2019 protestierten tausende – vor allem junge – Nutzer aus Sorge vor Uploadfiltern.

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Das Urheberrecht steht vor seiner größten Veränderung seit der Jahrtausendwende. Sehr wahrscheinlich ist künftig jedenfalls: Wo auch immer Nutzer Inhalte hochladen, wird es Uploadfilter geben. Das scheint aufgrund der 2019 verabschiedeten Urheberrechtsreform der EU unausweichlich. Die Richtlinie muss auch in Österreich spätestens im Juni umgesetzt werden. Sie erlaubt nationalen Gesetzgebern aber Spielraum darin, wie streng diese Vorgaben einzuhalten sind. Auch ein Leistungsschutzrecht ist vorgesehen. Zuletzt sorgte Facebooks Sperre von Medieninhalten in Australien in diesem Zusammenhang für Aufsehen. Hierzulande ist das Justizministerium für die nationale Gesetzgebung zuständig. Ein Überblick.

Frage: Worum geht es bei der Urheberrechtsreform?

Antwort: Die EU will mit dem Gesetz das Copyright an das 21. Jahrhundert anpassen. In einem so breiten Ausmaß verändert hat sie es zuletzt im Jahr 2001. Damals hatte das Internet noch nicht annähernd die Bedeutung, die es heute hat, und die meisten der heute prävalenten sozialen Medien existierten noch nicht. Konsumierten Nutzer ihre Medien einst auf CD, DVD oder in gedruckter Form, tun sie es mittlerweile auf Plattformen wie Youtube, Spotify sowie diversen Nachrichtenseiten und sozialen Medien.

Frage: Was ändert sich nun?

Antwort: Bisher setzten Internetplattformen, die nutzergenerierte Inhalte erlauben, auf ein sogenanntes "Notice and take down"-System. Im Wesentlichen heißt das, dass die Urheber eines Inhalts sich nach einer Veröffentlichung beschweren konnten, wenn eine unerlaubte Werknutzung stattgefunden hat – nach einer Prüfung werden diese dann entfernt. Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie sieht nun vor, dass die Plattformen bereits im Vorfeld Lizenzen von Rechteinhabern einholen müssen. Für Urheberrechtsverletzungen haften sie – anders als bisher – selbst. Sogenannte Uploadfilter sind damit zwar nicht fest vorgegeben, werden aber als wahrscheinlichste Umsetzung der Plattformen gesehen, um sich an diese Regeln zu halten.

Frage: Was sind Uploadfilter?

Antwort: Dabei handelt es sich um automatisierte Systeme, die Inhalte bereits vor ihrer Veröffentlichung auf Urheberrechtsverletzungen prüfen sollen – und die Veröffentlichung in einem solchen Fall unterbinden. Eine Überprüfung jedes Inhalts wäre andernfalls aufgrund der schieren Menge der Uploads mithilfe von menschlichen Moderatoren wohl kaum zu stemmen. Mit Content ID hat etwa Youtube bereits ein derartiges System im Einsatz.

Frage: Gibt es Kritik an solchen Filtersystemen?

Antwort: Grundsätzlich sind viele Nutzungen eines Werks, beispielsweise zu Satirezwecken, für Zitate oder weil es bereits so alt ist, dass es seinen Urheberrechtsschutz verloren hat, erlaubt. Automatisierte Systeme wie Uploadfilter können anders als menschliche Moderatoren aber keinen Kontext erkennen. Das zeigt sich beispielhaft an Fehlentscheidungen der eingesetzten Filter: Etwa verwechselte Youtube bei einem der populärsten Schachkanäle seiner Plattform Weiß und Schwarz mit rassistischen Angriffen. In der US-Stadt Beverly Hills versuchte die Polizei, die Filtermechanismen zu missbrauchen. Sie spielte ein urheberrechtlich geschütztes Lied ab, um die Verbreitung der Aufnahme eines Aktivisten zu verhindern. Dabei erhoffte sie sich, dass die Urheberrechtsfilter der sozialen Medien anspringen und das Video blockieren würden.

Kritiker wie Bernhard Hayden, Aktivist bei Links Wien und Urheberrechtsexperte, befürchten, dass eine derartige Infrastruktur künftig die Verbreitung legaler Nutzerinhalte einschränken könnte. "Wenn Uploadfilter solche Entscheidungen automatisch treffen, werden diese regelmäßig falsch liegen und damit viele legale Inhalte im Internet einfach verschwinden", sagt er zum STANDARD. Aus diesem Grund laufe aktuell ein Verfahren gegen Uploadfilter vor dem EuGH. "Es ist gut möglich, dass der ganze Vorschlag vom EuGH als grundrechtswidrig aufgehoben wird", sagt Hayden.

