Die Zoonosen-Forscher Friederike Jansen und Stephan Ludwig schreiben in ihrem Gastbeitrag über die Gefährlichkeit von Zoonosen und die Auswirkungen des gesteigerten öffentlichen Interesses für die Wissenschaftscommunity.

In der Tierwelt schlummern Tausende von Erregern, die auch für den Menschen gefährlich werden können. Epidemische Krankheitsausbrüche wie die sogenannte Schweinegrippe, Ebola oder auch die vermehrten Infektionen durch das Zikavirus, die allesamt aus der Tierwelt stammen, sind uns noch allgegenwärtig. Aber erst die Covid-19-Pandemie hat die ungeheure Dimension, die eine Erregerübertragung aus der Tierwelt einnehmen kann, eindrücklich vor Augen geführt und die Bedrohung durch Zoonosen einer breiten Öffentlichkeit schmerzlich erfahrbar gemacht.

Ein Ziel der Forschung ist, Krankheitsausbrüche schon im Vorfeld zu verhindern: Ein Wissenschafter fängt Fledermäuse in einer Höhle in Gabun.
Foto: AFP / Steeve Jordan

Zoonosen, also Infektionskrankheiten, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können, machen weltweit etwa zwei Drittel aller neu auftretenden oder wiederkehrenden Infektionskrankheiten aus. Es ist zu befürchten, dass sich Zoonosen weiter ausbreiten und zukünftig zu einem noch ernsthafteren globalen Gesundheitsrisiko werden. Die Ursachen sind vielfältig. Klimawandel, Globalisierung und die Zerstörung von Ökosystemen tragen dazu bei, die zunehmende Weltbevölkerung führt zu einem immer weiteren Vordringen in bislang unbewohnte Gebiete, und durch die Zunahme der globalen Mobilität verbreitet sich ein einmal aufgetauchter Erreger in erschreckender Geschwindigkeit um die ganze Welt.

Nur fachübergreifend

Die Suche nach dem Ursprung von Zoonosen treibt die Wissenschaft genauso um wie die drängende Frage, welche Eigenschaften ein Erreger haben muss, um von Tieren auf den Menschen überspringen und sich dort ausbreiten zu können. Die komplexen Zusammenhänge machen deutlich, dass diese Fragen nur über Fächergrenzen hinweg gemeinsam beantwortet werden können. Es gibt nicht die eine Zoonosenforscherin oder den einen Zoonosenforscher. Zoonosenforschung lebt von der Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen. Human- und Tiermediziner sind für die Erforschung und Bekämpfung von Zoonosen ebenso wichtig wie etwa Epidemiologen, Ökologen, Klimaforscher oder Modellierer. Diese Interdisziplinarität bedeutet eine große Herausforderung, aber auch die Chance für einen enormen Erkenntnisgewinn.

Als Beispiel für eine erfolgreiche interdisziplinäre Netzwerkbildung mag die 2009 in Deutschland vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gegründete Nationale Forschungsplattform für Zoonosen dienen, ein Informations- und Servicenetzwerk für alle aktiven Wissenschafterinnen und Wissenschafter in diesem Bereich. Sie bildet gewissermaßen das Rückgrat vernetzter Zoonosenforschung und vereint mehr als 1000 Mitglieder (Stand 02/2021) unter ihrem Dach.

Nicht nur Viren sind interessant

Die Bildung solcher koordinierter Netzwerke sollte, auch länderübergreifend, in Zukunft noch intensiviert werden. Dies ist nicht nur wichtig, um aktuelle Krankheitsausbrüche umfassend zu verstehen und bekämpfen zu können. Ziel muss sein, zukünftig nicht "nur" auf bestehende Probleme zu reagieren, sondern sie im Vorfeld zu vermeiden. Pandemieprävention muss in der Forschung in den nächsten Jahren noch stärker in den Fokus genommen werden. Dies bedarf auch einer internationalen Zusammenarbeit und großer finanzieller Ressourcen.

Es muss weiters ergründet werden, welche Erregerreservoire wir in der Natur vorfinden und wie Artbarrieren überwunden werden können. Dabei sind nicht nur Viren interessant, auch die weitere Untersuchung von Bakterien, Pilzen oder Prionen als zoonotische Erreger ist essenziell.

So war beispielsweise die Bekämpfung der EHEC-Epidemie im Jahr 2011, ausgelöst durch mit enterohämorrhagischen Escherichia-coli-Bakterien verunreinigten Sprossen nur möglich, weil interdisziplinäre Forscherteams an dem Erreger arbeiteten, diesen sequenzieren, seine Übertragung verstehen und die Lebensmittelketten zurückverfolgen konnten. Ein schnelles Reagieren war möglich, da die vernetzten Strukturen der Zoonosenforschung in Deutschland zum damaligen Zeitpunkt bereits bestanden.

Stark gestiegene öffentliche Interesse

Das durch die Pandemie stark gestiegene öffentliche Interesse an all diesen Zusammenhängen ist von großem Vorteil, um die dringenden Forschungsbedarfe in der Breite bewusstzumachen. Allerdings geht damit auch ein veränderter Informationsanspruch an die Wissenschaft einher. Inzwischen gehen die Fragen über die reine Begriffsdefinition von Zoonosen hinaus. Forschungsarbeiten werden genau betrachtet, und die Ergebnisse werden auch öffentlich diskutiert.

Die Arbeit wissenschaftlicher Experten der WHO zur Erforschung des Pandemieursprungs in China findet unter den wachsamen Augen der gesamten Welt statt. Für uns Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die seit Jahren in diesem Feld arbeiten, ist das neu. Dem Wunsch nach allgemein verständlicher Erläuterung von Forschungsdaten muss und möchte die Wissenschaft entsprechen. Wissenschafterinnen und Wissenschafter sind nicht mehr "nur" Forscherinnen und Forscher, sondern werden zu Kommunikatoren, die ihr Fachwissen über diverse Medien und Kanäle teilen. Wissenschaftskommunikation hat durch die Pandemie einen neuen Stellenwert bekommen. Das ist gut so, bedeutet aber auch eine enorme Herausforderung. Zielgruppengerecht zu kommunizieren und komplexe wissenschaftliche Inhalte allgemein verständlich zu transportieren ist oft schwer in den wissenschaftlichen Alltag zu integrieren. Es erfordert entsprechende Kompetenzen sowie zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen, die häufig nicht zur Verfügung stehen.

Gerade in einem Forschungsfeld wie der Zoonosenforschung, das für die Zukunft von zentraler Bedeutung bleiben wird, bleibt die transparente Darstellung geplanter und geleisteter Forschungsarbeit eine zentrale Aufgabe. (Friederike Jansen, Stephan Ludwig, 18.2.2021)