenen Laptop, wenn es einen gibt, wird der oft von den Kindern oder dem Ehemann beansprucht. Im Homeoffice arbeiten und lernen viele Frauen am Küchentisch, ein eigener ungestörter Raum ist Luxus. Große Wohnungen sind teuer, und das Problem der Wohnverhältnisse taucht jetzt in der Pandemie mehr und mehr auf.

Frauen wollen außerdem gerade aufgrund der Situation mal raus und gern zu uns kommen. Wir versuchen, unser Bestes zu tun, um dies unter Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen möglich zu machen, denn wir wissen aus den Beratungen, wie groß die Belastung der Frauen ohnehin schon ist. Zu Hause müssen sie Homeschooling, den Haushalt und Carearbeit unter einen Hut bekommen. Dazu kommen Existenzängste und psychischer Druck. Das ist ein Spagat, der vielfach nicht mehr zu schaffen ist. Den Diskurs über die Schulen gibt es, es fehlt aber einer darüber, wie es mit der Erwachsenenbildung und der arbeitsmarktpolitischen Bildung derzeit weitergehen sollte. Wir beraten und begleiten online, haben die meisten Workshops in den digitalen Raum verlegt, wir bieten E-Mail- und Telefonberatung – das haben wir wirklich sehr rasch hinbekommen. Doch die Bildungswege der Frauen sind derzeit trotzdem mit vielen Stolpersteinen gepflastert.

STANDARD: Die Arbeitsmarktstiftung wurde im August präsentiert. Frauen müssten sich demnach für Zukunftsjobs qualifizieren. Aber wo wollen die Frauen hin?

Vollmann: Der Tourismus ist stark eingebrochen, und das ist eine Frauenbranche. Jetzt können wir darauf warten, dass es die Jobs alle wieder irgendwann gibt – doch wir sind diesbezüglich skeptisch. Deshalb müssten wir bewusst Frauen in andere Berufsfelder bringen – es ist auch eine Chance, um Frauen abseits von Saisonarbeit besser bezahlte Jobs zu ermöglichen.

STANDARD: Welche Berufsfelder sind das?

Vollmann: Frauen sollten Jobs in Zukunftsbranchen bekommen, die existenzsichernd sind. Konkret sehe ich da neue Möglichkeiten im Bereich Mobilität, Energieversorgung, IT/Digitalisierung und in der produzierenden Industrie. Alle Berufe rund um den Klimaschutz und Umweltmanagement dürfen keine Männerdomänen sein. Wir haben einen segregierten Arbeitsmarkt, und auch in der Bildung gibt es diese Spaltung. Auf Genderaspekte wurde in der Schule schon vor Corona zu wenig geachtet. Deshalb müssen wir bewusst in strukturelle Maßnahmen investieren. Frauen sollen individuelle Entscheidungen treffen können, deshalb muss ihnen eine breitere Palette an Möglichkeiten wirklich offenstehen. Frauen fühlen sich aber von den genannten Bereichen immer noch nicht angesprochen, da es zu wenig Informationen, zu wenig weibliche Vorbilder und zu wenig Strukturen gibt, die das möglich machen. Da braucht es auch entsprechend weitreichende Kampagnen dazu.

STANDARD: An welchen strukturellen Maßnahmen denken Sie?

Vollmann: Das könnten zum Beispiel regionale Initiativen sein. Man sollte Radwege massiv ausbauchen und bei solchen Projekten darauf schauen, dass 50 Prozent Frauen von der Planung bis zur Umsetzung mitarbeiten. Gemeinden bekommen nur dann Geld, wenn sie Aufträge an Unternehmen mit entsprechendem Frauenanteil vergeben. In den Gemeinden würde ich den Ausbau und die Schaffung von Coworking-Spaces bzw. Colearning-Spaces vorantreiben wollen. Homeoffice ist keine universelle Lösung für alle, da braucht es zusätzliche Angebote und neue Strukturen für regionale Arbeitsplätze, wo dann auch zum Beispiel die Kinderbetreuung und Lernbetreuung für die Kinder angeboten werden kann.

STANDARD: Ende 2020 gab es die Gemeindemilliarde – wird das Geld sinnvoll eingesetzt?

Vollmann: Da kommen wir zur sogenannten Wirkungsfolgenabschätzung. Diese haben wir in Österreich für die verschiedensten Bereiche, auch für Geschlechtergerechtigkeit. Bei jedem investierten Euro müsste diese Wirkungsfolgenabschätzung ein Kriterium sein – auch bei der Gemeindemilliarde. Die Stadt Wien fordert etwa von geförderten Betrieben einen Frauenförderungsplan. Wenn sie den nicht haben, dann gibt es Unterstützung und Empfehlungen dafür.

STANDARD: Wie sieht es mit dem Pflegebereich aus – eigentlich auch ein krisensicherer Zukunftsjob, oder? Und dort sind die Frauen schon.

Vollmann: In der Pflege müssen die Ausbildungen nicht nur qualitativ hochwertig, sondern auch attraktiv in ihren Rahmenbedingungen sein, damit für die vielen Frauen, die sich für diesen Bereich interessieren, dieser Weg auch machbar ist und auch Karriere ermöglicht. Es ist wichtig zu wissen, welche Aufstiegsmöglichkeiten ich habe, denn Aufstieg bedeutet auch, mehr Geld zu verdienen. Allerdings haben wir in der Pflege ein großes Imageproblem. Wir müssen uns ansehen, wie die Arbeitszeiten in der Pflege wirklich aussehen. Das Image zu verbessern heißt also nicht nur Marketing, sondern es heißt, den Arbeitnehmerinnen wirklich gute Rahmenbedingungen zu bieten. Und da sind wir beim Gehalt: Da müssten sich die Sozialpartner*innen zusammentun, um diese Jobs auch finanziell interessanter machen, denn das wird nicht die letzte Pandemie gewesen sein. (Beate Hausbichler, 17.2.2021)