Frage: Wie handhabt der österreichische Entwurf das?

Antwort: "In Österreich setzt man auf eine ähnliche Lösung wie in Deutschland. Große Unternehmen sollen immer noch Uploadfilter nutzen müssen, dafür kleinere so wenig wie möglich", erklärt Hayden. Im letzten Arbeitsgruppenentwurf, der im Dezember vom Justizministerium veröffentlicht wurde, sind zudem Bagatellgrenzen für nichtkommerzielle Nutzungen vorgesehen. In einem solchen Fall dürfte keine Sperre stattfinden, ohne dass ein menschlicher Moderator den jeweiligen Inhalt prüft. Dadurch soll die Chance für Falscherkennungen verringert werden. Bei Film und Ton sind das 20 Sekunden, bei Texten 1.000 Zeichen, bei Bildern 250 Kilobyte. Gerade Letzteres dürfte künftig regelmäßige Aktualisierungen vorsehen, sofern das Gesetz an aktuelle technische Gegebenheiten angepasst bleiben soll, da sich die Dateigröße von Bildern stets, auch aufgrund von steigenden Datengeschwindigkeiten, steigert. "Doch eine satirische Nutzung kann auch für längere Ausschnitte legal sein", sagt Hayden. "Blockt dann der Uploadfilter, verstößt die Plattform gegen die EU-Regeln."

Frage: Gibt es weitere Maßnahmen, um Missbrauch zu verhindern?

Antwort: Der Entwurf vom Dezember sieht ein Pre-Flagging-System vor: Nutzer sollen schon vorab so viele Informationen wie möglich über ihren Upload hinterlassen, um so eine Unterbindung zu verhindern. Außerdem soll es ein Beschwerdeverfahren geben, mit dem User gegen Sperren vorgehen können. Ähnlich wie beim Anfang des Jahres verabschiedeten Gesetz gegen Hass im Netz müssen die Plattformen eine leicht erreichbare Meldestelle zur Verfügung stellen. Derartige Meldungen müssen geprüft werden, anderenfalls droht ein Verfahren durch die Komm Austria, sofern das Unternehmen in Österreich niedergelassen ist. Möglich sind auch Verbandsklagen im Fall von systematischen Fehlentscheidungen.

Frage: Gibt es noch andere Kritik an dem neuen Haftungssystem?

Antwort: Die Urheberrechtsreform sieht Ausnahmen für besonders kleine und junge Unternehmen vor, sie müssen aber glaubhaft machen, dass sie sich intensiv um Lizenzen bemüht haben. Wie von der Grundrechts-NGO Epicenter Works kritisiert worden war, sollen nach dem Entwurf der Grünen Plattformen nur dann von dem Einsatz eines Filters befreit sein, wenn sie "alle Anstrengungen" unternommen haben, um Rechte von Urhebern einzuholen und so einer Verletzung entgegenzuwirken. Das würde aber bedeuten, dass sämtliche Rechte weltweit für sämtliche Inhalte eingeholt werden müssten. In englischer Sprache sei die Anforderung lediglich "best effort", sagt Hayden. Aus seiner Sicht verschärfe diese strengere Übersetzung die Probleme mit den Filtern: "Wenn eine Fotoplattform sonst alle Rechte für Musikwerke abklären muss, bleibt ihr eigentlich nur mehr der Uploadfilter als Ausweg."

Frage: Wie sieht es mit dem Leistungsschutzrecht aus?

Antwort: Presseverleger sollen künftig ausschließlich darüber entscheiden können, wie ihre Inhalte im Netz verbreitet werden. Der Entwurf vom Dezember sieht vor, dass die Nutzung von Pressetexten durch Plattformen ab einer bestimmten Zeichenzahl – eben 1.000 Zeichen – nur entgeltlich möglich sein soll, außer sie erfolgt zu nichtkommerziellen Zwecken. Auch gibt es Ausnahmen für Hyperlinks, wobei die Grundrechts-NGO Epicenter Works hier moniert, dass Textauszüge in den Links selbst nicht ausgenommen werden. Gegen ein derartiges Leistungsschutzrecht wehren sich die großen IT-Plattformen weltweit – zuletzt etwa in Australien. Charlotte Steenbergen, Generalsekretärin des Providerverbands Ispa, zu deren Mitgliedern Google und Facebook gehören, kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die Plattformen "viel mehr als Wegweiser" agieren würden, als ungerecht an den Inhalten von Verlegern zu profitieren, denn sie würden das Leseaufkommen "erheblich steigern".

