Isabel Haider, Forscherin am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien, geht in ihrem Gastbeitrag der Frage nach, wie der Verfassungsschutz seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sucht – und was er dabei mehr beachten sollte.

Im Zuge der Umgestaltung des BVT und einer Neuaufstellung sicherheits- und kriminalanalytischer Aufgaben sollte die Rekrutierungspolitik der österreichischen Polizei auf internationale Standards angehoben werden. Gerade für analytische Aufgaben sollten Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger aus verschiedenen Disziplinen gewonnen werden, anstatt ausschließlich intern oder auf Ebene der Grundausbildung zu rekrutieren. Der Bewerberinnen- und Bewerberpool schränkt sich dadurch drastisch ein.

Wir wird man eigentlich Verfassungsschützerin oder -schützer? Wird nur im Polizeiapparat gesucht? Gezielte öffentliche Ausschreibungen erfolgen jedenfalls keine.
Foto: APA/Jäger

Eine der Empfehlungen des Berichts der unabhängigen Untersuchungskommission zum Terroranschlag vom 2. 11. 2020 ist eine stärkere Professionalisierung des Verfassungsschutzes. Nach Ansicht des Innenministeriums sei dafür bereits insofern gesorgt worden, als eine Staatsschutzgrundausbildung eingeführt wurde. Ein Masterlehrgang soll folgen. Mit der Ausbildung wurde bereits begonnen. Eine objektive Personalrekrutierung sei schon umgesetzt. Doch: Wie wird man Verfassungsschützerin, -schützer?

Die Aufnahmevoraussetzungen zur Ausbildung für einen späteren Einsatz im Verfassungsschutz sind (öffentlich) nicht bekannt. Fraglich ist auch, wie das Personal für die bereits begonnenen Grundausbildungslehrgänge im Staatsschutzbereich gewonnen wurde. Soweit ersichtlich, richtet sich die Grundausbildung nicht an das bereits bestehende Verfassungsschutzpersonal.

Wer rekrutiert wird

Da keine gezielten öffentlichen Ausschreibungen erfolgten, dürfte entweder nur ministeriumsintern oder aus den sich zur allgemeinen Polizeigrundausbildung Bewerbenden rekrutiert worden sein. Für diese Grundausbildung wird seit einigen Jahren vermehrt geworben. Laut Ausschreibung dient die Polizeigrundausbildung der Vorbereitung für die Verwendung als Exekutivbedienstete bzw. Exekutivbediensteter.

Die Polizeigrundausbildung besteht aus einer Basisausbildung von zwölf Monaten, die Basiswissen für den Dienst in einer Polizeiinspektion vermittelt, zwei Berufspraktika von insgesamt sieben Monaten in Polizeiinspektionen und einer vertiefenden Ausbildung von fünf Monaten. Aufnahmevoraussetzungen sind im Wesentlichen, dass man österreichische Staatsbürgerin oder österreichischer Staatsbürger von mindestens 18 Jahren und handlungsfähig ist. Schulische oder universitäre Qualifikationen werden nicht vorausgesetzt.

Sollte die Rekrutierung tatsächlich aus dem Pool der Bewerbungen für die allgemeine Polizeigrundausbildung erfolgen, wird das Ziel einer erhöhten Qualifizierung jedoch gerade nicht erreicht. Warum erfolgt keine öffentliche Ausschreibung, die sich konkret an Bewerberinnen und Bewerber richtet, die im Staatsschutz tätig sein wollen? Aktiv eingeworben werden sollten Interessentinnen und Interessenten, die bereits Fachwissen und Praxiserfahrung aus verschiedensten Bereichen mitbringen. Hierfür könnten Hochschulabschlüsse etwa aus den Bereichen der Rechts-, Religions-, Sozial- oder Sprachwissenschaften relevant sein. In Deutschland erfolgen etwa eigene Stellenausschreibungen für Hochschulabsolvent*innen durch Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz für verschiedenste analytische oder wissenschaftliche Tätigkeiten.

Nicht attraktiv

Ein Quereinstieg qualifizierter Personen mit bereits vorhandener facheinschlägiger Expertise wird derzeit nicht forciert. Ausschreibungen, die für den allgemeinen Polizeidienst werben, sind für Höherqualifizierte nicht attraktiv. Die allgemeine Grundausbildung und offiziell beworbene polizeiliche Laufbahn sieht nämlich keine Anrechnungsmöglichkeiten oder Fast-Track-Verfahren für Bewerberinnen und Bewerber vor, die bereits Qualifikationen mitbringen. Eine jahrelange Schulung von Grundkenntnissen und Dienstverrichtung im Streifendienst, bevor man spezialisiert tätig sein kann, werden zum einen kaum Höherqualifizierte anlocken. Zum anderen sollten weder Eignung für noch Interesse an den Tätigkeiten für Verfassungsschutz und allgemeinen Exekutivdienst gleichgesetzt werden.

Natürlich braucht es eine durch die Behörde vermittelte Spezialausbildung. Diese ersetzt jedoch nicht solche Fachkenntnisse und Fähigkeiten, die von Hochschulabsolventinnen und -absolventen, gegebenenfalls mit einschlägiger Berufspraxis, in den Verfassungsschutz eingebracht werden könnten. Darüber hinaus brächten Höherqualifizierte, die auch externe berufliche (Sozialisations-)Erfahrungen gesammelt haben, eventuell frischen Wind in die ebenfalls im Bericht der Untersuchungskommission thematisierte Organisationskultur. Eine tatsächliche Professionalisierung und transparente Personalrekrutierung des Verfassungsschutzes kann nur durch gezielte öffentliche Ausschreibungen auf allen Ebenen erfolgen. (Isabel Haider, 18.2.2021)