Von Künstlerorganisationen wurde der Entwurf gelobt, Kritik gibt es aber etwa vonseiten der Musikwirtschaft. So sei unter anderem vorgesehen, dass ein Urheber das Werknutzungsrecht aufgrund "gewandelter Überzeugung" zurückrufen kann. Damit sieht etwa der Verband der österreichischen Musikwirtschaft die Rechtssicherheit in Gefahr. Jedoch waren Teile der Reform wie Artikel 17 erst damit gerechtfertigt worden, dass einzelne Kunstschaffende profitieren sollen, wenn ihre Arbeit auf Plattformen geteilt wird, merkt die Public-Domain-Initiative Communia in diesem Zusammenhang an – das werde durch derartige Maßnahmen möglich gemacht.

Frage: Wie reagierten die IT-Konzerne bisher auf Vorhaben zu einem Leistungsschutzrecht?

Antwort: Zuletzt eskalierte ein Streit zwischen Australien und Facebook. Der IT-Konzern sperrte zeitweise den Zugang zu Nachrichten- und Katastrophendiensten. Hintergrund war ein geplantes Gesetzes der australischen Regierung. Dieses würde Nachrichten-Aggregatoren wie Facebook und Google dazu verpflichten, künftig für die anhand von Nachrichteninhalten generierten Werbeeinnahmen zu zahlen. Das Unternehmen hob die Sperre auf, nachdem die australische Regierung angekündigt hatte, das Gesetzesvorhaben anzupassen: So sollen die IT-Konzerne sich weiterhin mit Medienhäusern zusammensetzen und Zahlungsvereinbarungen treffen. Neu ist allerdings, dass sie dafür zwei Monate Zeit haben, ansonsten greift eine behördliche Schlichtungsstelle ein. In der EU sprachen sich Verlegerverbände und der konkurrierende IT-Konzern Microsoft für eine ähnliche Regelung aus.

Frage: Gab es andere Beispiele?

Antwort: In Deutschland gilt etwa bereits seit 2013 ein weniger strenges Leistungsschutzrecht. Dieses hatte allerdings zur Folge, dass große Verlage für Google eine Ausnahme einräumten. Google hatte ihnen zuvor angeboten, entweder freiwillig auf die neuen Ansprüche zu verzichten oder aus den Ergebnissen bei Google News gestrichen zu werden. In Spanien, wo ebenfalls eine ähnliche Regelung seit 2015 in Kraft ist, stellte das Unternehmen als Reaktion Google News gänzlich ein. Die Folge war, dass kleine Medien große Schäden davontrugen. In Frankreich konnte sich Google hingegen im Jänner mit dem französischen Branchenverband Alliance de la Presse d'Information Générale (APIG) auf ein Leistungsschutzrecht einigen. Dabei soll es aber nicht übergreifende Verträge mit allen Verlagen geben, sondern einzelne Berechnungen je nach veröffentlichten Inhalten und Leserzahl.

Der Rechtsinformatiker Nikolaus Forgó von der Universität Wien kritisiert in Bezug auf den österreichischen Entwurf, dass "nichts von alldem irgendein Unternehmen daran hindern" würde, schlicht auf derartige Mediennutzungen zu verzichten. "Was hindert Facebook am Vorgehen wie in Australien, was hindert Google, österreichische Medien, die keine Lizenzvereinbarungen abschließen, einfach auszulisten?" Auch die Verpflichtung zu einer Verwertungsgesellschaft war kritisiert worden, aus Sicht von Epicenter Works könnten so große Medienhäuser Vorgaben zur Sichtbarkeit ihrer Inhalte bestimmen. Kleinere Verlage könnten dadurch benachteiligt werden.

Frage: Inwiefern sich das Gesetz noch ändern?

Antwort: Bisher wurde das Gesetz lediglich vom grünen Justizministerium bearbeitet, mit der ÖVP wird erst verhandelt. Aus informierten Kreisen heißt es, dass die ÖVP – die schon auf EU-Ebene für die strengste Umsetzung einer Urheberrechtsreform mit Uploadfiltern stimmte, die Grünen dagegen – sich für striktere Vorgaben in puncto Leistungsschutzrecht und Uploadfilter einsetzen wird. "Selbst wenn der grüne Vorschlag perfekt wäre, ist fragwürdig, was am Ende davon übrig bleibt", so Hayden. Der nächste öffentliche Entwurf soll jedenfalls der Begutachtungsentwurf sein, nach dem eine finale Fassung formuliert wird. Das Ministerium bearbeitet derzeit die Rückmeldungen zum Arbeitsgruppenentwurf. (Muzayen Al-Youssef, 23.2.2021)